WWF: Klimaschutz-Sofortprogramm wird seinem Namen nicht gerecht

Berlin, 23.6.2021: Das als Sofortprogramm angekündigte Maßnahmenpaket der Bundesregierung vertagt laut WWF die wichtigen Entscheidungen im Kampf gegen die Klimakrise. „Mit Sofort ist nichts gewesen. Die Große Koalition vertagt zum Ende ihrer Regierungszeit einmal mehr konkrete Maßnahmen in die Zukunft. Insbesondere die Union steht auf der Bremse – und wird den Fuß weiter darauf halten, wie das Wahlprogramm gerade erst gezeigt hat“, sagt Viviane Raddatz, Leiterin Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF Deutschland. „Statt eines umfassenden Pakets an ambitionierten Maßnahmen, deren Umsetzung noch in diesem Sommer beginnt, ist das Papier eine unverbindliche Ideensammlung für die nächste Regierung geworden. Ihrer Verantwortung, die durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts noch einmal unterstrichen wurde, werden Union und SPD so nicht gerecht.“

Die Herausforderungen bei den Erneuerbaren wurden zwar erkannt, jedoch ist der für 2022 geplante höhere Ausbau von 4 GW bei der Windenergie nur dann zu realisieren, wenn Planung- und Genehmigung beschleunigt werden. Die dringende Behebung der Ursachen des selbstverschuldeten Stillstands wurde endgültig in die nächste Legislatur verschoben. „Die Erneuerbaren sind das Rückgrat einer zukunftsfähigen Wirtschaft.  Es ist bezeichnend für die fehlende Ernsthaftigkeit, dass die Koalition sich auch mit neuem Rückenwind aus Karlsruhe und neuen Klimazielen erneut nicht durchringen konnte, den Ausbau der Erneuerbaren endlich zu entfesseln”, so Raddatz. Dafür bräuchte es einen Zubau von mindestens 7 GW Wind und 10 GW PV pro Jahr.

Auf die bereits im ersten Entwurf des Klimapaktes eigentlich schon angekündigte hälftige Teilung des CO2-Preises zwischen Mietern und Vermietern konnte sich die Koalition ebenfalls nicht einigen. “Das unterstreicht einmal mehr, dass der soziale Anspruch, den die Parteien bei der Bepreisung gern nach vorn stellen, nicht wirklich konsequent vom Interesse der darauf Angewiesenen gedacht ist, sondern vom Interesse bestimmter Zielgruppen her.” Geplant ist immerhin, die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung an die Menschen zurückzuverteilen. Gut ist auch, dass sich Deutschland für einen Mindestpreis im europäischen Emissionshandel einsetzen möchte. „Darauf folgt aber gleich wieder die Kehrseite, wenn die Große Koalition den Emissionshandel auf die Sektoren Verkehr und Gebäude ausweiten will“, erklärt Raddatz.

„Das Kapitel zur Landwirtschaft ist voller Lücken, die Reduktionsziele sind völlig ambitionslos. Um unsere Landwirtschaft wirklich nachhaltig aufzustellen, müssten vor allem die Tierbestände, besonders in den tierstarken und nitratbelasteten Landkreisen, reduziert werden“, so Raddatz. Generell sollte Tierhaltung nur flächengebunden stattfinden. Maßnahmen zur Senkung der Stickstoffüberschüsse und den damit verbundenen Lachgasemissionen kommen in dem Programm viel zu kurz.

Die zentrale Rolle des Finanzsystems für die Transformation unseres Wirtschaftssystems bleibt unberücksichtigt. „Die Große Koalition sollte die enormen Investitionsrisiken bei Gas- und Atomenergie in den Verhandlungen zur EU-Taxonomie berücksichtigen und den Empfehlungen des Sustainable Finance Beirats konsequent Folge leisten.“

Auch international kommt Deutschland seiner Verantwortung mit diesem Programm nicht nach, ein fairer Beitrag zur Erreichung des 1,5-Grad-Limits sähe anders aus – unter anderem mit einem viel schnelleren Ende der Fossilen (und Subventionen dieser), sowie einer höheren internationalen Klimaschutzfinanzierung von acht Milliarden Euro jährlich ab 2025.

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Lea Vranicar

Pressesprecherin, Berlin