Europa über Wasser halten

WWF-Analyse warnt: Industrie will europäischen Wasserschutz aufweichen.

Wasserlilie
Wasserlilie © Anton Vorauer / WWF Canon

Verschmutzte Gewässer, Flüsse als „Schiff-Highways“ und Stoffe wie Nitrat in unserem Trinkwasser: Das sind nach einer aktuellen WWF-Analyse nur drei der zahlreichen, drohenden Konsequenzen, sollte die EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) tatsächlich abgeschwächt und aufgeweicht werden. Anlass ist der anstehende „Fitness Check“ der Richtlinie durch die Europäische Kommission, den Teile von Politik und Industrie nutzen wollen, um den Wasserschutz in der EU und Deutschland zu untergraben.

 

„Immer wieder wird bei der Diskussion um die Wasserrahmenrichtlinie blumig von einer Reform oder einer Anpassung gesprochen. Unsere Analyse zeigt: Es geht um nicht weniger als einen Rückfall in alte Zeiten, als Flüsse schonungslos umgebaut wurden und Seen kippten. Was sich Teile der Industrie vorstellen, ist nichts weniger als eine Wunschliste der Zerstörung für Flüsse, Seen und das Grundwasser“, fasst WWF-Expertin Diana Pretzell die Ergebnisse zusammen. So will die Industrie- und Handelskammer für die Zukunft eine Berücksichtigung technischer und finanzieller Verhältnismäßigkeit bei der Festsetzung der Grenzwerte für chemische Stoffe. Heute werden diese Grenzwerte anhand ihrer Giftigkeit des jeweiligen Stoffes auf verschiedene Arten des Nahrungsnetzes (Algen, Krebstiere, Fische etc.) festgelegt. „Wenn die Grenzwerte für chemische Stoffe aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gesenkt werden, wird eine Gefährdung von Lebewesen bis hin zum Menschen bewusst in Kauf genommen“, so Pretzell. In Deutschland sind bisher nur rund 8,2 Prozent der Flüsse und Seen in einem guten ökologischen Zustand; dem Zustand, der nach der Wasserrahmenrichtlinie zu erreichen ist.

 

Der WWF Deutschland hat Positionspapiere und Stellungnahmen von zwölf nationalen und europäischen Industrieverbänden aus den Bereichen Bergbau, Industrie, Wasser- und Energieversorgung sowie der Landwirtschaft analysiert. Erstellt wurde die Analyse im Auftrag des WWF Deutschland von einem Consulting-Unternehmen, das normalerweise im Auftrag eben jener Industrieverbände Gutachten erstellt und im Sinne des Informantenschutzes nicht genannt werden möchte. 

 

Als umso „brisanter“ bewertet der WWF die Ergebnisse: Der Verlust ökologisch intakter Gewässer, weiterhin chemische und gesundheitsschädliche Stoffe wie Nitrat im Grundwasser und somit die Gefährdung für Mensch, Natur, Industrie und Landwirtschaft würde nicht nur billigend in Kauf genommen, die Umsetzungen der EU-Biodiversitätsstrategie und der EU-Meeresstrategie behindert. Es würde geradezu forciert, das eigentliche Ziel, bis 2027 flächendeckend einen ökologisch guten Zustand zu erreichen, unerreichbar zu machen.

 

„Zum Schutz unseres Wassers und der Ökosysteme muss sich die deutsche Bundesregierung auf EU-Ebene für den Erhalt der Richtlinie in der jetzigen Form und gegen eine Öffnung aussprechen. Unsere Flüsse, Seen und Feuchtgebiete sind nach wie vor in keinem guten Zustand, das Grundwasser chemisch stark belastet. Die Bundesregierung muss sich klar für die in der Richtlinie verankerten Prinzipien der Verbesserungspflicht und des Verschlechterungsverbots für alle europäischen Gewässer einsetzen und darf unhaltbare Vorschläge seitens der Wirtschaft nicht unterstützen“, so Pretzell.

 

Gerade angesichts der globalen Klimakrise und zunehmender Wetterextreme braucht es nach ihrer Einschätzung anstatt einer Novellierung Maßnahmen zur Wiederherstellung ökologisch intakter Gewässer und zum Schutz des Grundwassers als Trinkwasserressource.

 

Hintergrundinformation:

Die Wasserrahmenrichtlinie (2000/60/EG) sieht vor, dass sie sich 19 Jahre nach ihrem Inkrafttreten einer Überprüfung stellen muss, die zu klären hat, ob sie nach wie vor geeignet ist, die Erwartungen zum Schutz der europäischen Gewässer zu erfüllen. Dazu führt die EU-Kommission einen „Fitness Check“ durch, bei dem sich Energieversorger, Industrie-, Landwirtschafts-, Kommunal-, Wasser- und Umweltverbände mit ihren Positionen einbringen können. Eine Auswertung der Konsultation wird voraussichtlich im Herbst 2019 vorliegen, eine Entscheidung über die Zukunft der Gesetzgebung wird im ersten Halbjahr 2020 erwartet. Die Umweltverbände werden den Prozess weiterhin eng begleiten, damit die visionären Rechtsvorschriften erhalten, von der EU-Kommission durchgesetzt und in den Mitgliedstaaten vollständig umgesetzt werden.

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