Wer Textilien bewusst nachhaltig kauft, möchte sicher sein, dass sie das auch sind. Bisher jedoch kann man den Ursprung der Baumwolle im fertigen Produkt nicht zweifelsfrei zurückverfolgen. Gemeinsam mit Institutionen aus der Wissenschaft entwickelt der WWF deshalb ein Verfahren, das die Herkunft der Baumwolle entschlüsseln könnte.

Beliebte Naturfaser mit großen ökologischen Auswirkungen

Ob T-Shirt, Jeans oder Bettwäsche: Als Naturfaser mit vielen geschätzten Eigenschaften ist Baumwolle Bestandteil diverser Kleidungsstücke und Textilien. Während sie bei der Verarbeitung von Naturfasern einen Gewichtsanteil von 80 Prozent ausmacht, entfällt ein Marktanteil von rund einem Viertel der weltweiten Faserproduktion auf Baumwolle.

Ihr Anbau und ihre Verarbeitung benötigen allerdings enorm viel Wasser. In Indien, Hauptquelle der in Deutschland genutzten Baumwolle, werden für ein Kilogramm der begehrten Faser 23.000 Liter Wasser verbraucht. Das ist der weltweit höchste Wasserfußabdruck für Baumwolle, der weit über dem globalen Durchschnitt von 11.000 Litern pro Kilogramm liegt.

Auch hat der Einsatz großer Mengen an Düngemitteln und Pestiziden beim Anbau mitunter schwerwiegende Auswirkungen auf die Natur.

„Gelingt es uns, die Herkunft von Baumwolle auch nach der Verarbeitung nachzuweisen, ist das ein großer Durchbruch. Unser Ziel ist es, auf dieser Grundlage eine Herkunftsdatenbank für Baumwolle aufzubauen – ein wichtiger Schritt hin zu mehr nachhaltigem Anbau und Sicherheit für die Verbraucher:innen.“

Dr. Stefan Ziegler, Biologe beim WWF Deutschland

Bio-Baumwolle: ein enormer Unterschied für die Umwelt

Baumwolle aus dem „Better Cotton“-Projekt in Pakistan © Asim Hafeez / WWF-UK
Baumwolle aus dem „Better Cotton“-Projekt in Pakistan © Asim Hafeez / WWF-UK

„Eine Alternative zur konventionellen Produktion ist der Anbau von Bio-Baumwolle“, sagt Philipp Wagnitz, der beim WWF den Fachbereich Ökosysteme und Ressourcenschutz leitet. „Der Bio-Anbau reduziert den Wasserverbrauch, aber vor allem die Belastung durch Insektizide, Pestizide und andere Chemikalien.“ Das führe zu Verbesserungen der Bodenqualität und der Ökosysteme sowie positiven Auswirkungen für den Menschen – gesundheitlich, sozial und wirtschaftlich.

Zwar ist das Bewusstsein der Verbraucher:innen für eine nachhaltigere Produktion in den letzten Jahren gewachsen, doch die existierenden Systeme zur Rückverfolgung von Baumwolle nutzen meist sogenannte Blockchain Verfahren, in der die Transaktionen in der Lieferkette dokumentiert werden. Wie anfällig diese Systeme für systematischen Betrug sind, zeigt ein Manipulationsversuch aus dem Jahr 2020, bei dem 20.000 Tonnen Baumwolle in Indien durch gefälschte Zertifikate als Bio-Baumwolle ausgewiesen wurden.

Ziel des WWF: mehr nachhaltige Produktion durch Transparenz

Ist es möglich, die Herkunft von Baumwolle entlang des gesamten Verarbeitungsprozesses auch an den Zwischenprodukten (Garne, Stoffe) sowie den fertigen Kleidungsstücken zweifelsfrei nachzuweisen, hat dies viele positive Wirkungen: Erstens steigt die Transparenz für die Verbraucher:innen, zweitens haben Firmen eine verbesserte Möglichkeit, ihren unternehmerischen Sorgfaltspflichten nachzukommen, und drittens wird die Herstellung von Bio-Baumwolle für die Produzent:innen wirtschaftlich relevant, da Zertifizierungssysteme besser geschützt werden.

Gemeinsam mit der Hochschule Niederrhein und dem spezialisierten Labor Agroisolab GmbH untersucht der WWF, ob der geo-chemische Fingerabdruck, den die geerntete Baumwollfaser aufweist, auch über gängige Textilverarbeitungsschritte wie Bleichen, Abkochen oder Färben hinweg erhalten bleibt. Dazu wird die Konzentration bestimmter Isotope in der Baumwolle bestimmt.

Die Ermittlung der Isotopenzusammensetzung ist bereits eine Standardmethode zur Herkunftsanalyse, die beispielsweise bei Holz, Elfenbein und anderen tierischen Produkten zum Einsatz kommt und vom WWF Deutschland maßgeblich mitentwickelt wurde.

Die „geo-chemische Geburtsurkunde“ der Baumwolle

Baumwoll-Spule mit Strickschlauch © Hochschule Niederrhein
Baumwoll-Spule mit Strickschlauch © Hochschule Niederrhein

Isotope sind verschiedene Atomarten ein und desselben chemischen Elements. Das heißt, deren Atomkerne haben gleich viele Protonen, aber unterschiedlich viele Neutronen – ein Muster, das bei fast allen chemischen Elementen zu finden ist.

„Im Labor analysieren wir das Zusammenspiel verschiedener Isotope in der Baumwolle“, erklärt WWF-Biologe Dr. Stefan Ziegler. „Dabei konzentrieren wir uns auf Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff, denn diese chemischen Elemente nehmen die Baumwollpflanzen über das Wasser und die Luft auf, und sie bleiben nach Abschluss der Wachstumsphase in den Zellen als Zellulose einlagert.“

Wasser gibt klaren Aufschluss über das Herkunftsgebiet. Weltweit ist es zwar das gleiche Molekül aus zwei Wasserstoffatomen und einem Sauerstoffatom, die Isotopenzusammensetzung ist jedoch in jeder Region verschieden.

Grund dafür ist vor allem die lokale Verdunstung in Verbindung mit Einflüssen wie Höhenlage, Temperatur, Niederschlagsmenge oder Entfernung zur Küste. Daraus ergibt sich ein weltweit gut bekanntes geographisches Muster der natürlichen Wasserisotope im Niederschlag und im Grundwasser – die sich wie eine “geo-chemische Geburtsurkunde” bestenfalls auch in verarbeiteter Baumwolle nachweisen lässt.

Das Ziel ist eine Herkunftsdatenbank für Baumwolle

Gelingt es dem Forscher:innenteam, die Herkunft der Baumwolle auch nach dem Durchlauf durch die textile Kette sicher nachzuweisen, soll in einem Folgeprojekt eine Herkunftsdatenbank für Baumwolle und Textilien entstehen. „Eine solche Datenbank kann uns eine wesentliche Bewertungsgrundlage liefern, insbesondere für ökologisch zertifizierte Baumwollwaren“, betont WWF-Experte Ziegler.

„Um diese schnell umsetzen zu können, beziehen wir von Anfang an einschlägige Interessensvertreter:innen rund um Mode- und Textilindustrie, Wissenschaftler:innen und Verbraucher:innen mit in das Projekt ein.“

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