WWF und Wuppertal Institut haben einen Leitfaden entwickelt, um Konjunktur- und Förderprogramme nachhaltig zu gestalten

Eine klare Ausrichtung brauchen Investitionen und Fördermittel für einen Transformationsschub der Wirtschaft. Bisher hat die Bundesregierung keine nachhaltigen Leitplanken an die Konjunkturpakete zur Überwindung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise gesetzt. Ministerien und Behörden müssen aber Gelder gezielt an die Qualität und Leistung koppeln, um die Transformation – etwa in der Autoindustrie – zu beschleunigen. Wie dies in der Praxis funktioniert, haben der WWF Deutschland und das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie in dem vierstufigen Leitfaden „Nachhaltigkeitsfilter für öffentliche Mittel“ ausgearbeitet.

„Die milliardenschweren Konjunkturpakete sind letztlich Steuergelder und werden von uns allen getragen, deswegen müssen diese Mittel auch in unsere Zukunft fließen“, sagt Eberhard Brandes, Geschäftsführender Vorstand des WWF Deutschland. „Covid-Pandemie, Klimakrise und Verlust der Biodiversität – die Herausforderungen für unser Leben, unsere Gesundheit und unseren Planeten sind riesig. Wir müssen sicherstellen, dass jeder Euro auch auf die Lösung dieser Krisen einzahlt. Unser Leitfaden bietet ein einfaches und geradliniges Prüfverfahren, um öffentliche Fördermittel für wirtschaftliche Aktivitäten an Nachhaltigkeits- und Klimazielen auszurichten.“

Grundlage für den Nachhaltigkeitsfilter ist eine praktische Anwendung der von der EU entwickelten Taxonomie, ein Regelwerk mit Grenzwerten, welches die Nachhaltigkeitsperformance wirtschaftlicher Aktivitäten definieren soll. Kurzum: Ist ein wirtschaftliches Vorhaben zukunftsfähig? Auf dem Autogipfel in dieser Woche soll zum Beispiel besprochen werden, wie die Autozulieferer beim nachhaltigen Strukturwandel unterstützt werden können. Der allgemeine anwendbare Entscheidungsbaum unseres Leitfadens bringt dafür die EU-Taxonomie als Regelwerk zur Anwendung.

Der Leitfaden, um die Taxonomie für die Vergabe von Mitteln anzuwenden, folgt vier aufeinander aufbauenden Stufen. Fällt eine geplante Förderung durch alle vier Prüfschritte, darf sie nicht erfolgen. Das Verfahren ist ein Modell, das für unterschiedlichste Kapitalvergabeentscheidungen, Förderprogramme, Konjunkturmaßnahmen und Mittelallokationen von Ministerien bis zu kommunalen Behörden angewendet werden kann.

Die erste Stufe des Leitfadens prüft zunächst die Nachhaltigkeitsrelevanz des Mittelempfängers. Hat die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens keine relevanten negativen ökologischen Auswirkungen, kann es Fördermittel erhalten. Ist es aber nachhaltigkeitsrelevant, so wird in der zweiten Stufe geprüft, ob dessen von den öffentlichen Mitteln unterstützte wirtschaftliche Tätigkeiten im Einklang mit den Grenzwerten der EU-Taxonomie stehen. Sind bestimmte Vorhaben in Ausnahmefällen nicht in den Grenzwerten der Taxonomie erfasst, prüft die nächste Stufe, ob aber Innovationen gefördert werden, die entlang der gesamten Wertschöpfungskette des Unternehmens einen positiven Effekt erzielen, etwa im Bereich von Materialen und Rohstoffen. Eine Prüfung in der letzten Stufe erfolgt, wenn keine der oben genannten Ebenen angewendet werden kann. In dieser Kategorie sollen Mittel nur unter der Voraussetzung vergeben werden, dass sich Unternehmen wissenschaftsbasierte Klimaziele setzen und ihren Fortschritt bei der Transformation nachweisen.

Eberhard Brandes warnt angesichts des Autogipfels in dieser Woche: „Wenn die Mittel falsch vergeben werden, führen die Weichen für die Autoindustrie auf negative, irreversible Abhängigkeitspfade, die den Nachhaltigkeits- und Klimazielen schaden. Der Weg hin zu neuen sauberen Antrieben nach dem Zeitalter der Verbrennungsmotoren ist zwingend. Die Bundesregierung muss an die Hersteller, Zulieferer und Akteure mit einer konsequenten Anwendung der Taxonomie bei der Mittelvergabe eindeutige Signale senden. Die Werkzeuge liegen auf dem Tisch, um Konjunkturprogramme auf zukunftsfähige und nachhaltige Technologien zuzuschneiden. Der Leitfaden zeigt, wie einfach die Anwendung der Taxonomie als Regelwerk sein kann.“

Hintergrund

Der WWF Deutschland und das Wuppertal Institut haben für den „Nachhaltigkeitsfilter für öffentliche Mittel“ drei Fallbeispiele erarbeitet: Investitionen durch nachhaltigkeitsrelevante Unternehmen, Flottenaustausch für Handwerker sowie Bonusprogramm für Zukunftsinvestitionen der Fahrzeughersteller und Zulieferindustrie. 

Die Verordnung der EU-Taxonomie definiert Nachhaltigkeitskriterien mit Grenzwerten für wirtschaftliche Tätigkeiten. Sie ist ein Regelwerk, dass bereits in den meisten klima- und nachhaltigkeitsrelevanten Wirtschaftssektoren wissenschaftsbasierte Standards setzt. Der Verordnung zufolge muss eine wirtschaftliche Aktivität einen Beitrag zur Erreichung von einem von sechs definierten Zielen leisten, ohne den anderen signifikant zu schaden: Beispiele sind Klimaschutz, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft oder Schutz und Wiederherstellung von Ökosystemen.

Kontakt

Julian Philipp

Pressesprecher, Berlin