„Lebendige Tideelbe“ statt Vertiefung!

Umweltverbände kritisieren deutsche Flusspolitik und reichen Klage gegen die Elbvertiefung ein.

Der ohnehin schon rege Containerschiffverkehr an der Elbe. © Claudia Stocksieker / WWF
Der ohnehin schon rege Containerschiffverkehr an der Elbe. © Claudia Stocksieker / WWF

Hamburg - Der BUND, der NABU und der WWF haben das Aktionsbündnis „Lebendige Tideelbe“ gegründet, um sich gemeinsam für eine ökologisch intakte Unterelbe mit den angrenzenden Lebensräumen einzusetzen. Die Verbände nehmen die geplante Elbvertiefung zum Anlass, den Umgang Deutschlands mit seinen Flüssen insgesamt zu kritisieren. Gegen die Elbvertiefung werden BUND und NABU mit Unterstützung des WWF nun Klage einreichen.

 

„Eine lebendige Tideelbe ist keine abwegige Utopie sondern gesetzlicher Auftrag“,  begründet Eberhard Brandes, Vorstand des WWF Deutschland, den Zusammenschluss der drei Umweltverbände. „Die deutsche Bundesregierung hat den europäischen Richtlinien zugestimmt und muss sie jetzt an den eigenen Flüssen auch  umsetzen.“ Sowohl FFH- als auch Wasserrahmenrichtlinie, aus denen große Teile des Unterelberaums und andere Flusslandschaften bestehen, verbieten Verschlechterungen und fordern konkrete Maßnahmen für die Erreichung eines günstigen Erhaltungszustands der gefährdeten Lebensräume. So soll ein guter ökologischer Zustand der Gewässer erreicht werden.

 

Anlässlich des Verfahrens zur Elbvertiefung kritisieren die drei Umweltverbände den Umgang Deutschlands mit den europäischen Vorgaben insgesamt. „Die Bundesregierung  als Eigentümerin der Bundeswasserstraßen muss endlich die eigene Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt in den großen Flüssen umzusetzen“, fordert Eberhard  Brandes. „Dafür muss sie ein Gegengewicht zu den Auswirkungen der Schifffahrt schaffen und renaturieren.“ Stattdessen würden die deutschen Flüsse etappenweise ausgebaut und jeder Ausbauschritt werde einzeln für sich betrachtet und genehmigt. „Die Behörden ignorieren, dass sich die Schäden an der Natur mit jedem Eingriff potenzieren.“ Als Negativbeispiel führen die Umweltverbände die Ems an. Die Unterems wurde zwischen Papenburg und Emden von 1984 bis 1995 für die Überführung von Kreuzfahrtschiffen vier Mal vertieft. Infolgedessen kommt es in dem Fluss zu dramatischen Sauerstoffmangelsituationen, und die Gewässergüte wurde im Zeitraum von 1984 bis 2000 um drei Güteklassen heruntergestuft.  „Die Ems ist mit der letzten Vertiefung zum Sanierungsfall geworden, weil die Pufferkapazität des Flusses endgültig überschritten wurde“, verdeutlicht Brandes. „Je größer die Vorbelastung eines Ökosystems ist, desto sensibler und empfindlicher reagiert es auf weitere Eingriffe.“

 

„Das europäische Recht gibt ganz klar ein Verschlechterungsverbot für die ökologische Situation der Gewässer vor“, betont Sebastian Schönauer, Sprecher des BUND-Bundesarbeitskreises Wasser. „Deutschland als angeblicher Musterknabe im Umweltschutz hält sich aber nicht an diese Vorgaben. Unter dem Deckmantel des „überwiegenden öffentlichen Interesses“ wird der Gewässerschutz hinten angestellt und den Flüssen weitere Belastungen zugemutet.“ Es sei bezeichnend, dass bis heute gerade mal 10% der Flüsse die Zielvorgabe „guter ökologischer Zustand“ bzw. „gutes ökologisches Potential“ erreicht haben. Dass die Ziele nicht erreicht werden, hänge auch an den vielfachen Nutzungen an unseren Flüssen und hier vor allem durch die Schifffahrt. Die starken Eingriffe in die Gewässer und die damit verbundenen ökologischen Schäden, aber auch die enormen Kosten zur Aufrechterhaltung einer Schifffahrt mit immer größeren Schiffen seien in dem aktuellen Ausmaß aber nicht mehr zu rechtfertigen. Schönauer betont: „Dies gilt für die Elbe genauso wie für die Weser und die Donau. So soll derzeit erneut die Unterweser vertieft werden, obwohl auch hier ein wirtschaftlicher Bedarf nicht gegeben und die ökologische Gewässerqualität zwischen Bremen und Bremerhaven bereits problematisch ist. Und an der Donau wird seit Jahren von der zuständigen Wasser– und Schifffahrtsverwaltung entgegen den wirtschaftlichen Tatsachen an völlig unsinnigen Ausbauplänen zwischen Straubing und Vilshofen festgehalten. Wir brauchen dringend eine Besinnung und Neuaufstellung der zuständigen Verwaltung, deren gesetzlicher Auftrag auch  die „Ökologisierung der Schifffahrtswege“ beinhaltet.

 

„Wenn unsere Flüsse weiter so ausgebaut und vertieft werden wie bisher, erreichen wir dort niemals einen ökologisch guten Zustand“, stellt Jörg-Andreas Krüger, NABU-Fachbereichsleiter Naturschutz und Umweltpolitik und Stellvertretender Bundesgeschäftsführer, fest. „Wir befürchten, dass die nächste Elbvertiefung, vergleichbar mit der Entwicklung an der Unterems, das gesamte Flussökosystem zum Kippen bringen wird.“ Es müsse daher unbedingt verhindert werden, dass Deutschland die zweite von seinen vier Flussmündungen zerstört, für deren ökologischen Erhalt es gegenüber der Europäischen Union eine besondere Verantwortung trägt. Krüger: „Deshalb haben wir uns entschieden, im Rahmen unseres Bündnisses gegen den Planfeststellungsbeschluss zur Elbvertiefung zu klagen.“

 

Die Umweltverbände bemängeln in ihrer Klage Verstöße gegen das europäische Natur- und Gewässerschutzrecht: Ihrer Ansicht nach werden sich die Wasserstände und der Tidenhub deutlich stärker ändern als prognostiziert – mit allen negativen Folgen, wie die Verlandung von Nebenflüssen, den Verlust von Flachwasserzonen und die Verschlechterung der ökologischen Gewässerqualität (Stichwort: Sauerstoffmangel). Krüger beanstandet weiter, dass es nie eine ernstzunehmende Prüfung von Alternativen gegeben hat. Und die vorgeschlagenen Kompensationsmaßnahmen seien auch nicht annähernd geeignet, den erheblichen Eingriff in die Tideelbe auszugleichen. Krüger: „Wir gehen vielmehr davon aus, dass die Schädigung des Flusses nicht ausgeglichen werden kann!“ Die Verbände kritisieren weiter, dass die Möglichkeiten zur Vermeidung negativer Auswirkungen auf die Umwelt, wie zum Beispiel im „Tideelbekonzept“ der Hamburg Port Authority dargestellt, nicht ausgenutzt wurden. Krügers Fazit: „Es wäre viel sinnvoller, die Schiffe an die Flüsse anzupassen, als umgekehrt."

 

BUND, NABU und WWF sind zuversichtlich, dass vor dem Hintergrund der erkennbar unzureichenden Umsetzung des europäischen Rechtes an Deutschlands Flüssen und dem Baustopp an der Unterweser das Bundesverwaltungsgericht ihrer Klage gegen die Elbvertiefung stattgeben wird.

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WWF Presse-Team