Die Entwaldung unseres Planeten schreitet in alarmierendem Maße voran – trotz vielfältiger Maßnahmen zum Erhalt des Ökosystems Wald wie etwa Schutzverpflichtungen von Regierungen und Unternehmen. Wer sind die wichtigsten Treiber dieses Trends? Wo liegen die größten Entwaldungsfronten? Was wird dagegen getan, und welche Maßnahmen zeigen überhaupt Wirkung? Im Januar 2021 erscheint eine neue Studie des WWF, welche das Drama um den Waldverlust unserer Erde in seinem ganzen Ausmaß erfasst und zum ersten Mal auch die Reaktionen darauf und ihre Wirkung ausführlich analysiert.

Indigene in Rondonia © Marizilda Cruppe / WWF UK
Indigene in Rondonia © Marizilda Cruppe / WWF UK

Wir brauchen unsere Wälder. Sie sind in jeglicher Hinsicht lebenserhaltend – als Regenmacher bis hin zu ihrem wirtschaftlichen Nutzen. Wälder sind Lebensgrundlage für 80 Prozent aller landlebenden Arten und die Quelle von 75 Prozent des weltweiten Süßwassers. Mehr als eine Milliarde Menschen leben in und um Wälder, darunter eine Vielfalt indigener Gemeinschaften. Wälder sind außerdem wichtige Kohlenstoffsenken. Während die noch vorhandenen tropischen Wälder jährlich bis zu 1,8 Gigatonnen Kohlenstoff aufnehmen, setzt die Waldzerstörung fast dreimal so viel jährlich frei. Nicht zuletzt schützen uns intakte Wälder auch vor zoonotischen Krankheiten wie COVID-19. Trotzdem sorgen die nicht nachhaltigen Ernährungssysteme der Menschen für einen immer schnelleren Verlust der Waldlandschaften.

Neue WWF-Studie: „Deforestation fronts – Drivers and responses in a changing world“

Ursachen, Tempo und Ausmaß von Entwaldung und Walddegradierung haben sich im Laufe der Zeit verändert. Wie die verschiedenen Ursachen der Entwaldung zusammenhängen und welche Auswirkungen sie im Einzelnen haben, variiert außerdem von Region zu Region. Etwa zwei Drittel der gesamten Entwaldung weltweit entfallen auf die Tropen und Subtropen. Das zeigt die neue WWF Studie „Entwaldungsfronten: Verursacher und Gegenmaßnahmen in einer sich verändernden Welt“, die sich deshalb auf diese Fronten des Waldverlustes konzentriert: Die Orte mit der größten Entwaldung oder der stärksten Beeinträchtigung des Lebensraumes weltweit, an denen auch weiterhin mit erheblicher Waldzerstörung zu rechnen ist.

Zwischen 2004 und 2017 gingen an diesen Fronten, die schon bis dahin nur noch etwa zur Hälfte bewaldet waren, nochmals mehr als zehn Prozent des Waldes verloren. Und etwa 45 Prozent des noch vorhandenen Waldes wurden zerschnitten und beeinträchtigt. Diese Degradierung macht die Wälder anfälliger für Feuer, und weitere Zerstörungen sind extrem wahrscheinlich. In weniger als zehn Jahren ist in den Hotspots der Waldzerstörung unserer Erde Wald in der Gesamtgröße Deutschlands und Irlands verloren gegangen.

Wo ist es am schlimmsten? 24 Entwaldungsfronten

Entwaldungsfronten in Südamerika © WWF
Entwaldungsfronten in Südamerika © WWF

Die Amazonas-Regenwälder in Brasilien, Kolumbien, Peru, Bolivien und Venezuela und die Trockenwälder des Gran Chaco in Paraguay und Argentinien: Neun der 24 schlimmsten Entwaldungsfronten der Welt befinden sich in Lateinamerika – einer Region, deren Wildtierpopulation ohnehin bereits um dramatische 94 Prozent eingebrochen ist. In Südostasien sind die Mekong Region und Indonesien am stärksten vom Waldverlust betroffen, in Afrika die waldreichen Länder südlich der Sahara.

Entwaldungsfronten in Afrika © WWF
Entwaldungsfronten in Afrika © WWF

Allein in den letzten fünf Jahren sind zahlreiche neue Entwaldungsfronten entstanden, darunter in Liberia, der Elfenbeinküste, in Ghana, Madagaskar, in weiteren Teilen des Amazonas und im Maya-Wald in Mexiko und Guatemala.

Trotz der Konzentration auf die 24 Entwaldungsfronten liegen hier nicht die einzigen „Hochrisikogebiete“. Die Beeinträchtigung des Waldes schreitet auch in vielen anderen wichtigen und artenreichen Gebieten immer weiter voran, einschließlich der borealen Wälder auf der Nordhalbkugel.

Wer sind die Hauptverursacher?

Welche Kräfte wo und wie stark für die Abholzung und Zerstörung von Wäldern verantwortlich sind, ändert sich ständig. Überall – an allen 24 Entwaldungsfronten – ist der Hauptgrund für die Waldzerstörung eindeutig die Ernährung der Menschen. Ob großflächige kommerzielle Ackerwirtschaft und Rinderhaltung oder kleinbäuerliche Ansätze meist für den Eigen- und Inlandsverbrauch: Haupttreiber ist die Nahrungsmittelproduktion.

Entwaldungsfronten in Südostasien und Ozeanien © WWF
Entwaldungsfronten in Südostasien und Ozeanien © WWF

In Lateinamerika treiben in erster Linie Rinderhaltung und kommerzielle Ackerwirtschaft die Zerstörung an. In Asien spielen zusätzlich Palmölplantagen eine entscheidende Rolle. In Afrika sind es vor allem das Bevölkerungswachstum mit kleinbäuerlicher Landwirtschaft und die steigende Nachfrage nach Holz, die zu Walddegradierung und Entwaldung führen. Die regionalen Unterschiede verdeutlichen die Notwendigkeit ortsbezogener Lösungen. Über alle Fronten hinweg gehören auch der Bergbau mit seiner Rohstoffgewinnung und der Ausbau der Infrastruktur zu den Hauptverursachern der Entwaldung. Und wo erst einmal eine Straße durch den Wald führt, ist schnell noch mehr herausgeholt.

  • Ausschnitt der interaktiven Karte © WWF Interaktive Karte: Deforestation Trends and Hotspots

    Sehen und Finden Sie auf der interaktiven Karte die Hotspts der Abholzung - auch in Ihrer Nähe. Zur Karte

Was wird gegen die Abholzung getan, und was ist wirklich wirksam?

Trotz des Wissens über ihre Ursachen geht die Entwaldung an den Fronten nicht nur unvermindert weiter, sondern droht, noch zuzunehmen. Ein Stoppen dieses Trends erweist sich als schwierig und noch schwieriger, ihn umzukehren, besonders in den Tropen. In den seltenen Fällen, in denen die Entwaldung tatsächlich deutlich verringert werden konnte, war dies oft mit einer Kombination verschiedener Ansätze verbunden –  zugeschnitten auf Geografie, Gegebenheiten und Anforderungen der Region und unter Einbezug der lokalen Gemeinschaften. Im brasilianischen Amazonasgebiet half ein Soja-Moratorium, die Ausbreitung von Soja-Anbauflächen zu stoppen. Im Amazonas Boliviens setzte ein System von Schutzgebieten, begleitet von Landnutzungsplänen und der Anerkennung von Besitzrechten für die indigene Bevölkerung der Landwirtschaft Grenzen.

Maßnahmen, die funktionieren

Grundsätzlich lassen sich die Schutzmaßnahmen heute in zwei Kategorien einteilen – Gebietsbezogene Maßnahmen und Rohstoff-bezogene Maßnahmen. Alle haben ihr Potential, aber auch ihre Grenzen.

Zu den gebietsbezogenen Maßnahmen gehören Schutzgebiete, die Anerkennung von indigenem Land, Einschlagmoratorien, Landnutzungsregeln und auch das Feuermanagement. Auf die Rohstoffe bezogen sind zum Beispiel Nachhaltigkeitszertifikate, die Nachverfolgbarkeit der Beschaffung, Null-Abholzungsverpflichtungen und die Bezahlung für Ökosystemleistungen (PES). Die WWF-Studie zeigt, dass nur langfristiges Engagement und eine Einbindung von Wirtschaft, Politik und lokaler Bevölkerung nachhaltig wirksam sind und Akzeptanz ein entscheidender Faktor ist.

„Wir brauchen mehr integrierte Lösungen, die von verschiedenen Interessensgruppen getragen werden. Und wir müssen unterschiedliche Ansätze wie Schutz- und Schongebiete, entwaldungsfreie Lieferkettengesetze und Lösungen zum Klimaschutz kombinieren. Gleichzeitig ist klar, dass wir die Art und Weise, wie Lebensmittel produziert und konsumiert werden, grundlegend verändern und uns sofort an die planetaren Grenzen anpassen müssen. Alles andere wird harte Konsequenzen haben“, so Dr. Susanne Winter, Leiterin des Programmbereichs Wald beim WWF Deutschland.  

Deutschlands Mitverantwortung

Deutschland zählt zu den wichtigsten Importeuren von Soja als Futtermittel für die Tierhaltung auf der Welt. Unser Fleischkonsum und das Geschäftsmodell des Fleisch-Exportes befeuern die Umwandlung in landwirtschaftliche Flächen weltweit. Auch mit Rohstoffen wie Palmöl oder Holz und Bodenschätzen wie Eisen, Aluminium oder Gold importiert Deutschland Waldzerstörung.

Die große Menge Treibhausgase, die wir ausstoßen, führt außerdem zu einer zerstörerischen Austrocknung der Wälder und einem massiv erhöhten Waldbrandrisiko.

  • Übergabeaktion für entwaldungsfreie Lieferketten der Initiative #Together4Forests © Greenpeace #Together4forests: Für entwaldungsfreie Lieferketten

    Gemeinsam mit über 160 weiteren Organisationen hat der WWF unter dem Titel #Together4forests dazu aufgerufen, die EU-Politik unter Druck zu setzen. Mit Erfolg! Mehr ...

Rettung der Wälder: Durch uns alle, für uns alle

Die Zukunft von Menschen, Wildtieren und der Natur hängt von intakten Wäldern ab. Es ist an der Zeit, die Natur für das zu schätzen, was sie uns zur Verfügung stellt, und ein Hauptaugenmerk muss dabei auf den Wäldern liegen. Die aktuelle Studie des WWF zeigt, wie notwendig dabei kollektives Handeln und maßgeschneiderte Lösungen sind, die für Mensch und Natur funktionieren. Von den Ländern, in denen die Wälder zerstört werden bis hin zu jenen, in welchen Konsummuster und Lebensstil zur Entwaldung beitragen.

Fazit: Forderungen für Deutschland und die EU

  • Wir brauchen Handelsabkommen, die die Entwaldung und Zerstörung von Ökosystemen ausschließen.
  • Auch staatliche Investitionen und Fördergelder aus Deutschland müssen eine Entwaldung ausdrücklich ausschließen. Das tun sie momentan selten.
  • Die Einhaltung von Gesetzen hinsichtlich des Handels mit illegal geschlagenen oder aus Übernutzung stammenden Holzes muss strenger kontrolliert werden.
  • Wir brauchen eine europäische Waldstrategie, die Waldökosysteme erhält und die Umwandlung in Plantagen verhindert, statt Nutzungsoptionen zu verstärken.
  • Unser Verbrauch muss innerhalb der ökologischen Grenzen bleiben und das Pariser Klimaabkommen vollkommen erfüllen.
  • Nourages Naturreservat im Nebel © Emmanuel Rondeau / WWF Frankreich Wälder - Schatzkammern des Lebens

    Wälder bedecken knapp vier Milliarden Hektar und damit rund 30 Prozent der Landoberfläche der Erde. Vor 10.000 Jahren war es noch doppelt so viel. Weiterlesen ...