WWF: Beifänge bedrohen Ostsee-Schweinswale

Eine einzige Walart ist in der Ostsee dauerhaft heimisch und bringt hier zwischen Mai und Juni ihren Nachwuchs zur Welt: der Schweinswal. Obwohl sie keine natürlichen Fressfeinde haben, müssen sich junge Ostsee-Schweinswale in einem zunehmend lauten und gefährlichen Lebensraum behaupten. Das dies zu selten gelingt, zeigen die eingebrochenen Bestandszahlen: Nur noch ca. 500 Tiere umfasst die Schweinswalpopulation in der zentralen Ostsee, sie wird auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion (IUCN) als vom Aussterben bedroht geführt. Zum Tag des Ostsee-Schweinswals am Sonntag fordert der WWF einen besseren Schutz für die bedrohten Meeressäuger. Zu den Bedrohungsfaktoren gehören neben Umweltgiften, Unterwasserlärm durch Munitionssprengungen, Rammarbeiten beim Bau von Windparks und Schiffsverkehr vor allem der Beifang in Fischernetzen.

„Fischerei naturschonender zu gestalten und sie aus den Schutzzonen für Schweinswale fernzuhalten ist die wichtigste Stellschraube für den Schutz der Schweinswale.“, sagt Heike Zidowitz vom WWF Deutschland. Gerade die feinen oft mehrere Hundert Meter langen Stellnetze werden häufig zur tödlichen Falle. „Für die Echolokation der Schweinswale sind die Stellnetze fast unsichtbar, so dass sich die Tiere verfangen und qualvoll ersticken.“ Schätzungen zufolge sterben pro Jahr mehr Ostsee-Schweinswale als Beifang in Fischernetzen, als Kälber geboren werden. Der WWF fordert daher, dass Netze mit akustischen Warnsignalgebern, sogenannten Pingern, ausgestattet werden und die Hälfte der Schutzgebiete für Fischerei gesperrt wird. Darüber hinaus sollte elektronische Fernüberwachung mit Kameras zum Monitoring von Beifängen für alle Fischereiboote mit hohem Risiko für Beifänge verpflichtend vorgeschrieben werden. Momentan sehen die Pläne der EU vor, die so erhobenen Kameradaten nicht für Monitoring und Kontrolle von Beifang sensibler Arten wie Meeressäugern und Seevögeln auszuwerten. Dazu sollen laut Aussage der Bundesregierung Fischerboote unter 24m Länge völlig von der Kameraüberwachung ausgenommen werden. Gerade in der Stellnetzfischerei kommen jedoch vor allem kleinere Boote zum Einsatz.  „Jeder beigefangene Schweinswal schwächt die Population dramatisch. Um die Population zu retten, muss der Beifang sinken - idealerweise auf null.  Wir brauchen endlich belastbare Fischereidaten zu Beifängen und wirksame Kontrollen“, kritisiert Heike Zidowitz.

Außerdem bemängelt der WWF, dass die Schweinswale keine Rückzugsräume finden, solange weiterhin Fischerei in Meeresschutzgebieten der deutschen Ostsee stattfindet. Schon vor über fünfzehn Jahren hat Deutschland Meeresschutzgebiete ausgewiesen, doch Maßnahmen, die die Fischerei beschränken existieren bis heute nicht. WWF fordert, dass 50 Prozent der ausgewiesenen Schutzgebiete von jeglicher menschlichen Nutzung ausgenommen werden. Schweinswale und Fischbestände brauchen Refugien, damit sich ihre Bestände erholen können. Belastbare Beifangdaten, wirksame Kontrolle und ein  Management der Fischerei sind dafür die Grundvoraussetzung.

Weitere Informationen:

  • Der Schweinswal ist die häufigste heimische Walart. Die bis zu 1,80 Meter langen und 80 Kilogramm schweren Säuger gehören zu den Zahnwalen und sind die nächsten Verwandten der Delfine. Natürliche Fressfeinde hat der Ostseeschweinswal derzeit nicht, die Gefahr geht von menschlichen Aktivitäten aus: Lärm durch Schifffahrt, durch seismische Untersuchungen oder den Bau von Windkraftanlagen schädigt den Orientierungssinn der Tiere und verhindert dass sie ausreichend Beute erjagen, doch die größte Gefahr geht von der Fischerei aus.
  • Ein derzeit laufendes Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Schweden fordert Schweden und die Ostsee-Anrainer auf, Maßnahmen zur Beifangreduzierung zu definieren und zeitnah umzusetzen. Die bisher vorgelegten Maßnahmen fallen jedoch weit hinter den wissenschaftlichen Empfehlungen des Internationalen Rats für Meeresforschung (ICES) zurück. Besonders Deutschland sträubt sich gegen den Ausschluss von Stellnetzfischereien in Schweinswal-Schutzgebieten und die umfangreiche Verwendung von Pingern als Maßnahme zur Vermeidung das Schweinswale in die Netze geraten.

  • Das Gesetzespaket zur europäischen Fischerei-Kontrollverordnung wird derzeit reformiert. Die elektronische Fernüberwachung der Fänge durch Kameras oder Sensoren an Netzwinden ist ein zentraler Bestandteil, um überhaupt erfassen zu können, wieviel Fisch den Meeren tatsächlich entnommen wird und Daten über Auswirkung der Fischerei auf empfindliche Arten wie Seevögel oder Meeressäuger zu sammeln. Sie muss für alle Fischereien eingeführt werden, die ein hohes Risiko für u.a. den Beifang empfindlicher Arten haben. Würden Boote kleiner als 24 Meter ausgenommen, würden nur 4 Prozent der deutschen Fischereiflotte unter diese Kontrolle fallen. Belastbare Daten zu Schweinswalbeifängen in der Ostseefischerei gäbe es dann weiterhin nicht.

Kontakt

Britta König

Pressesprecherin, Hamburg