Das Weltnaturerbe Wattenmeer ist durch den Klimawandel und den damit verbundenen Meeresspiegelanstieg massiv bedroht: Wattflächen, Salzwiesen, Strände und Dünen könnten mitsamt ihrer einmaligen Natur durch Abbruch verloren gehen. Sturmfluten könnten an unseren Küsten höher auflaufen und Menschen gefährden.

Die Folgen des Klimawandels sind eine enorme Bedrohung für Mensch und Natur an der Nordseeküste. Klimaschutz ist daher auch für den Schutz des Wattenmeeres von zentraler Bedeutung. Doch selbst effektiver globaler Klimaschutz kann die langfristige Beschleunigung des Meeresspiegelanstiegs aufgrund der Erderhitzung nur abmildern. Daher werden in jedem Fall über eine sehr lange Zeit auch Anstrengungen zur Anpassung an den Klimawandel erforderlich.

Klimaschutz in der Region

Windkraft © Global Warming Images / WWF
Windkraft © Global Warming Images / WWF

In der Wattenmeer-Region, also land- und seeseitig an das Wattenmeer angrenzend, werden schon heute große Mengen erneuerbarer Energie erzeugt. Dies ist vor allem Windenergie on- und offshore, an Land aber auch viel Solarenergie. Die Küste leistet schon heute viel für die Energiewende und der Beitrag wird noch größer werden!

Die drei Wattenmeerstaaten Dänemark, Deutschland und die Niederlande haben 2010, auch auf Vorschlag des WWF, beschlossen, dass die Wattenmeer-Region bis 2030 klimaneutral sein soll. Dazu muss noch deutlich mehr erneuerbare Energie in der Region erzeugt, die fossile Energieproduktion beendet und auch Energie eingespart werden.

Die erneuerbare Energie muss so natur- und landschaftsverträglich wie möglich erzeugt werden. Das ist bei Windrädern und Photovoltaikflächen an der Küste in den meisten Fällen gelungen. Doch leider gibt es auch einige fehlplatzierte Anlagen, die Natur und Landschaft mehr schädigen als dies bei einer besseren Wahl des Aufstellungsortes nötig gewesen wäre.

Eine große Belastung für das Wattenmeer sind die zahlreichen Kabelverbindungen, mit denen die Offshore Windparks an das Netz angeschlossen werden und die das Wattenmeer durchqueren. Hier gilt es, durch Verringerung der Zahl der Kabel, durch ihre Bündelung sowie durch die Wahl der Verlegetechnik die Umweltauswirkungen so gering wie möglich zu halten.

Klimaanpassung: „Wachsen mit dem Meer“

Schutz der Menschen vor Sturmfluten

Der Meeresspiegel steigt zukünftig schneller als in der Vergangenheit. Dies birgt Gefahren für die Menschen und die Natur in der Wattenmeer-Region. In Zukunft ist für die Menschen in den besiedelten Gebieten ein noch stärkerer Schutz vor Sturmfluten nötig. Wenn der Küstenschutz jedoch vorwiegend mit „harten“ Maßnahmen wie Ufersicherungen und Deckwerken aus Stein und Beton sowie Sperrwerken umgesetzt würde, gefährdet dies die Naturwerte zusätzlich. Unter den möglichen Maßnahmen des Küstenschutzes müssen stets jene ausgewählt werden, die die Menschen schützen und die Natur möglichst wenig beeinträchtigen. Und sie sollten dem Wattenmeer dabei helfen, mit dem Meeresspiegelanstieg mitzuwachsen, z.B. indem der natürliche Transport von Sedimenten im Wattenmeer unterstützt und deren Ablagerung nicht behindert wird.

Verlust von Wattflächen, Salzwiesen und Dünen

Die Südspitze von Sylt bei Hörnum ist bereits zu großen Teilen im Meer versunken © Martin Stock
Die Südspitze von Sylt bei Hörnum ist bereits zu großen Teilen im Meer versunken © Martin Stock

Der beschleunigte Meeresspiegelanstieg gefährdet konkret Wattflächen, Salzwiesen, Dünen, Strände und Teile von Inseln durch Erosion. Dadurch würden sich die Nahrungsflächen für jährlich rund 10 Millionen Wat- und Wasservögel, wie Alpenstrandläufer, Knutt und andere verringern. Denn Wattgebiete gehen verloren, wenn das Meer zu schnell steigt. Sie sind für diese Vögel überlebenswichtig auf ihrem Zugweg. Auch für rund eine Million brütende Küstenvögel, zum Beispiel Austernfischer, ist das Watt Nahrungsfläche. Sie werden zusätzlich dadurch bedroht, wenn ihre Bodennester immer häufiger in der Brutzeit überflutet werden.

Wie können wir die Natur im Wattenmeer retten?

Bei Sturmflut rasten Knutts am Strand von St. Peter-Ording © Martin Stock
Bei Sturmflut rasten Knutts am Strand von St. Peter-Ording © Martin Stock

Wie der Schutz der Menschen und der Natur gemeinsam angepackt werden kann, hat der WWF in einer bereits 2015 vorgelegten Studie zur Klimaanpassung an weichen Küsten gezeigt. Die Untersuchung stellt 13 Fallbeispiele von Projekten aus den Niederlanden, England, den USA und anderen Ländern vor, aus denen sich Möglichkeiten zur Klimaanpassung für das Wattenmeer ableiten lassen.

Forderungen des WWF aus seiner „Stellungnahme zur Anpassung an den Meeresspiegelanstieg“ im Wattenmeer:

1. Küsten- und Naturschutz gut miteinander verbinden

2. Weichen Küstenschutz durch Sedimentaufspülungen vorziehen gegenüber „harten Maßnahmen“ aus Steinen und Beton.

3. Natürliche und widerstandsfähige Küstenniederungen und Salzwiesen erhalten und wiederherstellen.

4. Pilotprojekte umsetzen und politische, wissenschaftliche und praktische Aktivitäten für eine naturverträgliche Klimaanpassung des Wattenmeeres ausweiten.

Ein wichtiger Hebel zur Umsetzung ist die schleswig-holsteinische „Strategie für das Wattenmeer 2100, die Maßnahmen für eine naturverträgliche Klimaanpassung des Wattenmeeres bis 2100 aufzeigt. Bei ihrer Erarbeitung hat der WWF intensiv mitgewirkt.

Als Pilotprojekt setzt der WWF gemeinsam mit Partnern z. B. von 2020 bis 2026 das Vorhaben „Sandküste St. Peter-Ording“ um, gefördert im Bundesprogramm Biologische Vielfalt. Das Projekt verstärkt die Anstrengungen zum Erhalt der Küstenlebensräume von St. Peter-Ording. Ziel ist es, den Zustand der Küstenlandschaft durch umfangreiche Naturschutzmaßnahmen zu verbessern und wichtige Voraussetzungen für eine Anpassung an den zukünftig beschleunigten Meeresspiegelanstieg zu schaffen.

Plädoyer für die Zusammenarbeit von Küstenschutz und Naturschutz

Luftbild vor Deichschluss Norderstrander Bucht © Hans-Ulrich Rösner / WWF
Luftbild vor Deichschluss Norderstrander Bucht © Hans-Ulrich Rösner / WWF

Seit Jahrhunderten schützen sich die Menschen an der Nordseeküste mit immer höheren Deichen vor Sturmfluten oder betrieben so Landgewinnung. Große Wattenmeergebiete wurden hierzu neu eingedeicht, an manchen Stellen wurden Dämme zwischen Festland und Inseln gebaut, und vielfach wurde der Übergang zwischen Land und Meer durch Beton- und Steinkonstruktionen festgelegt. Oft waren solche Küstenschutz-Maßnahmen mit erheblichen Naturzerstörungen verbunden.

In den 1970er und 1980er Jahren kämpften der WWF und andere gegen solche Eindeichungen – mit Erfolg! Sie sind heute in allen drei Wattenmeerstaaten nicht mehr zulässig. Vielmehr ist der einzigartige Naturraum Wattenmeer heute als Nationalpark geschützt und sogar als Weltnaturerbe anerkannt. Auch der Küstenschutz muss deshalb seine Maßnahmen heute so ausrichten, dass Beeinträchtigungen der Natur vermieden werden.

Mehr noch, vor dem Hintergrund des Klimawandels müssen Küstenschutz und Naturschutz zusammenarbeiten, um zwei große Ziele zu erreichen: den Schutz der Menschen an der Nordseeküste vor Sturmfluten, UND den Schutz des Weltnaturerbes und Nationalparks Wattenmeer vor Zerstörung aufgrund des Meeresspiegelanstiegs.

Mit höheren Deichen allein sind diese Ziele nicht zu erreichen. Maßstab für alle Maßnahmen sollte sein, dass sie beiden Zielen dienen. Unter den möglichen Maßnahmen des Küstenschutzes müssen stets jene ausgewählt werden, die die Natur möglichst wenig beeinträchtigen. Und sie sollten dem Wattenmeer dabei helfen, mit dem Meeresspiegelanstieg mitzuwachsen, z.B. indem der natürliche Transport von Sedimenten im und ins Wattenmeer unterstützt und deren Ablagerung nicht behindert wird. Vielleicht muss eines Tages auch zusätzlicher Sand aus der Nordsee aufgespült werden, um den Folgen des Meeresspiegelanstiegs zu begegnen.

Perfekte Lösungen gibt es noch nicht – wir brauchen aber schon heute Pilotprojekte, mit denen die Möglichkeiten für eine naturverträgliche Klimaanpassung des Wattenmeeres wissenschaftlich erforscht und praktisch ausprobiert werden. Mit seinen Projekten zum „Wachsen mit dem Meer“ beteiligt sich der WWF intensiv an dieser Diskussion und begleitet entsprechende Pilotprojekte und Maßnahmen.

So können Sie unsere Arbeit im Wattenmeer unterstützen

  • Sanderling-Rastplatz im Wattenmeer © Hans-Ulrich Rösner / WWF Wattenmeer – Nationalpark und Weltnaturerbe an der Nordseeküste

    Mit seinem zweimal täglich trockenfallenden Meeresboden – dem Watt – sowie Prielen, Flachwasser, Sandbänken, Dünen und Salzwiesen gehört es zu den größten natürlichen Lebensräumen, die wir im Westen Europas noch haben. Zurück zur Wattenmeer-Seite

  • Dünen, Wald, Salzwiesen und Strand von St. Peter-Ording © M. Stock Sandküste St. Peter-Ording

    Das Projekt schützt Küstennatur und schafft Voraussetzungen für eine Anpassung an den zukünftig beschleunigten Meeresspiegelanstieg. Weiterlesen...

  • Wattexpedition Carolinensiel-Harlesiel © Hans-Ulrich Rösner WWF-Erlebnistour: Wattexpedition Carolinensiel-Harlesiel

    Erleben Sie nur zwei Kilometer vor der Küste die einzigartige Natur des Nationalparks Wattenmeer. Auf dieser Tour begegnen Sie mit einem Nationalpark-Guide einer dynamischen wie artenreichen Wildnis. Weiterlesen...

  • Wattwanderung auf Baltrum © Hans-Ulrich Rösner WWF-Erlebnistour: Zugvogel-Exkursion nach Baltrum

    Die Tagestour mit dem WWF beginnt mit einer drei-stündigen Wattwanderung vom Festland zur Insel - eine gute Gelegenheit, zu sehen und zu erfahren, warum das Wattenmeer so bedeutsam für Zugvögel auf dem Ostatlantischen Zugweg ist. Weiterlesen...

  • Wattwanderung Minsener Oog © H.-U. Rösner / WWF WWF-Erlebnistour: Wattwanderung zur Insel Minsener Oog

    Auf unserer Tour erleben wir eine einzigartige, wilde und geschützte Naturlandschaft unmittelbar an der Grenze zur durch den Menschen intensiv geprägten und genutzten Küste. Weiterlesen...