Der WWF hat im Naturschutzgroßprojekt Mittlere Elbe einen durchgehenden Verbund echter, überflutbarer Auenwälder gesichert. Die Rückverlegung des Elbedeiches im Lödderitzer Forst war dabei die wesentliche Maßnahme in Deutschlands größten WWF Projekt. Auf 600 Hektar Fläche darf sich die Elbe bei Hochwasser wieder natürlich ausbreiten, wertvoller Auenwald von der Mulde- bis zur Saalemündung wird wieder an die natürliche Überflutungsdynamik angeschlossen. Im Jahr 2019 wurde das Naturschutzgroßprojekt nach 17 Jahren WWF Engagement offiziell abgeschlossen.

Mehr Raum für den Fluss

Lödderitzer Forst an der mittleren Elbe © Ralph Frank / WWF
Lödderitzer Forst an der mittleren Elbe © Ralph Frank / WWF

Auch an der Elbe sind etwa 80 Prozent der ursprünglichen Auen zerstört, verbaut oder komplett vom Fluss getrennt. So verloren sie viele ihrer ökologischen Funktionen. Zudem wurde der in seine Deiche gezwängte Fluss bei Hochwasser unberechenbar. „An der Mittelelbe haben wir gezeigt, wie es möglich wird, Flüssen wieder mehr Raum zu geben“, sagt Astrid Eichhorn.

Dazu wurde im Bereich des Lödderitzer Forstes auf 7,3 Kilometer Länge sechs Jahre lang ein neuer Deich gebaut – bis zu 2,5 Kilometer weiter weg vom Fluss als der alte. Nach dessen Fertigstellung wurde der alte Deich 2017 an insgesamt zehn geeigneten Stellen „geschlitzt“ und damit durchlässig gemacht.

Menschen überzeugen

Für eine Deichrückverlegung mussten auch die Anwohner überzeugt werden. WWF-Projektleiterin Astrid Eichhorn erinnert sich: „Mit dem Jahrhunderthochwasser 2002 wurde vielen schlagartig klar, dass immer höhere Deiche keine Lösung auf Dauer sind, denn sie führen zu immer schnellerem und höherem Hochwasser.“

Was alternativer, natürlicher Hochwasserschutz bedeutet, erklärten Eichhorn und ihre Kollegen daraufhin auf zahlreichen Bürgerversammlungen, Informationsveranstaltungen und Tagen der offenen Baustelle.

Bei vielen Menschen wuchs das Verständnis für Deichrückverlegungen, bei manchen aber auch die Angst. Denn mit dem neuen Deich rückt auch das Wasser näher an Häuser. Eichhorn erzählt: „Wir wurden gefragt: Wie sicher lebe ich unmittelbar hinter dem Deich? Was passiert mit dem Grundwasser? Oder sind jetzt meine Keller immer nass?“

Im Zuge der Projektumsetzung konnte viel Skepsis beseitigt werden. „Der neue Deich entspricht heute den neuesten technischen Anforderungen – mit zum Beispiel besseren Zugangswegen und einem verbesserten Entwässerungssystem auf der Landseite im Hochwasserfall. Außerdem bringt ein zusätzliches Schöpfwerk bei angespannter Hoch- und Grundwassersituation Entlastung. Das hat viele überzeugt“, sagt Eichhorn.

Die Natur kehrt zurück

Biber © Thomas Stephan / WWF
Biber © Thomas Stephan / WWF

Durch die größte Deichrückverlegung in Deutschland kann sich jetzt die Elbe bei Hochwasser im Lödderitzer Forst dreimal soweit ausbreiten wie bisher. Rund 600 Hektar Eichen-Ulmen-Hartholzauenwald und mehrere Auengewässer sind nun wieder an die Elbe angeschlossen und können ganz natürlich überschwemmt werden. Durch die Ausweisung als Kernzone wird das gesamte Gebiet vor störenden Einflüssen geschützt. So kann sich das auentypische Refugium für viele seltene Tier- und Pflanzenarten weiter entwickeln. Der Elbebiber fühlt sich hier genauso wohl wie der Fischotter. See- und Fischadler, auch Kranich, Schwarzstorch oder der Mittelspecht finden dort gleichermaßen ein Zuhause wie Kammmolch, Moorfrosch oder Rotbauchunke, die gerne in stillen Altgewässern abtauchen.

Natürliche Hochwasserbremse

Von der Rückverlegung des Elbedeiches profitiert nicht nur die Natur, sondern auch der Mensch. Denn wenn sich die Elbe wieder freier ausbreiten kann, sinkt auch der Hochwasserspiegel – bei der Stadt Aken flussaufwärts um voraussichtlich bis zu 28 Zentimeter. Deshalb ist das Elbe-Projekt auch ein Modell für naturnahen Hochwasserschutz in Deutschland.

Wertvolle Biotope gesichert

Auenlandschaft an der mittleren Elbe © Bernd Eichhorn / WWF
Auenlandschaft an der mittleren Elbe © Bernd Eichhorn / WWF

Im gesamten Projektgebiet hat das WWF-Projektteam 125 Maßnahmen umgesetzt. Nach einem Pflege- und Entwicklungsplan wurden Wald, Auengrünland und Gewässer ökologisch aufgewertet. In vielen Einsätzen pflanzten die Naturschützer zum Beispiel standorttypische Hartholzauenbäume neu an oder stellten typische Magerrasen und Brenndolden-Auenwiesen wieder her. An vielen Stellen verbanden sie ehemalige Flutrinnen wieder mit dem Wasser der Elbe. Gemeinsam mit den ansässigen Landwirten wurde außerdem für 337 Hektar Auengrünland eine nachhaltige und naturschutzorientierte Bewirtschaftung langfristig gesichert. Blütenreiche Auenwiesen können nun zahlreiche seltene Schmetterlinge wie etwa den Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling anlocken.

Finanzierung

chance.natur BfN / Land Sachsen Anhalt / WWF
chance.natur BfN / Land Sachsen Anhalt / WWF

Das von der UN ausgezeichnete Großschutzprojekt wurde durch das Bundesprogramm „chance.natur - Bundesförderung Naturschutz“ gefördert. Die Finanzierung mit rund 35 Millionen Euro erfolgte zu drei Vierteln aus Mitteln des Bundesumweltministeriums, vertreten durch das Bundesamt für Naturschutz, zu 15 Prozent durch das Land Sachsen-Anhalt und zu zehn Prozent durch den WWF Deutschland. Die im Rahmen des Projektes durchgeführte Renaturierung des Lödderitzer Forstes ist ein Modellprojekt für den ökologischen Hochwasserschutz in Deutschland. Die Deichrückverlegung ist Teil der Hochwasserschutzkonzeption des Landes Sachsen-Anhalt und wurde maßgeblich vom Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft unterstützt.

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