WWF-Report: Kosten von Plastikverschmutzung sind in ärmeren Ländern bis zu zehn Mal höher als in reichen Ländern / WWF fordert globales UN-Abkommen mit verbindlichen Regeln für Produktion und Verbrauch

Plastik gilt als billig, doch das täuscht. Die Herstellung und Entsorgung von Kunststoffen sowie Plastikverschmutzung verursachen hohe Kosten für die Umwelt, Gesundheit und Wirtschaft – doch diese Kosten sind ungleich verteilt. Vor allem ärmere Staaten zahlen den Preis für den weltweiten Überkonsum von Plastik:  In Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen liegen die „wahren Kosten“ von Plastik acht bis zehnmal höher, obwohl pro Kopf fast dreimal weniger Plastik verbraucht wird als in Ländern mit hohem Einkommen. Zu diesem Schluss kommt ein heute veröffentlichter WWF-Report.

Demnach ist die gesamte Plastik-Wertschöpfungskette – von der Gewinnung der Rohstoffe, über die Produktion, die Verwendung, die Entsorgung und die Umweltverschmutzung durch Plastikmüll – von strukturellen Schieflagen gekennzeichnet, die das weltweite soziale Ungleichgewicht befeuern.  „Das derzeitige Plastiksystem ist ungerecht gegenüber den schwächsten und benachteiligten Ländern unseres Planeten. Es verlagert den Großteil der Kosten auf diejenigen, die am wenigsten dazu in der Lage sind, die Last zu bewältigen, ohne diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die die Produkte überhaupt erst herstellen und verwenden“, sagt Alice Ruhweza, Senior Director of Policy, Influence and Engagement bei WWF International. Neben direkten Umweltschäden beinhalte das derzeitige Plastiksystem auch ernste Gesundheitsrisiken für marginalisierte Bevölkerungsgruppen in ärmeren Ländern. In Laos beispielsweise ist die giftige Luftverschmutzung durch die Verbrennung von Kunststoffen unter freiem Himmel inzwischen für fast zehn Prozent der jährlichen Todesfälle verantwortlich. Insgesamt verursachen Krankheiten im Zusammenhang mit unsachgemäßer Abfallbewirtschaftung jährlich bis zu einer Million Todesfälle, vor allem in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Auch die prekären Arbeitsbedingungen in der Abfallentsorgung sind oft gefährlich für die Arbeitenden.

Die im Report genannten Mehrkosten in ärmeren Ländern entstehen vor allem durch Umweltbelastungen, wie Luftverschmutzung und Eintrag von Schadstoffen und Müll in Gewässer und Natur. Seit dem Jahr 2000 hat sich die weltweite Plastikmüllmenge auf 353 Millionen Tonnen verdoppelt. Während die weltweite Produktion und der Verbrauch von Kunststoffen - insbesondere von Einwegplastik - stetig steigt, ist die Infrastruktur für sichere Abfallentsorgung in ärmeren Staaten stark limitiert. Stattdessen sind diese Länder auf offene Verbrennung und Deponien angewiesen, so dass Kunststoffabfall häufiger in die Umwelt gelangt. 20 Prozent der weltweiten Kunststoffabfälle erreichen nie ein Abfallbewirtschaftungssystem, sondern landen auf fragwürdigen Mülldeponien, in der Umwelt oder werden in offenen Gruben verbrannt. Neben Investitionen in die Entsorgungsstrukturen ärmerer Länder, muss zuerst die Menge des anfallenden Plastikmülls deutlich reduziert werden, fordert der WWF.

Obwohl sie einen Großteil des Plastikmülls entsorgen müssen, haben ärmere Staaten weniger Einfluss auf Produktionsbedingungen und das Design von Kunststoffartikeln und Verpackungen, die auf ihre Märkte gelangen. Die Produktionsentscheidungen werden meist von multinationalen Industrieunternehmen mit Sitz in den hoch entwickelten Ländern getroffen, die zudem Teile ihres Plastikmülls exportieren, oft in einkommensschwächere Staaten.

Die grenzüberschreitende Natur des Plastikmülls erschwert nationale Bemühungen der ärmeren Länder zusätzlich. An den Küsten wird zuhauf Plastikmüll aus anderen Ländern angeschwemmt.  Kenia, wo nächste Woche die UN-Verhandlungen über ein weltweites Abkommen gegen Plastikmüll stattfinden werden, war international ein Vorreiter und hat Plastiktüten schon 2017 verboten. In den Nachbarländern fehlen jedoch ähnliche Regelungen und illegaler Handel mit Plastiktüten sowie grenzüberscheitende Müllverbringung machten die anfänglichen Erfolge des kenianischen Plastiktütenverbots zunichte.

„Ärmere Staaten sind für die grenzüberschreitende Plastikflut schlechter gerüstet und zahlen einen unproportional hohen Preis, obwohl sie nur für einen Bruchteil des Verbrauchs verantwortlich sind. Ein starkes UN-Abkommen mit verbindlichen, harmonisierten Regeln für Produktion und Verbrauch kann ein gerechteres System schaffen und ärmere Länder im Kampf gegen Plastikmüll stärken“, sagt Laura Griestop, Expertin für Plastik und Verpackungen beim WWF Deutschland. Für ein wirksames Plastikabkommen fordert der WWF daher, Kunststoffprodukte mit hohem Verschmutzungsrisiko sowie besonders problematische oder toxische Polymere und Chemikalien zu verbieten, oder ihre Produktion auslaufen zu lassen. Ebenso muss das Plastikmüll-Abkommen globale Regeln für die Produktgestaltung enthalten, die die Wiederverwendbarkeit und Recyclingfähigkeit verbessern und zu einer Kreislaufwirtschaft führen. „Sich auf nationale oder freiwillige Einzelmaßnahmen zu verlassen, hat in die Sackgasse eines ungerechten Systems geführt. Mit globalen Regeln, die die Verursacher stärker in die Pflicht nehmen, können wir eine gerechtere Wertschöpfungskette für Plastik schaffen und auch die Umwelt entlasten.“ Dazu gehören auch obligatorische Rechenschafts-Mechanismen wie z.B. die Erweiterte Herstellerverantwortung (EPR), so dass Unternehmen finanzielle Verantwortung für Sammlung und Entsorgung ihrer Plastikprodukte und -verpackungen übernehmen. Dies ist bislang nur in wenigen Ländern der Fall.

Kontakt

Britta König

Pressesprecherin für Meeresschutz und Plastikmüll / Hamburg

  • Amur-Tiger © Ola Jennersten / WWF Schweden Bedrohte Arten

    Der Rückgang der biologischen Vielfalt wird maßgeblich durch menschliches Handeln verursacht. Der WWF setzt sich weltweit für den Schutz bedrohter Arten ein. Erfahren Sie mehr zum Artenschutz