Naturschützern und indonesischen Behörden ist es gelungen, eines der seltensten Tiere der Welt, ein Sumatra-Nashorn, auf der Insel Borneo zu fangen. Die Rettungsaktion hat das Ziel, die extrem bedrohten Tiere in Zuchtstationen wieder zu vermehren. Das Tier wurde mittlerweile wohlbehalten in eine sichere Einrichtung überstellt. Die Rettungsaktion ist die erste Aktivität eines großangelegten Arterhaltungs- und Zuchtprogramms, das darauf abzielt, die Art vor dem drohenden Aussterben zu bewahren und schließlich die Populationen der Sumatra-Nashörner auf ein Niveau zu heben, das es ihnen ermöglicht, in die Wildnis zurückzukehren.

Nur noch 80 Tiere

Der Plan ist ehrgeizig, riskant und kostspielig, aber er dürfte die letzte Chance sein, das Überleben der Art zur sichern. Nicht einmal 80 Tiere (Stand 2018), verteilt auf neun isolierte Populationen, streifen noch durch die indonesischen Regenwälder. Noch. Seit 20 Millionen Jahren leben die Tiere auf der Erde, doch durch Wilderei und die Zerstörung ihres Lebensraums hängt das Leben des engsten Verwandten des Urzeit-Wollnashorns am seidenen Faden. Immerhin: mit dem Fang des Tieres in Kutai Barat in der Provinz Ostkalimantan gibt es einen Hoffnungsschimmer. Mehr als fünf Monate hatte ein Team aus Rangern, Biologen und Tierärzten versucht, das vereinsamte Tier in die Falle zu locken. Immer wieder  näherte sich die Nashornkuh den ausgehobenen Gruben. Sie trat aber jedes Mal im letzten Moment den Rückzug an.

Erfolgreiche Mission

Sumatra-Regenwald © Fletcher & Baylis / WWF-Indonesia
Sumatra-Regenwald © Fletcher & Baylis / WWF-Indonesia

Am Wochenende war es endlich soweit: Das Nashorn-Weibchen tappte in eine der mit Laub und Zweigen gepolsterten Fallgruben. Die Nashornkuh wurde betäubt, in eine Transportbox verlegt und per Lkw in ihre neue Heimat, in den Hutan Lindung Kelian Lestari ("Geschützter Wald Kelian Lestari") im Bezirk Kutai Barat in der Provinz Ostkalimantan verfrachtet. Ein überaus aufwendiges Unterfangen, zumal dem Fahrzeug erst einmal der Weg geebnet werden musste, um das Tier mitten im Regenwald abzuholen.

Doch die Anstrengungen haben sich gelohnt. Inzwischen ist das Tier wohlbehalten in der Station angekommen. Den WWF-Kollegen fiel ein Stein vom Herzen, denn die Mission ist ein überaus riskantes Unterfangen. Fang, Betäubung und Transport sind für die Tiere sehr stressig. Hierfür benötigt man Veterinäre mit langjähriger Erfahrung und Spezialwissen zum Umgang mit Rhinos. In der Vergangenheit kam es bei solchen Versuchen leider auch schon zu einem Todesfall. In diesem Fall ist alles gut gegangen. Das Tier hat gute Vitalzeichen, frisst und trinkt und hat bereits erste "Annäherungsversuche" mit einem der Tierpfleger unternommen. Das gesamte Team ist im Moment sehr erleichtert, aber dennoch ist die Situation noch immer kritisch und das Tier wird von einem erfahrenen Team aus Nashornexperten und vier Veterinärmedizinern aus Indonesien, USA, Malaysia und Schweden beobachtet und mit Medikamenten behandelt. Es sollen keine Fehler passieren, denn jedes Tier ist absolut wichtig für den Erhalt der Art.

Aussterben vorprogrammiert

Ein Sumatra-Nashorn in Indonesien © Gert Polet / WWF-Indonesia
Ein Sumatra-Nashorn in Indonesien © Gert Polet / WWF-Indonesia

Trotzdem kann Nichtstun keine Alternative sein. Denn die Uhr tickt für die kleinste Nashornart der Welt. Ohne menschliche Hilfe ist der Artentod in wenigen Jahren vorprogrammiert. Die erfolgreiche Fangaktion ist ein erster Erfolg, an dem viele Partner mitgearbeitet haben, lokale wie internationale Partner und natürlich die indonesische Regierung. Sie alle haben sich zu der Sumatra-Nashorn Allianz im Rahmen des Sumatra-Nashorn-Rettungsprogramms zusammengeschlossen. Partner der Allianz sind neben der indonesischen Regierung der WWF, IUCN, National Geographic, International Rhino Foundation und Global Wildlife Conservation. Die Allianz verfolgt das Ziel, die letzten wild lebenden, sich selbst erhaltenden Populationen zu schützen und zugleich die Fortpflanzung in Gefangenschaft in mehreren Zuchtstationen zu intensivieren. Denn mit Patrouillen und dem verbesserten Management einiger Nationalparks lässt sich das Problem nicht mehr alleine lösen.

Die Allianz will deshalb zwei neue Zuchtstationen auf Borneo und im Norden Sumatras aufbauen sowie die bestehende Einrichtung im Way-Kambas-Nationalpark im Süden Sumatras vergrößern. Die Nashornkuh wird dort nicht die einzige Bewohnerin sein. Ziel ist es, möglichst viele, isoliert lebende und fortpflanzungsfähige Tiere aufzuspüren und sie in diese Schutzzentren umzusiedeln. Die Fortpflanzung der Nashörner ist kompliziert. Ihre Fortpflanzungsrate ist sehr niedrig und viele der noch lebenden Tiere sind aufgrund ihrer langjährigen Isolation unfruchtbar. Deshalb ist es notwendig, bei den Zuchtprogrammen die modernsten veterinärmedizinischen Erkenntnisse zu berücksichtigen und Reproduktionsexperten aus aller Welt einzubeziehen. Angesichts der prekären Lage gilt es, das Schrumpfen der Bestandszahlen zu stoppen und den Trend möglichst schnell umzukehren, damit man in Zukunft gesunde Populationen wieder in die Wildnis entlassen kann und die Sumatra-Nashörner wieder durch die Regenwälder Indonesiens streifen.

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