Weltnaturschutzunion tagt in Marseille / WWF: Bundesrepublik muss Schutzpatronin für Artenvielfalt werden

Zum Auftakt des Weltkongress der Internationalen Naturschutzunion IUCN in Marseille fordert der WWF Deutschland ein stärkeres Engagement der Bundesrepublik gegen das Artensterben. „Die letzten internationalen Naturschutzziele liefen 2020 aus und wurden durchweg verfehlt. Auch von Deutschland“, kritisiert Florian Titze, Experte für Biodiversität und internationale Politik beim WWF Deutschland. „Die Bundesrepublik muss zur Schutzpatronin gegen das Artensterben werden – international, aber auch vor der eigenen Haustür.“ Deutschland solle daher die direkten internationalen Zahlungen zum Biodiversitätsschutz auf mindestens zwei Mrd. pro Jahr erhöhen, hierzulande Ökosystem renaturieren, anstatt weiter zu zerstören und biologische Vielfalt in allen Ressorts zur Querschnittsaufgabe der neuen Bundesregierung machen. „Artenschutz kostet zwar Geld. Kein Artenschutz entzieht uns als wohlhabende Industrienation jedoch langfristig die Grundlage unseres Wirtschaftens, unseres Wohlstandes und unserer Gesundheit. Wenn wir das das größte Artensterben seit dem Ende der Dinosaurierzeit nicht stoppen, bedroht es somit auch die Zukunft unserer Kinder.“

Es brauche daher neue, starke Ziele der UN-Konvention zum Schutz der biologischen Vielfalt (CBD). Diese sollen 2021 auf der dafür vorgesehenen UN-Konferenz beschlossen werden. Die Staaten müssten diese Ziele dann aber auch ernst nehmen und umsetzen. „Wir sind auf gesunde Ökosystem und Artenvielfalt angewiesen. Allein die Hälfte der Weltwirtschaftsleistung hängt von der Natur ab. Man kann sich dieses System wie einen Turm aus Bauklötzen vorstellen, auf dessen Spitze der Mensch balanciert. Jeder Stein ist eine Tier- oder Pflanzenart. Je mehr Steine aus dem Turm herausgeschlagen werden, sprich aussterben, umso instabiler wird er. Und irgendwann bricht der Turm ganz zusammen“, erklärt Titze.

Der aktuell diskutierte Entwurf zur UN-Konvention sieht vor, bis 2030 mindestens 30 Prozent der entscheidenden Land- und Meeresräume zu bewahren und zu schützen. Der WWF sieht darin „Feigenblatt-Naturschutz“, der wirkungslos verpuffe, wenn es keine ausreichenden Finanzmittel und Verpflichtungen zur Umsetzung gibt und drumherum weiter rücksichtslos Wälder abholzt, Meere zugemüllt sowie Wasser, Luft und Boden auslaugt würden. Zudem müsse das Ziel mit klaren Garantien für die Rechte indigener Völker verknüpft werden. Es fehlten außerdem ausreichend konkrete und ausreichend wirksame Maßnahmen für die Reduzierung unseres ökologischen Fußabdruckes durch Produktion und Konsum, zum Beispiel im Bereich der Ernährung. Auch bei Infrastruktur oder der Städteentwicklung gibt es große Lücken, so der WWF. Außerdem vermissen die Naturschützer Fahrpläne für die Transformation zu nachhaltigen Wirtschafts- und Finanzsystemen.

Hintergrund: Die letzten internationalen Naturschutzziele, die sogenannten „Aichi-Targets“ liefen 2020 aus und wurden durchweg verfehlt. Laut Weltbiodiversitätsrat (IPBES) ist das Stoppen und Umkehren des Biodiversitätsverlustes bis jedoch 2030 weiterhin möglich, jedoch nur mit einem schnellen und gesamtgesellschaftlichen Wandel, der vor allem die Transformation unserer Wirtschafts- und Finanzsysteme hin zu einer nachhaltigen Produktions- und Konsumweise miteinbezieht. Verfehlt die Weltgemeinschaft dieses Ziel, bestehen große Risiken für den Wohlstand, die Gesundheit und die Ernährungssicherheit aller Menschen. Zudem sind Klima- und die Artenkrise Zwillingskrisen – ohne Schutz der Biologischen Vielfalt ist auch die fortschreitende Erderhitzung nicht aufzuhalten.

Kontakt

Roland Gramling

Pressesprecher, Berlin