WWF erneuert Forderung nach drastischer Reduktion von Pflanzenschutzmitteln

Vor fünf Jahren (18.10.2017) hat der Entomologische Verein Krefeld eine bahnbrechende Studie veröffentlicht, in der bewiesen wurde, dass die Biomasse flugaktiver Insekten in Naturschutzgebieten innerhalb von 27 Jahren um mehr als 75 Prozent abgenommen hat. Dies löste in Deutschland eine breite Debatte zum Insektensterben aus. In Bayern wurde ein sehr erfolgreiches Volksbegehren initiiert, die Bundesregierung legte ein Aktionsprogramm auf. Trotzdem ist die Lage der Insekten fünf Jahre später nicht besser geworden.

Für den WWF Deutschland ist das Anlass, erneut eine drastische Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft um mindestens 50% bis 2030 und den versprochenen Glyphosat-Ausstieg bis 2023 ohne Ausnahmen zu fordern. Zudem müsse der Umbau zu einer nachhaltigen und biologischen Landwirtschaft stärker vorangetrieben werden. Dr. Peter Weißhuhn, Projektleiter Insektenschutz des WWF Deutschland, kommentiert:

„Trotz aller seit der Krefeld-Studie ergriffenen Maßnahmen hat sich die Situation für Insekten nicht verbessert. Neuere Studien zeichnen in Teilen sogar ein noch dramatischeres Bild. Die Herausforderungen sind also nicht geringer geworden. Wir müssen es schaffen, die Ursachen des Insektensterbens wie den Verlust der natürlichen Lebensräume, die intensive Landwirtschaft, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, die Klimakrise und die Lichtverschmutzung gleichzeitig und umfassend zu vermindern. Sorge macht mir, dass der Insektenschutz aufgrund anderer Krisen weniger Aufmerksamkeit bekommt und positive Ansätze wieder rückgängig gemacht werden. Die Rücknahme der Verpflichtung der Landwirtschaft, zur Verbesserung der Biodiversität vier Prozent der Ackerfläche stillzulegen, ist dafür ein Beispiel.“

Die Krefeld Studie habe vor fünf Jahren eindrucksvoll gezeigt, wie dramatisch die Situation in Deutschland für die sehr wichtige Tiergruppe Insekten sei, sagte Dr. Peter Weißhuhn: „Ihr Rückgang ist eine Gefahr für unsere Ernährungsgrundlage und die Biodiversität insgesamt.“ In Deutschland seien ungefähr 33.000 Insektenarten bekannt, etwa zwei Drittel aller hier beschriebenen Tierarten. „Das verdeutlicht, wie unersetzlich Insekten für unsere Ökosysteme sind. Die meisten Wildpflanzen sind von ihrer Bestäubungsleistung abhängig. Vögel, Amphibien und zahllose andere Tiere ernähren sich von ihnen. Insekten leisten auch unersetzliche Dienste für den Nährstoffkreislauf wie die Zersetzung von Aas, Kot und totem Pflanzenmaterial.“

Weißhuhn: „Gegen das Insektensterben kommen wir nur durch entschlossenes Handeln der Politik und eine breite gesellschaftliche Unterstützung für den Insektenschutz an. Vor allem müssen die Pestizidbelastungen in Luft, Boden und Gewässern massiv reduziert werden. Biotope und Naturschutzgebiete sind für viele Insekten letzte Rückzugsorte und wahre Schatzkammern der Biodiversität. Sie müssen noch mehr geschützt und vor allem deutschlandweit vernetzt werden, um den genetischen Austausch zu gewährleisten. Hier sind entsprechende Förderprogramme gefragt. Auch bei der Reduzierung der Lichtverschmutzung stehen wir noch am Anfang. Und nicht zuletzt brauchen wir ein europaweites Insektenschutzprogramm für die Landwirtschaft im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik.“

Weitere Informationen:
Link zur Studie von 2017: journals.plos.org/plosone/article

Kontakt

Tobias Arbinger

Pressesprecher für Naturschutz, Biodiversität, Süßwasser, Asien, Kinder & Jugend / Berlin

  • Feldberger Seenlandschaft © Ralph Frank / WWF Deutschland

    Im Norden, Süden, Osten und Westen Deutschlands ist der WWF aktiv und engagiert sich für den Erhalt wertvoller Landschaften, die für zahlreiche Arten wichtiger Lebensraum sind. Mehr zu deutschen Naturschutz-Projekten