Die EU-Vogelschutzrichtlinie markierte 1979 einen Wendepunkt für den Naturschutz in Europa. Als eines der weltweit ersten grenzüberschreitenden Naturschutzgesetze legte sie gemeinsam mit der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) von 1992 den Grundstein für mehr Naturschutz in den heute 28 Mitgliedstaaten.

Beide Naturschutzgesetze sollen die biologische Vielfalt in Europa wiederherstellen und bewahren – und konnten dabei bereits wichtige Erfolge erzielen. Die EU-Kommission unterzieht sie derzeit jedoch im Rahmen des sogenannten REFIT-Programms einem „Fitness-Check“. Ausgewiesene Schutzgebiete könnten so von wirtschaftlichen Interessen und naturzerstörenden Aktivitäten bedroht werden, gefährdete Arten wie Luchs und Wolf ihren dringend benötigten Schutz verlieren.

Braunkehlchen © Ola Jennersten / WWF Schweden
Braunkehlchen © Ola Jennersten / WWF Schweden

Mit der Vogelschutzrichtlinie wurden die EU-Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet, Maßnahmen für den Schutz wildlebender Vogelarten zu ergreifen. Dabei wird die Ausweisung von Vogelschutzgebieten ebenso geregelt wie die Vogeljagd. So wurde in allen EU-Ländern die Jagd auf Zugvögel inzwischen erheblich verringert. In Anhang I der Richtlinie sind besonders geschützte Arten gelistet, so der Rotfußfalke, die Weißwangengans oder die Rohrdommel. Diesen Arten geht es außerhalb der EU-Grenzen heute deutlich schlechter als innerhalb der EU-Länder.

Gefährdete Lebensräume, Pflanzen- und Tierarten zu erhalten, ist das erklärte Ziel der FFH-Richtlinie. Hierzu dienen Vorschriften zum Artenschutz sowie Natura 2000, das heute weltweit größte Netzwerk von Schutzgebieten, das in der EU rund 19 Prozent der Landfläche und vier Prozent der Meeresgebiete umfasst. Durch sie werden natürliche Buchenwälder ebenso bewahrt wie Flussauen, Moore und küstennahe Meeresgebiete. Tierarten wie Wolf, Luchs, Fischotter und Biber verdanken ihre Rückkehr in deutsche Wälder und Flüsse den strengen Gesetzen.

Naturschutzgesetze in Deutschland und Europa bedroht!

Die Europäische Kommission unter Jean-Claude Juncker hat im Rahmen des REFIT-Programms die Vogelschutzrichtlinie und FFH-Richtlinie auf den Prüfstand gestellt: Juncker hat den Umweltkommissar Karmenu Vella beauftragt, deren „Modernisierung“ und „Verschmelzung“ zu prüfen. Eine Zusammenführung der Richtlinien könnte schwerwiegende Konsequenzen auch für den Naturschutz in Deutschland mit sich bringen und die wichtigen europäischen Naturschutzstandards herabsetzen. Auf dem Spiel steht die Bewahrung ökologisch bedeutsamer Lebensräume auf 15,4 Prozent der gesamten Landfläche Deutschlands – was mehr als der Fläche der Bundesländer Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern zusammen entspricht.

Im Rahmen des „Fitness Check“ wurden 2014 und 2015 Expertenbefragungen in den Mitgliedstaaten durchgeführt. Es folgte eine öffentliche Online-Konsultation der EU-BürgerInnen. Im Juni 2016 soll ein Endbericht dieser Untersuchungen vorliegen und bis Oktober wird die EU-Kommission dann ihre Schlussfolgerungen und Vorschläge veröffentlichen. Ob die Umweltminister der EU-Staaten den Vorschlägen der Kommission zustimmen oder nicht, entscheiden sie im EU-Umweltministerrat im Dezember 2016. Die Ergebnisse des REFIT-Prozesses von Vogelschutz- und FFH-Richtlinie wird Umweltkommissar Vella dann im Frühjahr 2017 an den EU-Kommissionspräsidenten Juncker übergeben.

Gemeinsam die Stimme für die Natur erheben

Eurasischer Luchs © Ralph Frank / WWF
Eurasischer Luchs © Ralph Frank / WWF

Der WWF setzt sich dafür ein, erfolgreiche Gesetze für den europäischen Naturschutz zu erhalten. Gemeinsam mit BUND, NABU und dem Deutschen Naturschutzring sowie 120 weiteren Organisationen aus der Europäischen Union haben wir bereits 2015 dazu aufgerufen, an der öffentlichen Befragung mitzuwirken – mit Erfolg! Über 500.000 Europäerinnen und Europäer haben sich beteiligt und sich gegen die Aufweichung des Naturschutzes sowie für eine Beibehaltung der bisherigen Richtlinien ausgesprochen. Eine gewaltige Resonanz, die noch keine EU-Konsultation zuvor erreichte.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hat sich ebenfalls klar gegen eine Verschmelzung der Naturschutzrichtlinien in Europa ausgesprochen. Auf ihre Initiative hin warnten zudem neun EU-Umweltminister, unter anderem aus Spanien, Luxemburg und Frankreich, vor einer Aufweichung der wichtigen Gesetze. Sie hätten „ihren Wert unter Beweis gestellt“, schreiben sie in einem Brandbrief an Umweltkommissar Vella.

Und auch in Deutschland fordern die Bundesländer, dass die rechtlichen und fachlichen Standards bestehen bleiben und lehnen eine Zusammenlegung der Richtlinien ab. 

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