WWF-Statement zur Erklärung des WHO-Expertenteams in Wuhan: Illegaler Schmuggel idealer Nährboden für Virensprünge

Wahrscheinlich hat das Coronavirus in Fledermäusen seinen Ursprung und sprang dann über einen tierischen Zwischenwirt auf den Menschen. Das ist die Theorie des WHO-Expertenteams, das erste Ergebnisse am Mittwoch auf einer Pressekonferenz in Wuhan vorstellte. Die Naturschutzorganisation WWF Deutschland warnte angesichts dessen davor, die Gesundheitsgefahren im Bereich Artenhandel zu unterschätzen. Laut einer aktuellen WWF-Analyse zur Situation in Südostasien liegen von schätzungsweise 500 Märkten, auf denen häufig mit Wildtieren gehandelt wird, die Hälfte in Regionen mit einem potenziell hohen Zoonose-Risiko. Nachdem China im Februar 2020 ein dauerhaftes Verbot der Zucht von Wildtieren für die Fleischproduktion erließ, sieht der WWF in einigen südostasiatischen Staaten dringenden Bedarf, die bestehenden Regelungen für den Handel nachzuschärfen, um die Zoonose-Gefahr einzudämmen.

Hierzu erklärt Dr. Stefan Ziegler, Artenschutz- und Asienexperte beim WWF Deutschland:

„Artenschutz für bedrohte Wildtiere und öffentliche Gesundheitsvorsorge gehen Hand in Hand. Große Märkte mit niedrigen Hygienestandards auf denen Wildfleisch verkauft wird, sind besonders riskant für die Übertragung von Zoonosen. Der WWF fordert daher, den Handel mit Wildtieren und deren Produkten nach Risikoklassen einzustufen. Kontrolle oder gar Handelsverbote von höheren Risikoklassen sind dann unabdingbar - insbesondere in städtischen Gebieten mit hoher Bevölkerungsdichte. Außerdem braucht es verstärkte Anstrengungen zur Bekämpfung des illegalen Artenhandels, denn was im Verborgenen geschieht und im Dunkel bleibt, ist riskant. Der Schmuggel von Wildtieren jenseits aller Kontrollen und Regularien kann ein idealer Nährboden für Virensprünge von Tier zum Menschen sein.  Zudem müssen wirksame Mechanismen zur Überwachung von Märkten und Restaurants eingeführt werden. Ziel muss es sein, Risiken im legalen Handel mit Wildtieren zu minimieren. Auch Verbraucheraufklärung kann hier einen Beitrag leisten.

Es gibt darüber hinaus jedoch noch ein zweites Umweltproblem, das Virus-Sprünge aus dem Tierreich auf den Menschen befördert: Südostasien ist durch eine massive Entwaldungsfront gekennzeichnet. Zwischen 1990 und 2010 wurde die Waldfläche Südostasiens von 268 Mio. ha auf 236 Mio. ha reduziert. Wenn Lebensräume zerstört werden und natürliche Barrieren wegfallen, bringt das Arten in Kontakt zueinander, die vorher nicht im Kontakt waren. Werden dort neue Siedlungsräume geschaffen, entsteht eine neue, räumliche Nähe zum Menschen und seinen Nutztieren. Beispiele aus vielen Regionen der Welt verdeutlichen die darin liegenden Gefahren: Schweinefarmen und Obstbaumplantagen in Malaysia haben den Weg bereitet für die Übertragung des Nipah-Virus von Flughunden auf Menschen. Die Expansion von Reisfeldern und Schweinehaltung in Vietnam hat die Ausbreitung der Japanischen Enzephalitis beschleunigt. Auch andere Infektionskrankheiten werden von Entwaldung getrieben wie bspw. eine brasilianische Studie aus dem Jahr 2010 zeigt: Die Abholzung von vier Prozent eines Waldes ging mit einer fast 50-prozentigen Zunahme der Malariafälle beim Menschen einher.“

Hintergrund Wildtierhandel und -farmen. Auf Lebend-Tiermärkten wie sie in weiten Teilen Chinas und Südostasiens existieren, werden Wild- und Nutztiere nebeneinander verkauft und geschlachtet. Restaurants, die Gerichte mit Wildtieren zubereiten, sowie Online- und Straßenverkäufe sind ebenfalls potenzielle Schmelztiegel für neue Krankheitserreger. Gerade in ländlichen Gegenden Asiens sind viele Gemeinden zur Ernährungssicherung noch immer auf Wildtiere angewiesen, insbesondere in abgelegenen Regionen mit hoher Mangelernährung bei Kindern. Zunehmend werden Wildtiere allerdings auch für den Verkauf auf städtischen Märkten gejagt. Doch nicht nur die Märkte stellen ein Risiko dar: Die Corona-Ausbrüche in den europäischen Nerzfarmen zeigen, dass solche Anlagen tickende Virusbomben sind. Und Wildtierfarmen gibt es auch in Südostasien schätzungsweise hunderte.

Kontakt

Roland Gramling

Pressesprecher, Berlin