Hochkonzentriert gleitet die Tierärztin mit einem Ultraschallkopf über die rosafarbene Delfinhaut. Atmung und Herzschlag des Tieres werden ständig überwacht. Der Eingriff muss schnell gehen – Delfine sollten nicht zu lange außerhalb des Wassers bleiben. Nach gerade einmal 20 Minuten ist alles vorbei und das Expeditionsteam hebt den rund 100 Kilogramm schweren Säuger sanft zurück ins Wasser. Von nun an wird er den Namen „Majaz“ tragen und täglich seinen Aufenthaltsort an die Forscher senden.

Majaz ist einer von 50 Flussdelfinen, die der WWF 2019 in fünf südamerikanischen Amazonas-Anrainerstaaten kurzzeitig eingefangen, untersucht und zum Teil mit GPS-Sendern ausgestattet hat. Im Rahmen eines Forschungsprojekts will man mehr über die scheuen Tiere erfahren, um sie gezielt schützen zu können – denn ihr Bestand ist in den vergangenen Jahren besorgniserregend schnell gesunken.

Expedition zu den Delfinen

Seit Ende 2017 sind die WWF-Forschungsboote für das Delfin- und Süßwasserschutzprojekt in Brasilien, Bolivien, Peru, Ecuador und Kolumbien unterwegs. Die Teams bestehen aus Biologen, Tierärzten, Naturschützern und einheimischen Fischern – und sind stets auf der Suche nach wichtigen Informationen zum Verhalten, den Wanderwegen und Bedrohungen der rosa Delfine. 

„Wenn man einen Flussdelfin möglichst schonend fangen will, braucht man eine akribische Vorbereitung, ein bisschen Glück und viel Geduld – einmal sogar mehr als zwölf Stunden lang.“, erklärt Roberto Maldonado vom WWF Deutschland, der schon bei den allerersten Expeditionsfahrten dabei war. 

Die scheuen Tiere werden in die Seitenarme des Flusses getrieben, um sie dann mit Netzen einzukreisen und zügig auf das Boot zu heben. Die Zähne der Delfine werden untersucht und Speichel-, Gewebe- sowie Blutproben entnommen. Auch die Ultraschalluntersuchung und das Wiegen lassen sie geduldig über sich ergehen. Bei 22 der bisher 50 untersuchten Tiere wurden Peilsender an der Rückenflosse befestigt. Bis zu 280 Tage lang senden die GPS-Sender den Aufenthaltsort der Tiere, schließlich fallen sie auf natürlichem Wege von selber ab. 

Zu den ersten erstaunlichen Erkenntnissen, die das Team so gewinnen konnte, gehören zum Beispiel die großen, mehrere hundert Kilometer weiten Strecken, welche die Delfine zurücklegen. Dies zeigt, wie wichtig frei fließende Flüsse für diese Tiere sind.

Drohnen helfen beim Zählen

Auch Populationsstudien der seltenen Säuger sind Bestandteil des Forschungsprojekts. Hierfür kommen auch Drohnen zum Einsatz. Dank dieser modernen Technik genügt ein kleines Schiff mit drei Personen, um eine Zählung durchzuführen – im Anschluss hilft eine Software dabei, das Videomaterial auszuwerten. Diese Methode ist schneller und vor allem weniger kostenintensiv als das manuelle Zählen.

Zum Vergleich: Bei einer Zählung ohne Drohne sind rund zwölf Menschen an Bord. Diejenigen, die beobachten, müssen in Schichten eingeteilt und regelmäßig ausgetauscht werden.

Nervengift im Blut

Die Forschungsergebnisse der Expedition 2019 bestätigen die schlimmsten Befürchtungen: Die Schadstoffbelastung der Tiere ist alarmierend hoch.

Rund 26 Prozent der 2019 untersuchten Flussdelfine in Brasilien wiesen Quecksilberwerte auf, die in einer entsprechenden Konzentration für den menschlichen Organismus bereits äußerst gefährlich sind. Dies ist nicht nur ein kritischer Befund für die Tiere, sondern für das gesamte Süßwasserökosystem des Amazonas – und mit ihm auch für die Menschen, die dort leben.

Vor allem für viele Indigene sind Fische wichtige Proteinquellen, aber durch die Schadstoffbelastung eben auch eine große Gesundheitsbelastung. Forschungen in Peru haben selbst in den isoliertesten Gebieten des Amazonas hohe Schadstoffbelastungen der Indigenen ergeben. Denn zu den mit am stärksten belasteten Fischen gehören große, räuberische Welse – sie sind wichtige Speisefische und wandern tausende Kilometer weit.

47.000 Kilometer Flüsse bereist

Auch im Jahr 2022 war das Team um den WWF und die Südamerikanische Flussdelfin-Initative (SARDI) im Amazonas-Gebiet im Einsatz. Mehr als 4.000 Kilometer Flüsse haben sie bereist und bei den Expeditionen in sechs Ländern Delfinzählungen durchgeführt.  

Das Ergebnis von insgesamt nunmehr 20 Jahren Forschungsarbeit in der Region ist eine Karte, die zeigt wo im Amazonas Flussdelfine leben und wie viele es davon gibt. Insgesamt wurden dafür mehr als 47.000 Flusskilometer im Orinoco- und Amazonasgebiet bereist. Die Karte ist eine wichtige Grundlage zum Schutz der Flussdelfine und ihrer Lebensräume. Denn nur, wenn die Forscher:innen wissen wo Delfine vorkommen, können Schutzmaßnahmen wirksam umgesetzt werden.

Auch konkrete Maßnahmen wurden umgesetzt, so zum Beispiel ein Pilotprojekt mit Pingern an Fischernetzen. Pinger sind kleine Geräte, die akustische Signale aussenden, die die Delfine davon abhalten, den Fischernetzen zu nahe zu kommen. Das schützt nicht nur die Delfine selbst, sondern auch den Fang der Fischer:innen und damit den Lebensunterhalt der Menschen. Und das wiederum fördert die Akzeptanz der Schutzmaßnahmen in der Bevölkerung. 

Bestandserhebungen liefern wichtige Daten für den Artenschutz. Das Team von SARDI arbeitet dazu auch mit den örtlichen Kleinfischer:innen zusammen. Erstmals wurde dazu eine Smartphone-App eingesetzt. Mit Hilfe der App können Fischer:innen Sichtungen melden und sich so auf einfache Weise stärker für den Schutz der Delfine engagieren. In einem ersten Versuch haben acht Fischer:innen an dem Projekt teilgenommen. 

Wichtig für den Schutz der Flussdelfine ist auch die nachhaltige Fischerei. Die Nationale Behörde für Aquakultur und Fischerei (AUNAP) führte in zwei Ramsar-Gebieten in Kolumbien neue Vorschriften ein, die eine Schonzeit zwischen dem 1. April und dem 30. Mai jeden Jahres vorsehen. In dieser Zeit darf nicht gefischt werden. Das sichert mittelfristig die Nahrungsressourcen für Flussdelfine. 

Retten Sie die Flussdelfine des Amazonas!

Helfen Sie uns, die rosa Delfine vor dem Aussterben zu bewahren! Mit Ihrer Spende ermöglichen Sie es uns, die wissenschaftliche Forschung zu stärken, die Lebensräume der Flussdelfine zu schützen und ihre direkten Bedrohungen entschieden anzugehen. Schützen wir die Flussdelfine, tragen wir auch einen großen Teil zum Schutz des Amazonas bei – einem der wichtigsten und artenreichsten Ökosysteme unserer Erde.

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