Spezialisten machen sich vom Acker - Tierische Verlier und Gewinner der Intensivlandwirtschaft
Zum Auftakt der Internationalen Grünen Woche in Berlin erinnert der WWF an die Verantwortung der Landwirtschaft für den Erhalt der Artenvielfalt in Deutschland. „Das beängstigende Artensterben in der Agrarlandschaft hat vor allem drei Gründe: flächendeckender Pestizideinsatz, die Überdüngung und eine Monotonie in der Fruchtfolge“, betont Markus Wolter, Agrarreferent vom WWF Deutschland. Der Verlust der Vielfalt betrifft nicht nur Nutztiere und Nutzpflanzen sondern auch wild lebende Arten. Zwar gibt es auch Gewinner im Schatten der Intensivlandwirtschaft, doch das Gehen ist eindeutig stärker als das Kommen.
Eine kürzlich im Fachmagazin Nature vorgestellte Studie macht deutlich, dass auf deutschem Grünland vor allem Tiere und Pflanzen auf dem Rückzug sind, die auf spezielle lokale Bedingungen und Lebensgemeinschaften angewiesen sind. Extensiv bewirtschaftetes Grünland ist hingegen Lebensraum vieler gefährdeter Tiere und Pflanzen.
Zur Grünen Woche stellt der WWF exemplarisch einige Gewinner und Verlierer der Agrarwirtschaft vor:
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Haselmaus © iStock / Getty Images Verlierer: Haselmaus
Der Nager ist bereits in mehreren Bundesländern gefährdet und in Sachsen-Anhalt sogar vom Aussterben bedroht, berichtet die Deutsche Wildtierstiftung und kürte die Haselmaus zum Tier des Jahres. Haselmäuse haben viele Probleme: Ausgeräumte Agrarlandschaften ohne artenreiche Hecken und Gehölze, strukturarme Waldränder und der Mangel an unterschiedlichen Baumfrüchten sind maßgeblich für den Rückgang der Population mitverantwortlich.
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Wildschweine © Ralph Frank / WWF Gewinner: Wildschweine
Die Schwarzkittel entwickeln sich vielerorts zur Plage. Ein Grund dafür ist der weit verbreitete Mais- und Rapsanbau. In den „Maiswüsten“ fühlen sich die Tiere wohl und finden jede Menge Futter. Obwohl jedes Jahr mehr als eine halbe Million Schweine erlegt werden, wächst ihre Zahl kontinuierlich.
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Feldlerche © iStock / Getty Images Verlierer: Feldlerche
Selbst die Feldlerche gilt in Deutschland auf der Roten Liste als gefährdet. Ihr ergeht es wie vielen Feld- und Wiesenvögeln: Die Intensivierung der Landwirtschaft ist die Hauptursache für dramatische Verluste in der Vogelwelt. Der Bestand an Rebhühnern ist seit 1980 auf 800.000 Exemplare zurückgegangen (-90 Prozent). Einbußen haben auch Turteltaube (-73 Prozent) und Braunkehlchen (-71 Prozent). Selbst vermeintlich häufige Arten wie Star und Feldsperling gingen um die Hälfte zurück.
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Nandu © Ralph Frank / WWF Gewinner: Nandus
Der südamerikanische Laufvogel fühlt sich inzwischen in Norddeutschland wohl. Seine Zahl steigt seit Jahren kontinuierlich. Bei der letzten Zählung sind mehr als 200 Nandus in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein erfasst worden. Die Laufvögel sind Allesfresser, bevorzugen aber Pflanzen wie z.B. Raps.
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Wiesenschaumkraut © iStock / Getty Images Verlierer: Wiesenschaumkraut
Vor 50 Jahren standen Grünland-Pflanzen wie das Wiesenschaumkraut und die Kuckucks-Lichtnelke auf fast jeder feuchten Wiese. Heute sind aufgrund von Überdüngung nur noch Restbestände von weniger als fünf Prozent vorhanden. Vielerorts seien die Pflanzen ausgestorben, berichteten Wissenschaftler der Universität Göttingen. Auch im Ackerland betragen die Bestandsverluste vielfach zwischen 95 und 99 Prozent – ehemals weit verbreitete Arten wie der Acker-Rittersporn, die Knollen-Platterbse und das Sommer-Adonisröschen seien heute floristische Seltenheiten. Schuld darin sind flächendeckender Pestizideinsatz und eingeengte Fruchtfolgen.
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Regenwurm © iStock / Getty Images Verlierer: Regenwurm
Mehr als die Hälfte der 46 deutschen Regenwurmarten wird als „sehr selten“ oder sogar „extrem selten“ eingestuft. Mais-Monokulturen hungern die Würmer förmlich aus, Gülle-Ammoniak verätzt sie, zu viel Bodenbearbeitung zerschneidet sie und Glyphosat vermindert ihre Fortpflanzung. Vor allem durch eintönige Fruchtfolge und starkem Maschinen- und Chemieeinsatz sinkt ihre Zahl auf vielen intensive bewirtschafteten Äckern unter 30 Tiere pro Quadratmeter. Der Durchschnitt in kleinstrukturierten Äckern liegt hingegen bei rund 120 Exemplaren, auf wenig gepflügten Ökohöfen können sogar über 450 Würmer pro Quadratmeter gezählt werden.
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Nashornkäfer © J. Fieber, igreen media / WWF Gewinner: Nashornkäfer
Einer der dicksten Käfer Europas ist ein Spezialist und eigentlich ein eher untypischer Gewinner. Das Krabbeltier stammt ursprünglich aus dem Mittelmeerraum. Es profitiert vom Trend zur Kompostierung. Die Larven des Verwandten des Maikäfers haben eine spezielle Darmflora – sie können Holz verdauen und helfen so beim Kompostieren. Deshalb sind sie insbesondere bei Hobbygärtner gern gesehen.
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Feldhamster © Martina Umlauft / WWF Verlierer: Feldhamster
Ähnlich wie der Eisbär als Symboltier des Klimawandels gilt, ist der Hamster hierzulande das prominenteste Opfer der Landwirtschaft. Einst wurde der Nager als Schädling gnadenlos verfolgt. Inzwischen ist er eine Rarität und durch europäisches und nationales Recht streng geschützt. Die deutsche Rote Liste stuft den Feldhamster als „vom Aussterben bedroht“ ein. Die intensive Landwirtschaft mit Monokulturen und massivem Pestizideinsatz hat dafür gesorgt, dass bundesweit wohl nicht einmal mehr 100.000 Tieren überlebt haben.
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Reh © Ralph Frank / WWF Gewinner: Rehe
Die Zunahme der Rehe hat nicht nur aber auch mit der Landwirtschaft zu tun. Sie fressen nicht nur Gräser, Kräuter und die Triebe von jungen Bäumen – auch Raps, Gerste und andere angebaute Getreidesorten werden von Rehen gerne genommen. Ablesen lässt sich die Bestandsentwicklung der Tiere an der Jagdstatistik: Während in den 1980er Jahren jedes Jahr noch etwa 850.000 Rehe jährlich erlegt wurden, beträgt die Zahl der Abschüsse heute über 1,1 Millionen Rehe pro Jahr.
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Wildbienen © iStock / Getty Images Verlierer: Wildbienen
Das Bienensterben beschäftigt Wissenschaftler in aller Welt schon seit Jahren. Betroffen sind nicht nur Honigbienen, sondern auch ihre wilden Verwandten. Insgesamt gibt es in Deutschland fast 600 Wildbienenarten. Viele von ihnen sind stark bedroht. Denn den hochspezialisierten Insekten fehlt oft ein geeigneter Nistplatz und sie ernähren sich nur von ganz speziellen Blüten. Kommen diese Pflanze nicht mehr vor, verschwindet auch die Biene. Unter Verdacht, den Bienen zu schaden, sind zudem so genannte Neonikotinoid-Wirkstoffe mit denen Saatgut behandelt wurde.