Der Rio Tapajós im Amazonas ist einer der letzten großen frei fließenden Flüsse unserer Erde, unvergleichliche Naturschönheit, Lebensader für über zehn indigene Völker und wilde Heimat für rosa Flussdelfine, Seekühe, wandernde Riesenfische und viele weitere Arten. Jedoch drohen eine Vielzahl von Staudammprojekten das Flusssystem unwiederbringlich zu zerstören. Mit schweren Folgen nicht nur für die Natur und die am Fluss lebenden Indigenen, sondern für uns alle.

Rio Tapajós: Reißende Schönheit

Das Tapajós-Einzugsgebiet erstreckt sich über verschiedenste Lebensräume – von den Savannen des brasilianischen Cerrados bis tief in die Regenwälder Amazoniens. Das Besondere: Im Gegensatz zum Beispiel zum eher braun gefärbten Amazonas ist der Tapajós ein Klarwasserfluss. Er gehört zu den größten Klarwasserflüssen der Welt und ist der einzige noch ungestaute südliche Zufluss des Amazonas.

Das macht ihn zu einer wahren Fundgrube der Artenvielfalt. Viele der in dem schnellfließenden Strom lebenden Tiere gibt es nur hier; und etliche Arten sind wahrscheinlich noch nicht einmal entdeckt.

„Die Wildnis ist nicht wiederherstellbar“

Ein Beispiel für Damm-Bau in Brasilien © Jaime Rojo / WWF-US
Ein Beispiel für Damm-Bau in Brasilien © Jaime Rojo / WWF-US

Aktuell gibt es Pläne für mehr als 44 Staudammprojekte und zahlreiche Kleinwasserkraftwerke im Einzugsgebiet des Rio Tapajós. Ein Beispiel ist der sogenannte Tapajós-Komplex: Der Bau von sieben großen Staudämmen soll neben der Energiegewinnung den Tapajós auch schiffbar für den Sojatransport machen. Dadurch würden über 3.000 Quadratkilometer Regenwald überflutet werden. Etliche traditionelle Flussgemeinden und indigene Dörfer würden ihre Gebiete verlieren; und die Folgen für die Natur wären immens.

Staudämme stellen jedoch nicht das alleinige Problem dar, mit dem die Natur und die indigenen Völker des Tapajós kämpfen müssen. Der illegale Goldabbau im und am Tapajós ist in den letzten zehn Jahren um mehr als 500 Prozent angestiegen. Dabei wird Quecksilber verwendet, das die Flüsse und ihre Lebewesen vergiftet. Darüber hinaus führt der Goldabbau zur Verschlammung einst klarer Flüsse und zerstört ihr Ökosystem.

„Staudämme zerstören die komplexen Dynamiken, welche die Flussökosysteme so einzigartig machen. Während wir an vielen Orten der Erde versuchen, Flüsse mühevoll zu renaturieren, gibt es diese Wildnis im Amazonasgebiet immerhin noch. Diese müssen wir unbedingt schützen.“

Dr. Konstantin Ochs, Südamerika-Experte beim WWF Deutschland

Warum sind Staudämme so gefährlich?

Manati © Vincent Kneefel / WWF
Manati © Vincent Kneefel / WWF

Tausende Tier- und Pflanzenarten brauchen die wilden Wasser des Tapajós – und wir brauchen die wenigen großen, noch frei fließenden Flüsse des Amazonas, um das weltweite Artensterben aufzuhalten. Denn der Rio Tapajós ist wie der Amazonas Lebensraum für außergewöhnlich viele, häufig endemische Süßwasserarten. Die Süßwasserarten sind auf unserer Erde am stärksten bedroht. Ihre Populationen sind seit 1970 um durchschnittlich 83 Prozent zurückgegangen.

Staudämme schaden dem empfindlichen Ökosystem von Flüssen und dem Leben in und an ihnen weitreichend. Sie verändern den natürlichen Wasserfluss, bilden unüberwindbare Barrieren für Wasserlebewesen, legen Auen und Überschwemmungsgebiete trocken und halten wichtige Sedimente auf, die sonst das Land rund um den Fluss fruchtbar machen und vor Erosion schützen.

Leben am Fluss

Portrait einer Indigenen Munduruku Frau, Tapajós Fluss © Andre Dib
Portrait einer Indigenen Munduruku Frau, Tapajós Fluss © Andre Dib

Die natürlichen Strömungen und regelmäßigen Überflutungen des Rio Tapajós prägen das Leben an seinen Ufern seit Jahrhunderten.

Über 30 indigene Völker und zahlreiche traditionelle Gemeinschaften bewohnen sein Einzugsgebiet. Sie sind nicht nur abhängig vom Wasser, den Fischen und den fruchtbaren Sedimenten des Flusses. Ihre gesamte Lebensweise und einzigartigen Kulturen und Traditionen sind eng mit dem Rio Tapajós verwoben. Sie leben an und von diesem letzten, wilden Klarwasserzufluss des Amazonas. Und sie sind es auch, die ihn retten könnten.

Wie rettet man einen frei fließenden Fluss?

Miritituba am Rio Tapajós, Ausganspunkt vieler Flussdelfin-Expedionen © Adriano Gambarini / WWF-Brazil
Miritituba am Rio Tapajós, Ausganspunkt vieler Flussdelfin-Expedionen © Adriano Gambarini / WWF-Brazil

Werden die geplanten Dämme am Rio Tapajós wirklich gebaut, sind die ökologischen und sozialen Folgen katastrophal. Noch dazu, weil der Bau von Dämmen, Stauseen und Trassen und die einhergehende Zerstörung der Wälder hohe Treibhausgasemissionen erzeugt.

Der WWF leistet deshalb konsequent Überzeugungsarbeit der politischen Entscheidungsträger vor Ort. Wir informieren die Bevölkerung, schaffen Aufmerksamkeit und erstellen und publizieren Studien – um zum Beispiel zu beweisen, dass Wasserkraftwerke und die Kosten ihrer Megabauten überhaupt nicht rentabel sind.

Gemeinsam für den Rio Tapajós

Die größte Chance aber, die geplanten Wasserkraftwerke am Rio Tapajós zu verhindern, haben die Menschen an seinen Ufern. Die indigene und lokale Bevölkerung ist der wichtigste Verbündete des WWF, um den Fluss zu retten. Als direkt Betroffene können sie einfordern, an Entscheidungen, um die Wasserbewirtschaftung ihres Flusses beteiligt zu werden.

Gemeinsam wollen wir deshalb in einem unser Projekte (Start Dezember 2023), welches vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gefördert wird, ihre Rechte stärken. Zusammen mit drei lokalen Partnerorganisationen (FEEPIPA, MTV, ICV) ist es unser Ziel, das die traditionellen und indigenen Gemeinschaften entlang des Tapjos aktive Akteure bei der Institutionalisierung eines partizipativen Wassermanagement werden. Denn bisher haben sie noch viel zu wenig teil an den Planungen, die ihre Gebiete und Wasserressourcen betreffen. 

Die Menschen am Rio Tapajós müssen besser sprachfähig werden für ihre Belange, brauchen Schulungen  und Kanäle, um politisch wirksam mitzureden und Möglichkeiten, sich entlang des riesigen Flusssystemes viel besser zu vernetzen. Denn nur gemeinsam sind sie stark und können sich aktiv bei der Politikgestaltung einbringen.

Denn die letzten großen frei fließenden Flüsse unserer Erde zu retten, ist einer der großen Schwerpunkte des WWF.