Wie der Amazonas-Regenwald ist auch der brasilianische Cerrado eine Ökoregion der Superlative und für den Klimaschutz und den Erhalt der Biodiversität von elementarer Bedeutung. Auf mehr als zwei Millionen Quadratkilometern erstreckt sich die tropische Savanne. Damit ist der Cerrado sechsmal so groß wie Deutschland. Dennoch ist die Region kaum jemandem ein Begriff. Das muss sich ändern. Denn die Zerstörung des Cerrado durch die Sojaproduktion ist außer Kontrolle.

Es sind erschreckende Zahlen: Allein in den ersten fünf Monaten des Jahres 2022 wurden 2.613 Quadratkilometer Fläche im Cerrado abgeholzt. Das ist ein Anstieg von knapp 30 Prozent im Vergleich zu den ersten fünf Monaten des Vorjahres. Jahr für Jahr ist der Sojaanbau für die Zerstörung von etwa 100.000 Hektar Savanne verantwortlich. Tendenz steigend.

Einzigartige Artenvielfalt

Der Cerrado ist die artenreichste Savanne der Welt, fünf Prozent aller Arten der Welt sind hier vertreten. Er ist das zweitgrößte Biom Südamerikas und spielt eine bedeutende Rolle bei der Wasserversorgung Brasiliens.

Lage: Im Norden grenzt der Cerrado an den Amazonas-Regenwald, im Süden an die Mata Atlântica, den atlantischen Küstenregenwald.

Fläche: Der Cerrado bedeckt fast ein Viertel der Fläche Brasiliens und ist mit etwas mehr als zwei Millionen Quadratkilometern so groß wie Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien und Spanien zusammen.

Lebensraum: Die Graslandschaften und Wälder des Cerrado beherbergen mehr als 10.000 Pflanzenarten, von denen die Hälfte nirgendwo sonst auf der Welt vorkommt. Rund 200 Säugetierarten, mehr als 800 Vogelarten, 1.200 Arten von Fischen, 150 Amphibienarten, 180 Reptilienarten und 90.000 Insektenarten sind hier zu Hause.

Einzigartig und nicht zu ersetzen

Wenn wir die rasante Zerstörung des Cerrado nicht aufhalten, sind die völkerrechtlich bindenden Pariser Klimaziele nicht mehr zu erreichen. Denn der Cerrado beherbergt nicht nur eine unvergleichliche Artenvielfalt – rund fünf Prozent aller Arten der Welt nennen die tropische Savanne ihre Heimat. Das besonders tiefe Wurzelsystem der eher kleinen Bäume des Cerrado leistet auch einen großen Beitrag zum Klimaschutz. Weil sich 70 Prozent seiner Biomasse unter der Erde befinden, wird der Cerrado auch „auf dem Kopf stehender Wald“ genannt. Aktuelle Studien deuten darauf hin, dass er im Durchschnitt etwa 118 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar enthält.

Für uns alle überlebensnotwendig

Überschwemmungen sind Teil des Ökosystems Cerrado © Karoline Ceron / WWF-Brazil
Überschwemmungen sind Teil des Ökosystems Cerrado © Karoline Ceron / WWF-Brazil

Neben Kohlenstoff speichert der Cerrado auch Wasser. Er speist acht der zwölf wichtigsten Wassereinzugsgebiete Brasiliens und bewässert 40 Prozent der Landesfläche. Neun von zehn Brasilianer:innen nutzen Strom, der durch Wasser aus dem Cerrado erzeugt wird. Geht der Kahlschlag weiter, steht auch die Energie- und Nahrungsmittelversorgung des größten südamerikanischen Staates auf dem Spiel.

Und nicht zuletzt leben im Cerrado dutzende von indigenen und lokalen Gemeinschaften, die für ihren Lebensunterhalt auf ein intaktes Ökosystem angewiesen sind. Traditionell nutzen die Bewohner:innen des Cerrado die Ressourcen der Wälder und Graslandschaften nachhaltig – was man von der Agrarindustrie nicht behaupten kann.

Arten im Fokus des WWF

So sieht Zerstörung aus

Der Cerrado brennt, meistens gelegte Feuer für die Sojaproduktion © Andre Dib / WWF-Brazil
Der Cerrado brennt, meistens gelegte Feuer für die Sojaproduktion © Andre Dib / WWF-Brazil

Seit den 1950er-Jahren hat die landwirtschaftliche Rohstoffproduktion zum Verlust von etwa der Hälfte der ursprünglichen Vegetation des Cerrado geführt. Oft werden Flächen durch Brandrodung landwirtschaftlich nutzbar gemacht. Das wiederum führt zu einer Zunahme von Waldbränden: Für Mai 2022 vermeldete das brasilianische Institut für Weltraumforschung (INPE) 3.578 Brände im Cerrado – so viele wie noch nie zuvor seit Beginn der Aufzeichnungen und ein Anstieg von 35 Prozent gegenüber Mai 2021. Große Teile der Natur des Cerrado gehen einfach in Flammen auf.

Wir alle tragen Verantwortung

Mittlerweile beläuft sich die landwirtschaftlich genutzte Fläche auf rund 230.000 Quadratkilometer. Das entspricht der Größe Großbritanniens. Der Großteil der Fläche, nämlich 80 Prozent, wird für die Sojaproduktion genutzt. Die Verantwortung für diesen Raubbau liegt nicht allein bei Brasilien: Der Cerrado ist für die EU der wichtigste Lieferant für Soja, das bei uns vor allem als Futtermittel in der Massentierhaltung Verwendung findet. Für die völlig aus den Fugen geratene Fleischproduktion in Deutschland und Europa werden lebenswichtige Ökosysteme nach und nach vernichtet.

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So schützt der WWF den Cerrado

Deshalb setzen wir uns vor Ort für den Erhalt und die Ausweisung von Schutzgebieten ein. Doch das allein genügt nicht. Handelsunternehmen, Verbrauchermarken und Supermarktketten haben Einfluss auf die Sojaproduktion. Mit der Unterstützung von BMZ und GIZ beraten wir Unternehmen, damit sie ihre Lieferketten entwaldungsfrei gestalten können. Parallel dazu üben wir Druck auf die Politik aus und kämpfen für ein EU-Lieferkettengesetz, das den Raubbau an der Natur tatsächlich stoppt und nicht von einem Ökosystem auf ein anderes verlagert. Unsere Grundsatzforderung: Produkte, die nach Europa importiert werden, dürfen nicht dazu beitragen, dass intakte Natur – ob Wälder, Savannen oder Feuchtgebiete – in landwirtschaftliche Nutzfläche umgewandelt wird!

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