Überall auf der Erde greift der Mensch in die Natur ein. Diese Eingriffe haben ein so gefährliches Ausmaß angenommen, dass die Biodiversität stärker bedroht ist als je zuvor. Um dieser Entwicklung nicht nur Einhalt zu gebieten, sondern sie umzukehren, hat die UN-Generalversammlung die Jahre 2021 bis 2030 als Dekade zur Wiederherstellung von Ökosystemen ausgerufen. Denn funktionierende Ökosysteme sind auch für den Menschen überlebensnotwendig. Wir brauchen sie, um die globalen UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung wie Erhalt der Biodiversität, Klimaschutz, nachhaltige Wasserversorgung, Schutz der Böden und Ernährungssicherheit zu erreichen.

Weltweit bedrohte Ökosysteme

Man kennt es: Jedes Jahr im Frühling stapeln sich in den Baumärkten und Gartenbaucentern palettenweise prallgefüllte Säcke mit Blumenerde. Kein Wunder – nach einem langen, grauen Winter wollen wir unsere Gärten und Balkone bepflanzen und draußen die wiedererwachende Natur genießen. Konventionelle Blumenerde enthält jedoch Torf. Und um Torf zu gewinnen, werden Moorflächen entwässert, abgebaut und unwiederbringlich zerstört. Allein in Deutschland sind von den einst 500.000 Hektar Hochmoorfläche nur noch 30.000 Hektar erhalten.

Nicht nur Moore sind weltweit in einem desolaten Zustand. Auch andere Ökosysteme wie Wälder, Flüsse, Feuchtgebiete, Auen, Savannen, Seegraswiesen, Mangrovenwälder, Korallenriffe und viele mehr sind bedroht. Weil der Mensch immer größere Teile der Erde immer intensiver für Landwirtschaft und Siedlungsbau nutzt, werden die Lebensräume von Tieren und Pflanzen immer kleiner oder sogar ganz vernichtet. Der Bau von Straßen oder Wasserkraftwerken zerschneidet Landschaften; die dadurch fragmentierten Ökosysteme müssen mit aufwendigen Maßnahmen wieder miteinander verbunden werden. Intensive Landnutzung zerstört Ökosysteme und führt zu Artenverlust – was wiederum das Risiko zukünftiger Pandemien erhöht. Laut eines Reports des Weltbiodiversitätsrates (IPBES) aus dem Jahr 2019 tragen bereits 75 Prozent der eisfreien Landoberfläche deutliche Spuren menschlichen Handelns und 85 Prozent der Feuchtgebiete weltweit sind schon verschwunden. Auch die Meere haben unter menschlichen Einflüssen wie Überfischung, Verschmutzung und zerstörerischer Küstennutzung stark zu leiden.

Stoppen wir die Abwärtsspirale!

Clownfisch in Anemone, Indonesien © James Morgan / WWF-US
Clownfisch © James Morgan / WWF-US

In der Folge nimmt die Biodiversität ab und der Zustand der Ökosysteme verschlechtert sich rapide. Besonders heimtückisch: Werden Ökosysteme wie Wälder, Auen oder Moore zerstört, setzt dies klimaschädliche Gase frei, die die globale Erhitzung befeuern. Die globale Erhitzung erhöht die Häufigkeit von Extremereignissen wie etwa Dürren, Stürmen, Überflutungen und Bränden, die sich wiederum negativ auf zahlreiche Ökosysteme auswirken. Eine besorgniserregende Abwärtsspirale, die gestoppt werden muss!

Aber was genau ist eigentlich ein Ökosystem? Ganz abstrakt ist es das Zusammenspiel von Beziehungen zwischen Lebewesen und ihrem Lebensraum. Ökosysteme können riesig sein wie ein Ozean oder klein wie ein Tümpel. Die Vielfalt der Ökosysteme stellt gemeinsam mit der Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten und der genetischen Vielfalt innerhalb der Arten die Biodiversität, also die biologische Vielfalt der Erde dar.

„Wir freuen uns sehr, offizieller Partner der UN-Dekade zu sein! Der WWF setzt sich dafür ein, dass neben Wäldern auch andere Ökosysteme wie Flüsse und Moore renaturiert werden – sie sind immens wichtig für Arten- und Klimaschutz. Momentan verursachen wir Menschen den größten Rückgang der Biodiversität seit dem Aussterben der Saurier vor 66 Millionen Jahren. Um diese fatale Entwicklung zu stoppen und umzukehren, braucht es einen globalen Bewusstseinswandel, auch und gerade in Politik, Wirtschaft und Finanzen.“

Christoph Heinrich, Vorstand Naturschutz beim WWF Deutschland

Der Reichtum der Natur ist in Gefahr

Intakte Ökosysteme bieten nicht nur Tieren und Pflanzen Lebensraum und Nahrung, auch für die Lebensqualität und die Gesundheit der Menschen sind sie elementar. Sie sind ein Garant für Bodenfruchtbarkeit und verringern den Schadstoffgehalt in der Luft. Auch der Wasserkreislauf und die Trinkwasserversorgung sind von stabilen Ökosystemen abhängig: Auen halten Schadstoffe zurück und Waldböden filtern Regenwasser, das uns über das Grundwasser als Trinkwasser zugutekommt. Moore dienen dem Hoch- und Grundwasserschutz und wie Wälder und Ozeane speichern sie Unmengen an Kohlenstoff.

Kurz, intakte Ökosysteme sorgen für den Erhalt der Biodiversität, schützen das Klima und tragen zur nachhaltigen Wasserversorgung und zur Ernährungssicherung bei. Und nicht zuletzt haben sie auch ökonomische Bedeutung: Das Weltwirtschaftsforum (WEF) schätzt den Wert der Ökosystemdienstleistungen weltweit auf 125 bis 140 Billionen US-Dollar im Jahr.

Zeit, umzudenken

Logo der UN Decade on Ecosystem Restoration

Sind Ökosysteme einmal vernichtet, genügt es nicht, die verbliebene Natur besonders gut zu schützen, um den Biodiversitätsverlust und den Klimawandel zu stoppen. Die verlorenen Ökosysteme müssen aktiv wiederhergestellt werden. Renaturierung nennt sich dieser Prozess. Und genau diese Mammutaufgabe hat sich die UN-Generalversammlung auf die Fahnen geschrieben und die Jahre 2021 bis 2030 als Dekade zur Wiederherstellung der Ökosysteme ausgerufen. Mehr als 70 Staaten und eine Vielzahl bedeutender internationaler Organisationen unterstützen bereits das Vorhaben – auch der WWF ist als globaler Partner mit an Bord. Das Ziel: Eine starke, gesellschaftlich breit verankerte weltweite Bewegung, die die Wiederherstellung der Ökosysteme sowohl auf politischer Ebene wie auch in vielen großen und kleinen Projekten und Initiativen vor Ort voranbringt. Gebündelt werden die Aktionen auf einer eigenen Plattform, auf der Beteiligte und Interessierte sich austauschen, Wissen vermitteln, Projekte ins Leben rufen, Mitstreitende suchen und Projektfinanzierungen finden können.

Die UN-Dekade 2021–2030 im Überblick

Es war eine begrüßenswerte Entscheidung, als die UN-Generalversammlung am 1. März 2019 die UN-Dekade der Wiederherstellung von Ökosystemen ausrief. Sie beginnt nun zum Weltumwelttag am 5. Juni 2021. Über 70 Staaten und viele namhafte internationale Organisationen unterstützen den Aufruf zum Bewusstseinswandel, darunter das UN-Umweltprogramm (UNEP), die Welternährungsorganisation (FAO) und die Weltnaturschutzorganisation (IUCN). Dabei geht es nicht allein um die Ökosysteme. Deren Wiederherstellung soll auch helfen, die drei UN-Konventionen zur Wüstenbekämpfung, zum Erhalt der Biodiversität und zum Klimawandel einzuhalten. Funktionierende Ökosysteme sind außerdem unerlässlich, um die von den Vereinten Nationen beschlossenen 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, unter anderem Ernährungssicherheit und sauberes Wasser. Die bis 2030 laufende Dekade kann auf wertvolle Vorarbeiten wie etwa der Bonn Challenge aufbauen. In diesem Projekt haben sich 61 Staaten dazu verpflichtet, insgesamt 150 Millionen Hektar Wald wiederaufzuforsten. Wichtig zu wissen: Die UN-Dekade will nicht nur terrestrische und aquatische Ökosysteme renaturieren, sondern auch die ökologischen Funktionen von Gebieten verbessern, die Menschen regelmäßig nutzen, zum Beispiel auf landwirtschaftlichen Flächen und sogar in Städten.

Nutzen wir die Chance!

Mit seiner jahrzehntelangen Expertise in der Renaturierung von Ökosystemen weltweit stellt der WWF im Rahmen dieser Partnerschaft nicht nur sein Wissen und sein Know-how zur Verfügung, sondern unterstützt auch finanziell Projekte, die zum Schutz und zur Wiederherstellung bedrohter Ökosysteme beitragen.

Sie möchten Teil der #GenerationRestoration werden? Auch jede:r Einzelne ist aufgerufen, mitzumachen! Los geht es am 5. Juni 2021, dem Weltumwelttag.

Ein Auswahl: Vier erfolgreiche Renaturierungsprojekte

FLR349 Fund © Jittrapon Kaicome / WWF-Thailand
Waldlandschaften in Thailand
Der WWF Thailand stellt degradierte Waldlandschaften wieder her.
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Tansania Urban Greenery © ICLEI Africa
Wiederherstellung städtischen Grüns Tansanias
Im Kiviwama-Arboretum kümmern sich Schulkinder um Bäume
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Usambara Region © Juha Pekka Kervinen
Wiederherstellung von Wäldern in Tansania
Der WWF betreibt in den Usambara-Bergen ein Projekt zur Aufforstung
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Grosser Panda in China © John Mackinnon / WWF
Wiederherstellung der Zahl der großen Pandas
Damit die Panda-Population weiterhin wachsen kann, werden die Schutzbemühungen fortgeführt
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