Das Wattenmeer ist ein einzigartiger Naturraum und deshalb aus gutem Grund geschützt – zu einem großen Teil sogar als Nationalpark. Eine ungestörte Naturentwicklung, also „Natur Natur sein lassen“ ist hier das oberste Ziel. Vieles wurde hierfür erreicht und der Schutz des Wattenmeeres ist insgesamt ein sehr großer Erfolg. Große Teile des Wattenmeeres liegen jedoch unter Wasser und für die Unterwasserwelt hat der Schutz bislang zu wenig gebracht. Denn die fast flächendeckende Fischerei nimmt nicht genug Rücksicht auf ihren Schutz.

Bodenschleppnetze und Beifang bei der Krabbenfischerei

Unnötiger Beifang der Krabbenfischerei © Hans-Ulrich Rösner / WWF
Unnötiger Beifang der Krabbenfischerei © Hans-Ulrich Rösner / WWF

Fast das gesamte Wattenmeer ist von der Krabbenfischerei auf die Nordseegarnele betroffen, wie eine WWF-Studie zeigt. Die über den Grund geschleppten Netze schädigen die festsitzenden Tiere am Meeresboden, die einst verbreiteten „Sandkorallen“ kommen im Wattenmeer heute fast nicht mehr vor. Arten wie Katzenhaie oder Nagelrochen sind aus dem Wattenmeer praktisch verschwunden. Auch der Anteil des Beifangs bei dieser Fischerei ist sehr hoch, kleine Fische und wirbellose Tiere bleiben in sehr großer Zahl in den Netzen mit den kleinen Maschen hängen. Nur ein Teil überlebt diese Prozedur.

Zu einer nationalparkverträglich betriebenen Fischerei gehören auch fischereifreie Zonen. Der erforderliche Schutz der Wattenmeer-Nationalparke und der anderen Meeresschutzgebiete lässt sich nur erreichen, wenn ein überwiegender Teil dieser Gebiete nicht mehr befischt wird und die Natur sich dort wieder frei entwickeln kann.

Die fehlenden Riffe der Sandkorallen müssen sich auf diese Weise im Wattenmeer ebenso wieder ansiedeln können wie Unterwasserwiesen des Seegrases oder verschwundene Fischarten. Notwendig ist auch, die Menge des unerwünschten Beifangs erheblich und nachweisbar zu verringern.

Erhebliche Verbesserungen sind also notwendig, damit die Krabbenfischerei im Einklang mit dem Schutz des Wattenmeeres arbeitet und damit auch unter Wasser wieder ein vielfältiges und natürliches Ökosystem entsteht. Dies ist auch aus rechtlichen Gründen, zum Beispiel zur Einhaltung des Bundesnaturschutzgesetzes, erforderlich. Für solche Verbesserungen setzt sich der WWF ein. Er befürwortet zugleich eine regionale und nachhaltige Fischerei an der Nordseeküste, wenn sie naturverträglich betrieben wird.

Dies zeigt auch ein 2023 veröffentlichter Aktionsplan der EU-Kommission, der sich gegen die Grundschleppnetzfischerei in Meeresschutzgebieten ausspricht. Krabbenfischerei, Politik und Naturschutz müssen zu dessen Umsetzung miteinander nach Lösungen suchen. Eine zukunftsfähige Krabbenfischerei muss naturverträglich und klimaneutral sein, und das auf sozialverträgliche Weise. Der WWF ist überzeugt, dass dies gemeinsam zu schaffen ist!

Auch Teile der Muschelfischerei noch nicht nationalparkgerecht

Abgefischte Miesmuschelbank © Hans-Ulrich Rösner / WWF
Abgefischte Miesmuschelbank © Hans-Ulrich Rösner / WWF

Problematisch ist auch die Muschelfischerei im Nationalpark. So trägt die Fischerei auf Miesmuscheln dazu bei, dass zu wenige natürliche Muschelbänke auf dem Wattboden sowie unter Wasser existieren. Zusätzlich wurden viele künstliche Kulturflächen mit so genannten „Saatmuscheln“ geschaffen. Über Jahre wurden Saatmuscheln sogar aus anderen Ländern importiert – mit dem ständigen Risiko, gebietsfremde invasive Arten in den Nationalpark einzuschleppen. Zusammen mit der Schutzstation Wattenmeer hat der WWF dagegen geklagt – Ende 2011 wurde diese Praxis vom Oberverwaltungsgericht Schleswig untersagt. Das Urteil wurde vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt.

Im Juli 2015 konnten sich in Schleswig-Holstein Landesregierung, Muschelfischer und Naturschutzverbände – darunter der WWF – auf Eckpunkte für eine künftige nationalparkverträgliche Muschelfischerei einigen. Diese Vereinbarung wird seitdem umgesetzt. Sie ist ein großer Erfolg für den Nationalpark und zugleich eine wirtschaftliche Absicherung für die Muschelfischer. Im niedersächsischen Wattenmeer gibt es noch keine Verständigung für vergleichbare Verbesserungen des Nationalparkschutzes. Deshalb ist aus Sicht des WWF die dort erfolgte MSC-Zertifizierung der Fischerei nicht gerechtfertigt.

Bei der Fischerei auf Herzmuscheln wird sogar die Oberfläche des Wattbodens zerstört. In Deutschland wurde sie deshalb schon vor langer Zeit verboten, und in den Niederlanden ist sie inzwischen überwiegend verboten. Die betroffenen Wattflächen können sich dort nun wieder erholen.

Die Europäische Auster wurde im Wattenmeer schon vor fast 100 Jahren durch Überfischung ausgerottet. Stattdessen wurde die Pazifische Auster zu Zuchtzwecken eingeführt. Die Art blieb jedoch nicht in den Zuchtanlagen und wächst nun an zahlreichen Stellen im Watt. Heimische Art ausgerottet, gebietsfremde invasive Art massenhaft vorhanden – das ist das Ergebnis eines falschen Managements der Aquakultur.

Verbesserungsbedarf auch bei weiteren Fischereien

Derzeit wird noch ein zu hoher Anteil der wandernden Fische an den Zuflüssen ins Wattenmeer durch Reusen gefangen. Und die Stellnetzfischerei in der Nordsee vor dem Wattenmeer muss so umgestellt werden, dass keine Schweinswale in diesen Netzen ums Leben kommen.

Der WWF setzt sich weltweit dafür ein, dass Fischerei nur auf nachhaltige Weise ausgeübt wird. Im geschützten Wattenmeer muss die Fischerei die Ziele dieses sogar als Weltnaturerbe anerkannten Schutzgebietes berücksichtigen und darf seine biologische Vielfalt nicht beeinträchtigen. Dafür ist noch viel zu tun – von der Fischerei selbst, aber auch vom Gesetzgeber und den überwachenden Behörden.

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