Die Lage in der Sierra de La Macarena in Kolumbien ist trotz des 2016 unterzeichneten Friedensvertrags angespannt. Die Konflikte zwischen FARC und der kolumbianischen Regierung halten an. Trotz der unübersichtlichen Lage setzen einige Kleinbäuerinnen und -bauern alles daran, die wertvolle Ökoregion zu erhalten. Mit dem Anbau heimischer Pflanzen wollen sie das Ökosystem dort wiederherstellen. Wo früher Koka-Labore waren, wachsen heute wieder einheimische Arten.

Brücke im Naturpark Sierra de la Macarena © Laura Valencia / WWF Colombia
Brücke im Naturpark Sierra de la Macarena © Laura Valencia / WWF Colombia

Im Nationalpark Sierra de La Macarena treffen die Anden, der Orinoquia und der Amazonas aufeinander. In dieser außergewöhnlichen Mischung an Ökosystemen finden sich tropische Regenwälder, Feuchtgebiete und Buschlandschaften. Hier fließt auch der Caño Cristales – ein Fluss, der oft als schönster Fluss der Welt bezeichnet wird. In der Sierra de La Macarena wachsen wertvolle Baumarten, hier streifen so ikonische Arten wie Jaguar und Tapir durch die Wälder und Ebenen.  

So schön und wertvoll diese Region auch ist, mehr als 50 Jahre lang war sie Schauplatz blutiger Auseinandersetzungen zwischen der ehemaligen FARC-EP-Guerilla und der kolumbianischen Regierung. Viel Land befand sich in den Händen einiger Weniger, es wurde intensive Viehzucht betrieben, Wälder wurden abgeholzt und Koka angebaut. Die Hoffnung war groß, dass sich das Land mit der Unterzeichnung des Friedensabkommens im Jahr 2016 beruhigt. Doch leider haben sich die Konflikte wieder verschärft.  

Die Sierra de La Macarena als wichtige Ökoregion zu erhalten und langfristig Frieden in den Gemeinden zu schaffen, bleibt ein schwieriges Unterfangen. Bis März 2020 wurden 47.853 Hektar Wald in Weide- und Anbauflächen umgewandelt – das entspricht etwa der Hälfte der Landfläche von Brasilien oder China. Und zwischen März und November 2020 wurden weitere 2.400 Hektar zerstört.

Vom Koka-Labor zur Gemeinschaftsgärtnerei

Inmitten der Sierra de La Macarena liegt das Dorf Bocas del Sansa. Viele Jahre lang wurde hier ein Koka-Labor betrieben. Heute befindet sich dort eine Baumschule, die von den Landwirt:innen des Dorfes gemeinschaftlich betrieben wird. Mit Unterstützung der Nationalparkverwaltung und des WWF lernen die Landwirt:innen im Rahmen des IKI-Projekts „Protected Areas and Peace“, einheimische Bäume und andere Pflanzen zu ziehen.

Um abgeholzte Flächen aufzuforsten und Schutzgebiete wiederherzustellen, halfen Nationalparkverwaltung und WWF bei der Ausbildung der Landwirt:innen und beim Bau der der nötigen Infrastruktur für die Baumschule. Inzwischen ist die Gemeinde federführend bei der Zucht der Pflanzen und der Wiederaufforstung des Schutzgebiets.

WWF Deutschland

Ein Bauer kehrt zurück

Gemeinschaftsgärtnerei in Bocas del Sanso © Laura Valencia / WWF Colombia
Gemeinschaftsgärtnerei in Bocas del Sanso © Laura Valencia / WWF Colombia

Wilmer ist einer der Landwirte, der für die Gemeinschaftsgärtnerei Bäume zieht. Er lebt mit seiner Familie in der Gemeinde San Juan de Arama. Er ist zurückgekehrt in seine Heimat, der er aufgrund des bewaffneten Konflikts den Rücken gekehrt hatte. Auswandern, fliehen – das war für ihn und seine Familie damals der einzige Ausweg, um eine bessere Zukunft zu finden.  

Nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens 2016 keimte in Wilmer die Hoffnung, dass „wir als Kolumbianer plötzlich lernen können, in Frieden zu leben, ohne uns das Leben nehmen zu müssen.“ Er kam zurück und beschloss, die Arbeit seines Vaters auf der Farm wieder aufzunehmen und Kaffee und Kakao anzubauen

Eine Farm im Schutzgebiet

Doch die Farm lag mitten im Schutzgebiet, Regierungsbeamt:innen erklärten ihm und anderen Landwirt:innen der Gemeinde, dass sie ihre Arbeit aufgeben müssten, da sie nicht dem Schutz des Gebiets diene. Bis dahin lebten die Menschen dort jahrzehntelang von der extensiven Viehwirtschaft, von Holzeinschlag und auch vom Anbau illegaler Pflanzen wie Koka.  

Für Wilmer und die anderen Menschen in der Gemeinde war es schwierig, die Nachricht zu verdauen. „Wir dachten, sie würden uns von den Höfen vertreiben“, sagt er. Aber die Landwirt:innen wollten nicht aufgeben und setzten sich mit der Nationalparkverwaltung zusammen. Sie wurden ausgebildet und über den Wert des Waldes informiert. Sie wurden darin geschult, Alternativen für die Bewirtschaftung ihres Landes zu finden. So lernten sie, einheimische Pflanzen zu kultivieren und begannen damit, das Schutzgebiets, in dem sie leben, zu erhalten. 

Naturschutz als Lebensunterhalt

Bauern kultivieren Pflanzen © Laura Valencia / WWF Colombia
Bauern kultivieren Pflanzen © Laura Valencia / WWF Colombia

Für Wilmer und die anderen Gemeindemitglieder wurde der Schutz der Wälder schnell von einer Aufgabe zur Notwendigkeit. „Wir haben verstanden, dass dieser Prozess nicht nur für uns, sondern für die gesamte Menschheit wichtig ist“, erklärt Wilmer.

„Denn wenn wir die Natur um uns erhalten, erhalten wir auch das Wasser, die Luft, die Nahrung und die Artenvielfalt.“  

Neben dem Schutz der Wälder lernen die Menschen vor Ort auch alternative Einkommensquellen kennen, wie zum Beispiel die Bienenzucht. Sie hat positive Effekte auf mehreren Ebenen: Zum einen schafft sie Einkommen, zum anderen werden heimische Bäume gepflanzt, die den Bienen Nahrung bieten. Die Bienen wiederum leisten ihren Beitrag im Ökosystem, in dem sie die Pflanzen bestäuben. 

Nachhaltigen Tourismus fördern

Wilmer und andere Bewohner:innen der Gemeinde San Juan de Arama haben sich für den Tourismus als alternative Einkommensquelle stark gemacht. Sie haben eine Gesellschaft gegründet, die Ökotourismus in der Region fördert. So nutzen die Menschen vor Ort den atemberaubenden natürlichen Reichtum ihrer Heimat auf nachhaltige Weise für ihren Lebensunterhalt. Es ist geplant, Pfade durch den Wald zu schaffen, auf denen die Besucher:innen direkt einen Einblick in den Wiederaufforstungsprozess erhalten und sogar selbst einen Baum pflanzen können.  

„Projekte wie dieses dienen letztlich nicht nur uns, sondern der gesamten Menschheit. Wir müssen verstehen, dass Zeiten kommen, die Veränderungen mit sich bringen, die wir nutzen müssen“, so Wilmer. „Unsere Heimat muss wieder ein Ort werden, an dem man Menschen nicht das Leben nimmt, weil sie anders denken, sondern an dem wir uns trotz unserer Unterschiede gegenseitig wertschätzen.“ 

 

Das Projekt wird von der Internationalen Klimainitiative (IKI) des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bauwesen und nukleare Sicherheit (BMUB) gefördert und in Zusammenarbeit mit den Nationalparks in Kolumbien umgesetzt.

Mit Ihrer Hilfe schützen wir den Regenwald und helfen den Menschen vor Ort:

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