WWF veröffentlicht Studie zur Reform des europäischen Emissionshandels

Berlin, 20.4.2021: Zum Erreichen des neuen europäischen Klimaziels braucht auch der europäische Emissionshandel (ETS) als eines der wichtigsten Klimaschutzinstrumente ein neues Ziel. Je nach Ausgestaltung der übrigen Klimaschutzpolitik der EU sollte dies in 2030 bei mindestens 65 Prozent, besser noch 70 Prozent liegen, wie eine neue WWF-Studie zeigt, die vom Öko-Institut erstellt wurde. „Der Emissionshandel ist das Zugpferd europäischen Klimaschutzes in den Sektoren Strom, Industrie und Flugverkehr. Allerdings ist er nur 3 von den 15 Jahren seiner Existenz wirksam gewesen. Für die 2020er kommt es nun darauf an, einerseits das Ziel zu verschärfen, andererseits den Überschuss an Zertifikaten viel schneller und kontinuierlicher zu beseitigen. Sonst wird er keinen Unterschied machen“, sagt Viviane Raddatz, Leiterin Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF Deutschland. Erreicht werden kann das neue Ziel mit Reformen des ETS und der Marktstabilitätsreserve (MSR).

Zum einen dürfen insgesamt weniger Zertifikate auf den Markt kommen, dies ist mit einer Anpassung der Obergrenze zu steuern (sogenannter Cap) und des linearen Reduktionsfaktors. Dieser gibt an, um wie viel Prozent sich die Menge an Zertifikaten Jahr für Jahr verringert – zurück gerechnet vom Zielwert 2030. Darüber hinaus ist es an der Zeit, die Obergrenze durch ein sogenannten Rebasing an die tatsächlichen Emissionen anzupassen. Hintergrund ist, dass die Obergrenze seit 2009 höher ist als die tatsächlichen Emissionen, was zu einem enormen Überschuss von Zertifikaten auf dem Markt geführt hat. Das Problem könnte sich aufgrund der Covid-Pandemie weiter verschärfen, denn die Emissionen sinken mit dem momentanen Abwärtstrend der Wirtschaft. Für das 70-Prozent-Ziel im ETS empfiehlt der WWF einen Reduktionsfaktor von 3,57 Prozent und ein Rebasing um 350 Millionen Zertifikate in 2023. Durch das Rebasing kann der Reduktionsfaktor sanfter ausfallen, was die politische Akzeptanz erhöht.

Weiter braucht es die Reform der Marktstabilitätsreserve, in der überschüssige Zertifikate „geparkt“ und teilweise gelöscht werden. „Der Reserve fehlen die Zähne, wenn sie den Überschuss zu langsam aufnimmt und sich die Zertifikate darin unendlich hoch stapeln. Die EU muss hier dringend aufräumen, sonst nützen auch ein höherer Cap und das Rebasing wenig“, so Raddatz. Grund dafür ist ein historischer Überschuss, den der ETS vor sich herschiebt. Um ihm Einhalt zu gebieten, müssen mehr Zertifikate schneller in die Reserve fließen – und zwar mindestens 24 Prozent pro Jahr. Außerdem sollten Zertifikate, die länger als fünf Jahre in der Reserve liegen, automatisch gelöscht werden.

Daneben ist die Einführung eines CO2-Mindestpreises sinnvoll. Er würde als Sicherheitsnetz fungieren, um CO2-Preisabstürze zu vermeiden, und für Planungs- und Investitionssicherheit sorgen. Gleichzeitig wird es darauf ankommen, die weiteren Instrumente der EU-Klimapolitik zu reformieren – namentlich die Lastenteilungsverordnung (Climate Action Regulation CAR) und die Verordnung zu Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF). Von einer Vermischung der drei Säulen – ETS, CAR, LULUCF – etwa über eine Anrechnung von Senken in Zielen der CAR oder eine Ausweitung des Emissionshandels auf Bereiche der CAR rät der WWF ab. Auf diese Weise würden große Unsicherheiten entstehen, sowohl was die Beständigkeit der CO2-Speicherung in Wald und Boden angeht, als auch mit Blick auf die Verantwortung für die Zielerreichung.

Hintergrund:

Die Studie “RAISING THE CLIMATE POLICY AMBITION OF THE EUROPEAN UNION - Reforming the EU Emissions Trading System” wurde vom Öko-Institut im Auftrag des WWF Deutschland erstellt.

Kontakt

Lea Vranicar

Pressesprecherin, Berlin