Studie im Auftrag des WWF zeigt, Konjunkturhilfen fehlt die Klimawirkung/die nächste Bundesregierung muss liefern

Die noch aktuelle Bundesregierung hat die Chance verpasst, mit den Konjunkturpaketen systematisch Investitionen in den Klimaschutz und den zukunftsfähigen Umbau der Wirtschaft anzustoßen. Dies zeigt die Studie „Grüner Neustart nach der Pandemie?“ von DIW Econ im Auftrag des WWF Deutschland. Die Analyse betrachtet zentrale Elemente der deutschen Corona-Hilfspakete und deren Klimawirkung, darunter das Konjunktur- und Zukunftsprogramm (KZP), der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) und die KfW-Sonderprogramme. Der WWF fordert SPD, Grüne und FDP auf, diese Leerstelle mit einem systematischen Unterbau für die Vergabe von öffentlichen Mitteln frühzeitig zu schließen. Der Schutz von Klima und Ökosystemen muss als gesellschaftliches Ziel bei der Vergabeentscheidung mitgedacht und verankert werden. 
 
„Es steckt so viel Kapital in den Hilfsprogrammen, dass diese die Konjunkturkrise, Klimakatastrophe und Verlust der Biodiversität mit einer schlüssigen Strategie integriert hätten angehen müssen“, sagt Matthias Kopp, Leiter Sustainable Finance des WWF Deutschland. „Mit ‚Wumms‘ wollte Olaf Scholz aus der Krise kommen und Angela Merkel versprach bei der Verkündung des Konjunkturprogramms, den ‚Wandel und die Zukunft immer im Blick zu haben‘. Angemessener Klimaschutz sollte in den Paketen fest verankert sein. Die Studie legt offen: Fehlende Vergabekriterien, unpräzise Formulierungen, wenig Nachverfolgung durch Transparenz zum Fortschritt der Maßnahmen – durch strukturelle Defizite verpasste die Bundesregierung eine positive Wirkung für den Klimaschutz und den Umbau der Wirtschaft. Dies muss die nächste Bundesregierung nachholen.“
 
Die Studie zeigt, was im nächsten Koalitionsvertrag stehen muss, um Klimaschutz und Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen systematisch in die Vergabe von öffentlichen Mittel zu integrieren. 1. Klare Klima- und Nachhaltigkeitskriterien für die Vergabe öffentlicher Gelder. 2. Konkrete Zielsetzungen, was mit den Mitteln erreicht werden soll. 3. Umfassendes Monitoringsystem, das die tatsächliche Wirkung misst. 4. Eine Reaktion auf verfehlte und verpasste Zielsetzungen. Die konsequente Aufstellung eines Wirkungsverständnisses in alle relevanten Felder von Politikgestaltung muss sich durch den Koalitionsvertrag ziehen. Dazu gehört zuvorderst auch die Frage, wie Finanzflüsse aus dem Finanzsystem mobilisiert und gelenkt werden, statt fast einzig auf den Bund als Finanzierer derartiger Aufgaben zu setzen, wie in diesen Programmen der vergangenen zwei Jahre.
 
Das Konjunktur- und Zukunftsprogramm (KZP) umfasst Maßnahmen in Höhe von etwa 130 Milliarden Euro, der Wirtschaftsstabilisierungsfonds besteht aus Geldern in Höhe von 600 Milliarden Euro. Allein im KZP haben 26 Prozent der Maßnahmen (34,1 Mrd. Euro) eine potenziell negative Klimawirkung. Sie heben damit die Maßnahmen mit potenzieller positiver Klimawirkung (26 Prozent, 33,85 Mrd. Euro) komplett auf. Im WSF wurden bis zum Sommer lediglich 9 Prozent der zur Verfügung stehenden Mittel von Unternehmen abgerufen. Nur 0,38 Prozent davon stuft die Studie als eindeutig klimafreundlich ein. Dagegen stehen 93,87 Prozent mit einer negativen Wirkung für das Klima. Beim WSF stammen 17 von 20 Unternehmen, die Hilfen in Anspruch nahmen, aus emissionsintensiven Sektoren wie verarbeitenden Gewerbe, Verkehrs- und Transportwesen oder Energieversorgung. An die Unternehmen wurden keine klaren, einheitlichen und verbindlichen Anforderungen zur Dekarbonisierung gestellt. Im Bereich der KfW-Programme flossen bis Juni 2021 über 50 Milliarden Euro in mehr als 130.000 Anträgen. Nur ein Viertel der Anträge sind so transparent, dass sie in die Analyse einbezogen werden konnten. Hier zeigt sich, dass mindestens ein Drittel der Mittelempfänger zu emissionsintensiven Sektoren zählen.
 
Der Handlungsbedarf ist groß, nicht allein angesichts eines Investitionsbedarfs von etwa 50 Milliarden Euro pro Jahr zur Erreichung der Klimaziele. „Die nächste Bundesregierung muss bei der Vergabe öffentlicher Gelder zwingend angemessene und zielgerechte klima- und umweltpolitische Kriterien definieren und zugrunde legen“, sagt Matthias Kopp. „Ein geeigneter Maßstab dafür sind die sechs Umweltziele der EU-Taxonomie. Klimaschutz und Anpassung an die Klimakrise sind unmittelbar anwendbar, die vier weiteren – nachhaltige Nutzung von Wasser, Wandel zur Kreislaufwirtschaft, Vermeidung von Umweltverschmutzung sowie Schutz und Wiederherstellung von Ökosystem und Biodiversität – werden in den kommenden Monaten durch die EU final festgelegt.“ Maßnahmen wie im KZP, öffentliche Finanzierungen und generelle Mittelbereitstellung müssen bereits vor der Vergabe auf ihre notwendige, positive Wirkung für die nachhaltige Transformation der Wirtschaft ausgerichtet sein. Die direkte Unterstützung von Unternehmen durch öffentliche Gelder wie im WSF und durch KfW-Programme muss zudem an das Setzen von Klima- und Nachhaltigkeitszielen und das Formulieren von Umsetzungsplänen geknüpft werden.
 
„Jede Investition und Finanzierung hat eine Wirkung“, sagt Matthias Kopp. „Diese Wirkung muss zukünftig auch immer auf die notwendige Transformation ausgerichtet und bewertet werden. Deswegen muss im nächsten Koalitionsvertrag eine Prüfung der Maßnahmen, Transparenz während der Laufzeit und ein Monitoring der Wirkung stehen. Die Wirkung jedes Geldflusses der öffentlichen Hand auf Klima- und Biodiversitätsschutz muss erfasst, viel mehr noch bewusst gesteuert werden.“  
 

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Julian Philipp

Pressesprecher, Berlin

Lea Vranicar

Pressesprecherin, Berlin