WWF bekräftigt Forderung nach weltweitem Moratorium / Abgelaufene Zwei-Jahres-Frist schafft Rechtsunsicherheit

Werden in der Tiefsee bald Bodenschätze wie Manganknollen abgebaut, ohne dass international vereinbarte Vorschriften dem Grenzen setzen? Die Frage steht im Mittelpunkt der in Jamaika beginnenden Rats-Konferenz der Internationalen Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority/ISA), die für den Schutz des internationalen Meeresbodens und die Regulierung des Tiefseebergbaus zuständig ist. Eine wichtige Frist, die sogenannte Zwei-Jahres-Klausel, ist am 9.7 Juli ausgelaufen, ohne dass bisher ein Regelwerk für den Tiefseebergbau fertiggestellt wurde. Der Inselstaat Nauru hatte den Countdown 2021 im Auftrag eines Unternehmens ausgelöst. Jetzt sind alle Staaten berechtigt, eine Lizenz zum Beginn des Tiefseebergbau bei der ISA zu beantragen. Der WWF appelliert an die Regierungen, sich dem Druck der Unternehmen zu widersetzen und die Tiefsee vor Ausbeutung zu schützen, bis alle Auswirkungen von möglichen Tiefseebergbauvorhaben durch solide wissenschaftliche Forschung bekannt sind und sichergestellt ist, dass diese ohne Schäden an der Meeresumwelt durchgeführt werden können.

„Der Prozess zur Regulierung von Tiefseebergbauvorhaben versinkt in Rechtsunsicherheit, weil nicht definiert ist, wie es weitergeht. Es wäre fahrlässig, die Situation so offen für Interpretationen zu belassen, und unternehmerischen Profitinteressen Spielraum zu geben. Die Mitgliedsstaaten müssen jetzt schnell Klarheit schaffen, wie mit potentiellen Anträgen verfahren werden soll, solange es kein Regelwerk gibt, dessen Einhaltung man prüfen könnte“, fordert Tim Packeiser, Experte für Tiefseebergbau beim WWF Deutschland. Zur endgültigen Ausarbeitung von Vorschriften genügt der derzeitige Stand der Forschung jedoch nicht. „Wir brauchen ein Moratorium für Tiefseebergbau, bis ausreichend wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen und nachgewiesen ist, dass ein Abbau von mineralischen Ressourcen in der Tiefsee ohne Schäden an der Meeresumwelt durchgeführt werden kann“, so Packeiser. Insgesamt 16 Länder, darunter Deutschland, haben sich bereits für ein weltweites Moratorium oder einen Stopp des Tiefseebergbaus ausgesprochen. Mehr als 700 Wissenschaftler:innen warnen vor den Folgen und unterstützen ein Moratorium. Auch Unternehmen, Banken und Versicherer erkennen zunehmend die Risiken von Investitionen in die zerstörerische Technologie.

Doch auch gegenläufige Entwicklungen werden in Jamaika registriert: die norwegische Regierung hat gerade verkündet, den eigenen Meeresboden für die Erkundung zum Abbau von Mineralien freigeben zu wollen. „Das ist sicher kein zufälliges Timing. Es stärkt die Position von Nauru zu einem kritischen Zeitpunkt, während die internationale Staatengemeinschaft um Einigung ringt. Falls Norwegen als erstes Land der Welt eigene Gewässer für Tiefseebergbau öffnet, wird das Nachahmer auf den Plan rufen, die von den ersten Erträgen der Branche profitieren wollen. Die Umweltauswirkungen eines norwegischen Alleingangs würden aber auch andere Staaten betreffen. Unter anderem könnten sich Sedimentwolken über Landesgrenzen hinweg im sensiblen Ökosystem des arktischen Meeres verteilen“, so WWF-Experte Tim Packeiser. Der mögliche Abbau von Manganknollen oder kobalthaltigen Krusten ginge mit Lebensraumzerstörung, Lärmbelastung und Verlust der Artenvielfalt einher. Unabhängig davon, ob der Abbau von Bodenschätzen am Meeresgrund innerhalb oder außerhalb nationaler Gewässer stattfindet, er würde internationale Vereinbarungen wie die UN-Abkommen zum Schutz der biologischen Vielfalt oder zum Schutz der Hohen See untergraben. Laut einem Bericht des WWF werden für den notwendigen Übergang zu einer Wirtschaft ohne fossile Brennstoffe keine Mineralien aus der Tiefsee benötigt.

„Tiefseebergbau ist eine vermeidbare Umweltkatastrophe. Die Mitgliedsstaaten der ISA haben das Schicksal der Tiefsee in der Hand und müssen jetzt einen Dammbruch verhindern“, so Packeiser. Die Tiefsee beherbergt eine Vielzahl sensibler und bisher weitestgehend ungestörter Ökosysteme sowie eine außerordentliche Artenvielfalt. Mit jeder Expedition entdecken Forscher:innen dort neue Arten. Darüber hinaus ist die Tiefsee die größte Kohlenstoffsenke auf dem Planeten und für die Bewältigung der Klimakrise unabdingbar.

Kontakt

Britta König

Pressesprecherin für Meeresschutz und Plastikmüll / Hamburg

  • Amur-Tiger © Ola Jennersten / WWF Schweden Bedrohte Arten

    Der Rückgang der biologischen Vielfalt wird maßgeblich durch menschliches Handeln verursacht. Der WWF setzt sich weltweit für den Schutz bedrohter Arten ein. Erfahren Sie mehr zum Artenschutz