Artenkiller Erderhitzung

WWF-Studie: 50 Prozent aller Tier- und Pflanzenarten in weltweit wichtigsten Naturregionen vom Aussterben bedroht

Auch Afrikanische Elefanten sind von der Erderhitzung betroffen © Martin Harvey / WWF
Auch Afrikanische Elefanten sind von der Erderhitzung betroffen © Martin Harvey / WWF

London/Berlin: Bis zur Hälfte aller Tier- und Pflanzenarten in den weltweit bedeutendsten Naturregionen werden mittelfristig dem Klimawandel zum Opfer fallen. Das ist das Ergebnis einer Studie des WWF und der Universität East Anglia in Großbritannien. Sollte die menschengemachten Emissionen an Treibhausgasen wie bisher fortschreiten, würde jede zweite Art bis zum Jahr 2080 aus den untersuchten Gebieten verschwinden. Selbst wenn das Zwei-Grad-Limit eingehalten wird, also das obere Ende der Beschlüsse  im Pariser Klimavertrag, fiele der Rückgang der Artenvielfalt noch erheblich aus: In diesem Fall würde noch jede vierte Spezies in den Schlüsselregionen das Zeitliche segnen.

 

Rund eine Woche vor der „Earth Hour“ am 24. März möchte der WWF mit dem Report auf den drohenden Verlust an biologischer Vielfalt aufmerksam machen. Die weltgrößte Klima- und Umweltschutzaktion, bei der tausende Städte in aller Welt eine Stunde lang ihre Wahrzeichen verdunkeln, steht dieses Jahr unter dem Motto „Für einen lebendigen Planeten“.

 

„Naturparadiese wie der Amazonas oder die Galapagosinseln drohen noch zu Lebzeiten unserer Kinder weitreichend zerstört und der Hälfte ihrer Tier- und Pflanzenarten beraubt zu werden“, sagt Christoph Heinrich, Vorstand Naturschutz beim WWF Deutschland. „Das ist kein Schicksal, sondern direkte Folge der menschengemachten Klimaerhitzung. Auf der ganzen Welt könnten ikonische Tiere wie Afrikanische Elefanten oder Große Pandas regional verschwinden, genau wie zehntausende Pflanzen, Insekten und kleinere Lebewesen, die die Grundlage des Lebens auf der Erde bilden. Als dringendste Maßnahme müssen wir daher so schnell wie möglich aus Kohle, Öl und später Erdgas aussteigen – sie sind die Haupttreiber des Klimawandels.“

 

Für die Studie „Wildlife in a warming World“ haben die Forscher die Auswirkungen des Klimawandels auf fast 80.000 Tier- und Pflanzenarten in 35 Regionen untersucht, die zu den artenreichsten der Welt zählen, darunter der Amazonas-Regenwald, das Kongobecken oder der Mittelmeerraum. Der Report nimmt drei verschiedene Klima-Szenarien und ihre Wirkungen auf die Biodiversität unter die Lupe – angefangen bei einem „business as usual“, der die Welt mit einem durchschnittlichen Temperaturanstieg von 4,5 Grad Celsius konfrontieren und die verheerendsten Effekte zur Folge hätte. Ebenfalls betrachtet werden ein Anstieg um 3,2 Grad, der den bisher international zugesagten Klimaschutzmaßnahmen der Staaten entspricht sowie eine erfolgreiche Begrenzung der weltweiten Erhitzung auf maximal zwei Grad, wie es das Pariser Klimaabkommen als Minimalziel vorsieht.

 

Besonders hart treffen wird es laut Studie die Miombowälder im südlichen und östlichen Afrika, den Amazonas-Regenwald sowie den Südwesten Australiens. Sollte es zu einem durchschnittlichen globalen Temperaturanstieg von 4,5 Grad kommen, auf den die Menschheit aktuell zusteuert, hätte dies in diesen und weiteren Regionen dramatische Folgen:

 

  •  Aus den Miombowäldern verschwänden bis zu 90 Prozent aller Amphibien, 86 Prozent aller Vogel- sowie 80 Prozent aller Säugetierarten.
  • Für den Amazonas-Regenwald rechnen die Forscher mit einem Rückgang der Pflanzenvielfalt um 69 Prozent.
  • In Südwestaustralien stünden 89 Prozent aller Amphibien vor dem regionalen Aussterben.
  • Auf Madagaskar wird ein Verlust von bis zu fast 60 Prozent sämtlicher Tier- und Pflanzenarten prognostiziert.
  • Für das Fynbos-Biom im Südwesten Südafrikas geht die Studie von einem regionalen Aussterben von 30 Prozent aller Arten aus, von denen viele endemisch sind, also nur dort vorkommen. Bereits heute liefert die Region mit starker Trockenheit, die unter anderem zu empfindlicher Wasserknappheit im nahegelegenen Kapstadt geführt hat, einen Vorgeschmack auf künftige Entwicklungen.

 

Die Gründe für den enormen Rückgang der Biodiversität liegen vor allem in den veränderten Lebensbedingungen, die die Klimaerhitzung in den Regionen mit sich bringt und mit denen die Arten unterschiedlich gut umgehen können: Die Bestände des Afrikanischen Elefanten werden deutlich zurückgehen aufgrund steigender Temperaturen und sinkendem Niederschlag. Elefanten trinken pro Tag 150 bis 300 Liter und sind auf eine entsprechend hohe Wasserverfügbarkeit angewiesen. Auf ganz andere Weise betroffen sein werden die Tiger in den Sundarban-Mangroven Bangladeschs und Indiens. 96 Prozent ihres Verbreitungsgebiets auf dem indischen Subkontinent werden bei einem durchschnittlichen Temperaturanstieg von 4,5 Grad mittel- bis langfristig unter dem steigenden Meeresspiegel verschwinden.

 

Um zu überleben werden zahlreiche Arten gezwungen sich anzupassen – entweder an die neuen Begebenheiten vor Ort oder durch Abwanderung in andere Gebiete. Würde den Tieren und Pflanzen die notwendige Ausbreitung ermöglicht, errechnet die Studie einen Rückgang der lokalen Wahrscheinlichkeit des Aussterbens von 25 auf 20 Prozent (im Szenario eines globalen mittleren Temperaturanstiegs von zwei Grad). In vielen Fällen wird dies nach Angaben der Autoren jedoch nicht möglich sein aufgrund von menschlicher Infrastruktur, aber auch natürlicher Hindernisse wie Flüssen oder Bergen. Viele Arten werden zudem schlicht nicht in der Lage sein, sich über wenige Jahrzehnte hinweg anzupassen oder in andere Gebiete auszubreiten, darunter die meisten Pflanzen, Amphibien und Reptilien wie Orchideen, Frösche und Eidechsen.

 

„Um die Vielfalt an Leben auf der Erde zu erhalten müssen wir die globale Erhitzung so gering wie möglich halten“, so Christoph Heinrich vom WWF. „Die bisher von den Staaten zugesicherten Maßnahmen sind viel zu zaghaft und werden Mensch und Natur vor massive Probleme stellen. Das Ziel muss sein, so nah wie möglich an die in Paris anvisierten 1,5 Grad zu kommen. Wenn uns das gelingt und wir gleichzeitig die Lebensräume und Wanderwege schützen, können wir das schlimmste Artensterben noch abwenden.“

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WWF Presse-Team