WWF und 226 Akteure fordern Ausschluss von Erdgas in EU-Taxonomie

Der WWF schlägt zusammen mit 226 Finanzinstitutionen, Wissenschaftler:innen und NGOs in einem offenen Brief an die EU-Kommission Alarm: Einem Vorschlag der EU-Kommission zufolge sollen neue Erdgasprojekte im Rahmen der EU-Taxonomie für nachhaltige Investitionen als ökologisch nachhaltig eingestuft werden. Im Vorschlag der Kommission ist ein Schlüsselkriterium, dass neue Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen auf Erdgasbasis als grün gelten könnten, wenn sie stillgelegte Kohlekraftwerke ersetzen. Eine erste Analyse zeigt jedoch, dass in der EU viel mehr Kohlekraftwerke geschlossen werden als Erdgas-KWK-Anlagen in Betrieb gehen. Würde dieses Kriterium in der gesamten EU angewandt, wären bis zu 100 Prozent der neuen KWK-Gasanlagen, die bis Ende 2025 gebaut werden, berechtigt, als „grün“ bezeichnet zu werden: Dies zeigt das Ausmaß des Schlupflochs, das in den ehemaligen Kohleregionen der EU zum Tragen kommen wird.

Matthias Kopp, Leiter Sustainable Finance beim WWF Deutschlandland, sagt: 
„Die EU-Kommission darf das Regelwerk der EU für nachhaltige Investitionen nicht vor ihrer weiteren Ausarbeitung verwässern und schwächen. Die vorgeschlagenen Kriterien nehmen der Taxonomie die Glaubwürdigkeit. Erdgas als Brennstoff zur Energiegewinnung verursacht, auch entlang der gesamten Produktionskette, hohe Emissionen und verschärft die Klimakrise. Wenn die Taxonomie einen Anreiz bietet, Neubauten von Gaskraftwerken so als „grün“ zu labeln, funktioniert sie schlicht nicht. Ein Standard für nachhaltige Investitionen muss auf eindeutiger Integrität beruhen. Die EU-Kommission muss dringend zu den Grenzwerten zurückkehren und damit zu den auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierenden Empfehlungen, welche ihre eigene Technische Expertengruppe im Frühjahr 2020 vorgestellt hat.“

Erdgas spielt in der Transformation des Energiesystem und der gesamten Wirtschaft durchaus eine Rolle. Die Taxonomie muss bezogen auf diese transformationsrelevanten wirtschaftlichen Aktivitäten weiterentwickelt werden. Der aktuell zur Entscheidung anstehende delegierte Rechtsakt ist dafür der falsche Ort, weil Erdgas in der aktuellen Taxonomie fälschlicherweise als „grün“ bezeichnet werden würde. In ihrem Vorschlag ignoriert die EU-Kommission die massiven Umweltauswirkungen von Methan, einem hochwirksamen Treibhausgas, das bei der Förderung von fossilem Erdgas freigesetzt wird. Die Auswirkung von Methan auf die Erderhitzung ist in einem Zeitrahmen von 20 Jahren bis zu 84-mal größer als die von CO2, und wenn fossiles Erdgas nur drei Prozent seines Methangehalts entweichen lässt, verursacht es sogar noch mehr Erwärmung als Kohle.

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Julian Philipp

Pressesprecher, Berlin