Jeder Fisch zählt

Wissenschaftler empfehlen Schließung der Fischerei auf einzelne Bestände von Dorsch und Hering

Dorsch ©Erling Svenson WWF/Canon
Dorsch ©Erling Svenson WWF/Canon

Die Überfischung in der Ostsee hat ein dramatisches Ausmaß erreicht. Das zeigen die heute veröffentlichten wissenschaftlichen Fangempfehlungen des ICES (Wissenschaftlicher Rat zur Erforschung der Meere). Die Forscher empfehlen den verantwortlichen Politikgremien Fischereischließungen für den westlichen Heringsbestand sowie den östlichen Dorschbestand für 2020.

 

„Das ist die bittere Quittung für rund 30 Jahre legalisierte Überfischung. Um die Bestände von östlichem Dorsch und westlichem Ostseehering vor dem Kollaps zu retten, muss die Fischerei leider sofort und bis einschließlich nächstes Jahr eingestellt werden, nur dann besteht Hoffnung auf Erholung. Ein dauerhaftes Versagen den Fischereidruck in einem überdüngten, sauerstoffarmen und  sich erwärmenden Meer an die verschlechterten Lebensbedingungen anzupassen, fordert seinen Tribut. Es ist lange klar, dass es dem östlichen Dorsch schlecht geht, so mager wie die Tiere seit Jahren sind. Der Fischereidruck ist eines von vielen Problemen, aber eben das, was man gezielt steuern kann. Die dramatische Situation erfordert sofortige Schonzeiten – jeder Fisch zählt“, sagt Stella Nemecky, Fischereiexpertin des WWF Deutschland. Damit die Bestände sich überhaupt erholen können, müssten Fangmengen endlich gemäß der wissenschaftlichen Empfehlung für eine nachhaltige Bewirtschaftung festgesetzt werden, nicht darüber. Sowohl der bestehende Mehrjahres-Managementplan für die Ostsee, sowie das übergeordnete Ziel der Gemeinsamen EU-Fischereipolitik schreiben genau das vor. Bis 2020 wollten die Fischereiminister für gesunde Bestände sorgen. Ein Jahr vor Ablauf der Frist verschlechtert sich die Situation weiter, weil Regierungen noch immer kurzsichtige Industrieinteressen bedienen. Mittlerweile werden 88 Prozent der quotierten Fischbestände in der Ostsee überfischt.

 

 „Die jährlich festgelegten Höchstfangmengen sind das schärfste Schwert, um die Überfischung zu beenden. Die Fischereiminister müssen endlich zu ihrem Wort stehen und die Fischerei nachhaltig ausrichten. Ohne Fisch lässt sich die Zukunft der Fischer nicht sichern“, so Nemecky. Vom westlichen Heringsbestand entfallen 55 Prozent der Quote auf deutsche Fischer. Beim östlichen Dorschbestand sind es neun Prozent. Wichtiger für deutsche Fischer ist der westliche Dorschbestand, der mit leisen Anzeichen der Erholung gegen die fortgesetzte Überfischung ankämpft, so dass ICES eine weitere deutliche Kürzung der Fangmenge empfiehlt. „Beim westlichen Dorsch wird derzeit der einzig gute Nachwuchsjahrgang nach 15 sehr mageren Jahren weggefischt, bevor er sich überhaupt fortgepflanzt hat. Dieser Hoffnungsjahrgang aus 2016 ist nun so groß, dass er in den Netzmaschen endet“, so Nemecky. Hier müsse zum Wiederaufbau des Bestandes 70 Prozent der Quote gekürzt werden.

Zusätzlich verschärfen Rückwürfe die Überfischung der Dorschbestände. Seit 2015 ist es Ostseefischern untersagt beigefangen Dorsch über Bord zu werfen, stattdessen müssen sie ihn an Land bringen. „Es gibt kein Zeichen, dass sich auf See an verbotenen Rückwürfen etwas geändert hat. Ohne verbessertes Monitoring und Kameraüberwachung an Bord wird sich die Anlandepflicht in der Praxis nicht durchsetzen lassen.“, sagt Nemecky. Geschätzte 16 Prozent illegale Rückwürfe schwächen den überfischten Bestand des östlichen Dorschs zusätzlich. Die Dunkelziffer dürfte darüber liegen. „Dorsch und Hering sind die Grundpfeiler im Ökosystem der Ostsee. Die Tatsache, dass wir nur noch auf den Erfolg von Notfallmaßnahmen hoffen können, ist ein Armutszeugnis für die Fischereiminister.“

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