WWF: Schwächung der Kriterien für nachhaltige Investitionen vermeiden!

Berlin, 21. April 2021: Die EU-Kommission plant heute die Vorstellung des delegierten Rechtsakts zur EU-Taxonomie in Brüssel. Bis in den Morgen lobbyieren einige Mitgliedsstaaten jedoch weiterhin an einer Schwächung der Kriterien, weshalb noch immer mit einer Verschiebung gerechnet werden muss. Bewertungen für Technologien und wirtschaftliche Aktivitäten im Bereich Energieerzeugung, insbesondere auf Basis von Erdgas und Atomkraft könnten im aktuellen Entwurf vollständig ausgeklammert werden, dafür sind gelockerte Kriterien für Biomasse im Klassifikationssystem zu befürchten, mit welchem die EU mehr Kapital in nachhaltiges Wirtschaften lenken möchte. Der WWF kritisiert, dass die EU-Kommission die Taxonomie und somit den Grundpfeiler ihres gesamten Aktionsplans für ein nachhaltiges Finanzsystem schwächt, sollte die heute vorgestellte Version sich nicht noch grundsätzlich verbessert haben.

„Die EU-Taxonomie lebt von ihrer Glaubwürdigkeit und Integrität. Als Goldstandard für nachhaltiges Investieren muss sie klaren wissenschaftlichen Kriterien folgen“, sagt Matthias Kopp, Leiter Sustainable Finance beim WWF Deutschland. Die EU-Kommission folgt bei Bioenergie und Forstwirtschaft aber nicht den Empfehlungen der unabhängigen Technischen Expertengruppe, die detaillierte wissenschaftsbasierte Kriterien für die Nachhaltigkeitsbewertung ausgearbeitet hatte.

„Ziel und Anspruch der EU- Taxonomie ist die Definition eindeutiger Nachhaltigkeitsniveaus für die zu bewertenden Aktivitäten – nicht jede Aktivität irgendwie in die Taxonomie einzubinden. Das Verbrennen von Holz zur Energiegewinnung als Beispiel verursacht hohe Emissionen und verschärft die Klimakrise, wenn fehlerhafte Forstwirtschafts- und Bioenergie-Kriterien festgelegt werden. So diente die Taxonomie dann als Greenwashing-Werkzeug. Ohne klare wissenschaftsbasierte Glaubwürdigkeit ist die Kraft der gesamten Klassifizierung verloren“, sagt Kopp. „Die aktuell bekannten Kriterien führen zu Investitionen, die höchstwahrscheinlich in einer klimaneutralen Transformation zu “gestrandeten Vermögenswerten” und damit zu Belastungen für Wirtschaft und Investoren selbst werden.“

„Die EU-Taxonomie muss als glaubwürdiger Wegweiser von Anfang an robust und wissenschaftsbasiert sein, ohne Kompromisse und Ausklammerungen“, sagt Kopp. Deswegen dürfen auch klare Bewertungen für Erdgas und Atomkraft nicht hinausgeschoben werden. „Das EU-Parlament muss in den anstehenden Verhandlungen die Taxonomie stärken und sie wieder zu einem tragfähigen Grundpfeiler des Aktionsplans für ein nachhaltiges Finanzsystem machen. Auch die Bundesregierung sollte zeigen, wie ernst es ihr mit einem nachhaltigen Finanzmarkt ist. Die angekündigte Sustainable-Finance-Strategie der Bundesregierung muss entsprechende Maßstäbe und Impulse zur Stärkung setzen und sollte umgehend vorgestellt werden.“

Eine gelockerte Taxonomie schwächt auch die weiteren Regeln aus dem Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzsystem. Ein anderer elementarer Bestandteil des EU-Plans ist die Novelle der Richtlinie zur nicht-finanziellen Berichterstattung für Unternehmen, deren Entwurf die EU-Kommission ebenfalls heute vorzustellen plant. „Zu viele relevante Unternehmen werden heute nicht von der Berichtspflicht zu ökologischen und sozialen Herausforderungen erfasst. Gerade kleinere und mittlere Unternehmen aus Hoch-Risiko-Branchen mit besonderer Relevanz für Klima und Biodiversität wie Energie, Chemie, Maschinenbau, Bergbau und Agrarindustrie müssen keine Informationen zu den Nachhaltigkeits-Risiken ihrer wirtschaftlichen Tätigkeiten offenlegen“, kritisiert Kopp. „Investoren und Banken erwarten und benötigen in Zukunft die Offenlegung von Informationen zu Risiken und Auswirkungen, sonst werden Unternehmen zunehmend schwieriger in Taxonomie-konformen Investitionen und Finanzierungen an das nötige Kapital für Wachstum und Transformation gelangen.“

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Rebecca Gerigk

Pressesprecherin, Berlin