Die Rückkehr der großen Beutegreifer nach Europa sorgt nicht nur für Konflikte zwischen Menschen und Wildtieren, sondern offenbart auch tieferliegende Spannungen über das Verhältnis von Naturschutz und Landnutzung in unserer Gesellschaft. Gleichzeitig ist sie eine Chance die Beziehung zwischen Mensch und Natur neu zu gestalten.

„Das Zusammenleben mit großen Beutegreifern ist möglich“, davon ist Lázló Horváth überzeugt. Der Jäger lebt in den nordungarischen Bergen und seit einiger Zeit ist dort auch der Braunbär wieder heimisch.

Lázló Horváth freut sich über die Rückkehr von Wildtieren wie Braunbär, Wolf, Luchs und Vielfraß nach Europa. Ihre Anwesenheit ist für ihn Zeichen eines intakten Ökosystems. Mit dieser Haltung steht Lázló Horváth in der ungarischen Jägerschaft allerdings ziemlich alleine da – für seine Jägerkolleg:innen ist der Bär ein bedrohlicher Konkurrent.

Lázló Horváth ist Teil der Kampagne „Stories of Coexistence, die im Rahmen des Projekts LIFE EuroLargeCarnivores von Menschen berichtet, die in direkter Nachbarschaft von Wildtieren leben. Und er macht klar: Damit Menschen und Wildtiere in Europa koexistieren können, müssen die verschiedene Interessengruppen miteinander reden.

Die Rückkehr der großen Beutegreifer

Der Vielfraß ist ein Raubtier aus der Familie der Marder und lebt in borealen Wäldern. © imago images / McPHOTO
Der Vielfraß ist ein Raubtier aus der Familie der Marder und lebt in borealen Wäldern. © imago images / McPHOTO

Tatsächlich hat die Rückkehr der großen Beutegreifer nach Europa nicht nur für Konflikte zwischen Menschen und Wildtieren, sondern vor allem für Konflikte zwischen Naturschutzorganisationen, Nutztierhalter:innen, Jägerschaft, Förster:innen, Landwirt:innen und der Bevölkerung gesorgt.

Wie Menschen die Rückkehr der großen Beutegreifer nach Europa wahrnehmen, ist höchst individuell, oft wenig faktenbasiert und häufig kulturell von Märchen wie „Rotkäppchen“ oder „Der Wolf und die sieben Geißlein“ geprägt – sogar innerhalb der einzelnen Interessengruppen gibt es verhärtete Fronten.

Um das Zusammenleben von Mensch und Wildtier in Europa zu ermöglichen, bedarf es langfristiger grenzübergreifender Managementpläne, die die Belange der Bevölkerung, der direkt Betroffenen und der Wildtiere gleichermaßen berücksichtigen, die unbürokratisch Präventions- und Herdenschutzmaßnahmen fördern und die Auswirkungen von etwaigen Mensch-Wildtier-Konflikten auffangen.

Projekt LIFE EuroLargeCarnivores

Solche Managementpläne funktionieren jedoch nur, wenn sie von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragen werden, der die Anwesenheit großer Beutegreifer in Europa grundsätzlich befürwortet. Deshalb müssen für eine friedliche Koexistenz von Mensch und Wildtier zwingend Vorurteile und Ängste gegenüber Braunbär, Wolf, Luchs und Vielfraß abgebaut werden.

Genau das hat sich das Projekt LIFE EuroLargeCarnivores auf die Fahnen geschrieben und sucht den konstruktiven Dialog mit Nutztierhalter:innen, Jäger:innen, Wissenschaftler:innen und anderen Interessengruppen.

Seit 2017 koordiniert der WWF Deutschland das Projekt, in dem sich 16 Partnerorganisationen in ganz Europa für ein Miteinander von Menschen und großen Beutegreifern starkmachen. Das Ziel: Ein europäisches Netzwerk schaffen, das vorhandene Wissen bündeln und international weitergeben.

Dialog, Wissensaustausch und grenzübergreifende Zusammenarbeit

Dafür bringen die Projektpartner beispielsweise Nutztierhalter:innen aus verschiedenen Regionen zusammen, um sich über wirkungsvollen Herdenschutz auszutauschen, sie sammeln Daten zum Umgang mit großen Beutegreifern, entwickeln Konfliktlösungsstrategien, informieren über Fördermöglichkeiten und vermitteln Ansprechpartner:innen.

Und nicht nur das: Auf der Projektwebsite werden 50 Beispiele erfolgreichen Zusammenlebens von Mensch und Wildtier in ganz Europa vorgestellt. Tutorials beispielweise zum Bau von wolfssicheren Elektrozäunen leisten konkrete, praxistaugliche Hilfe, wie man Nutztiere vor Übergriffen durch große Beutegreifer schützen kann.

So können Sie den WWF beim Kampf gegen das Artensterben unterstützen:

  • Braunbär in der Slowakei © Tomas Hulik Mensch-Tier-Konflikte

    Vielfach müssen die Menschen erst wieder lernen, ihren Lebensraum und die von ihnen geschaffenen Kulturlandschaften mit den großen Jägern zu teilen. Vom Konflikt zur friedlichen Koexistenz

  • Grauwolf © Wild Wonders of Europe / Sergey Gorshkov / WWF Wölfe

    Der Wolf, seit dem Mittelalter systematisch bejagt und in Deutschland im Jahr 1904 schließlich ausgerottet, kehrt wieder zurück. Mehr zu Wölfen

  • Europäischer Luchs im Nationalpark Velka Fatra © Tomas Hulik Luchs

    Der Luchs wurde wegen seines begehrten Fells, als Räuber von Nutztieren und als Konkurrent für Jäger gnadenlos bejagt. Die Pinselohren kehren zurück