Geheime Abschusslisten, ungenügender Herdenschutz, kaum Dialogbereitschaft: WWF und NABU kritisieren Niedersachsens Wolfsmanagement scharf.

Der WWF Deutschland und der NABU kritisieren das Niedersächsische Wolfsmanagement als intransparent und artenschutzrechtlich fragwürdig. Derzeit wisse niemand, wie viele und welche Wölfe auf den geheimen Abschusslisten der Landesregierung stehen. Informationen über sogenannte „Ausnahmegenehmigungen vom strengen Schutz“ werden nur unvollständig herausgegeben und Auskunft über die betroffenen Landkreise und Wolfsindividuen verweigert. Hierdurch würden die Anforderungen des Umweltinformationsgesetzes sowie des Artenschutzrechtes, so die Einschätzung von WWF und NABU, nicht pflichtgemäß umgesetzt. Anstatt durch die intransparente Zulassung von Abschüssen und die geplante Aufnahme des Wolfes in das Jagdgesetz Weidetierhaltern zu suggerieren, es gäbe schnelle und einfache Lösungen abseits des Herdenschutzes, sollte die Förderung von Herdenschutzmaßnahmen endlich beschleunigt werden. Darüber hinaus müsse endlich eine angemessene Prämie für  die Weidetierhaltung selbst umgesetzt werden, um deren Leistungen für Landschaftspflege und Naturschutz angemessen zu honorieren.

Der WWF kündigte darüber hinaus an, juristisch prüfen zu lassen, inwieweit das Land Niedersachsen zu mehr Transparenz gezwungen werden könne. Des Weiteren hat der NABU bereits eine Beschwerde bei der EU eingereicht, in der auf die Mängel in der neuen Wolfsverordnung Niedersachsens hingewiesen wird. Erst am Montag hatte der Umweltausschuss des Niedersächsischen Parlaments dem Landtag empfohlen, einen Antrag anzunehmen, in dem sich die niedersächsische Landesregierung auf Bundesebene dafür einsetzen soll, dass den Länder ein aktives Bestandsmanagement des Wolfsbestandes ermöglicht wird. Es ist offensichtlich, dass sich Niedersachsen damit gegen geltendes EU und Bundesrecht wendet.

 

Die Stellungnahme der Naturschutzverbände im Wortlaut:

„Niemand weiß derzeit, für wie viele Wölfe in Niedersachsen eine „Ausnahmegenehmigung zur letalen Entnahme eines Individuums der streng geschützten Tierart Wolf“ vorliegt. Das zuständige Umweltministerium verweigert jede Auskunft darüber, für welche Landkreise und welche Wolfsindividuen im Einzelnen Ausnahmegenehmigungen erlassen wurden. Dies mit der Begründung, dass Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit ernsthaft beeinträchtigt werden könnten sowie Ruf und Leben von Menschen bedroht seien, wenn Informationen über Entnahmeentscheidungen zu einzelnen Tieren an die Öffentlichkeit gelängen. WWF und NABU zweifeln diese Begründungen stark an und sehen die wahre Begründung darin, dass weder fachlich noch gerichtlich überprüft werden kann, wenn nicht über Genehmigungen informiert wird: Transparenz im behördlichen Handeln ist hier Fehlanzeige. Dennoch stellen auch die beiden Verbände klar: Bedrohungen gegen Menschen sind – egal ob pro oder contra Wölfe – strikt abzulehnen und werden nicht toleriert.

Es kann nicht sein, dass die Landesregierung im Geheimen das Wolfsmanagement des Landes gestaltet. Informationen darüber ob und wie weit die eigenen Fachbehörden in Entscheidungen einbezogen werden, liegen derzeit ebenso wenig vor. Auch der Arbeitskreis Wolf, in dem alle wichtigen vom Wolf betroffenen Verbände vertreten sind, hat seit Jahren nicht getagt. Die zugesagte Veröffentlichung des überarbeiteten Wolfkonzeptes ist bislang auch nicht erfolgt. Dabei ist offenkundig: Das Wolfsmanagement in Niedersachsen fährt gerade gegen die Wand. Ein ausreichender Herdenschutz in Niedersachsen bleibt auch 14 Jahre nach Rückkehr des ersten Wolfes in das Bundesland ein in immer weiter in die Ferne rückendes Ideal, wenn nicht auch vom Ministerium die deutlich höhere Wichtigkeit des Herdenschutzes gegenüber dem Abschuss einzelner Wölfe öffentlich benannt wird. Ein flächendeckender Herdenschutz ist erwiesenermaßen das wirksamste Mittel, um Übergriffe auf Nutztiere vorzubeugen. Zudem braucht es endlich eine Weidetierprämie in Niedersachsen, um die für die Landschaftspflege und den Naturschutz so wichtigen Leistungen der Weidetierhalter angemessen zu honorieren -  denn der Wolf ist nur eine von vielen Herausforderungen, mit denen sich die extensive und nachhaltige Weidetierhaltung konfrontiert sieht.“

 

Hintergrundinformationen Projekt „Herdenschutz Niedersachsen“

Ein harmonisches Nebeneinander von Mensch und Wolf ist möglich. Konflikte zwischen Wolf und Weidetierhalter können entschärft werden. Das zeigen Projekte wie „Herdenschutz Niedersachsen“. Es hat sich zur Aufgabe gemacht, für die Umsetzung von wirkungsvollen Herdenschutzmaßnahmen ein Netzwerk aufzubauen. Weidetierhalter*innen erhalten professionelle Unterstützung: Ob Vor-Ort-Beratung, praktische Unterstützung beim Bau wolfsabweisender Zäune mit geschulten Ehrenamtlichen, wertvolle Netzwerkarbeit oder Wissenstransfer. Ziel ist dabei die Erhaltung von Beweidung bei Wolfspräsenz. Das setzt die flächendeckende fachgerechte Anwendung entsprechender Maßnahmen voraus. 2017 vom NABU Niedersachsen ins Leben gerufen, beteiligt sich seit 2021 sich auch der WWF daran. Das Niedersächsische Umweltministerium sowie die Deutsche Postcode Lotterie beteiligen sich an der Kofinanzierung. Weitere Informationen unter: www.herdenschutz-niedersachsen.de

Kontakt

Roland Gramling

Pressesprecher, Berlin