Beim Ausbau der Offshore-Windenergie sind weiterhin Umweltverträglichkeitsprüfungen und Artenschutzvorgaben dringend einzuhalten. Das fordert der WWF mit Blick auf die für diesen Mittwoch geplante Kabinettsberatung. Dann soll laut Kabinettszeitplanüber die Umsetzung der EU-Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III) für die Offshore-Windenergie beraten und entschieden werden. Der aktuelle Gesetzesentwurf gefährde etablierte Umweltstandards ohne stichhaltigen Grund: Denn nicht die Umweltstandards stehen dem schnelleren Ausbau entgegen. Die wahren Gründe adressiert die Regierung jedoch unzureichend.
„Der Ausbau der Offshore-Windenergie ist unverzichtbar für den Klimaschutz und eine verlässliche Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien – und er muss naturverträglich erfolgen“, sagt Viviane Raddatz, Klimachefin beim WWF Deutschland. „Die Absenkung von Umweltstandards würde das bereits stark beanspruchte Meer weiter belasten, ohne dass dadurch wirklich schneller mehr Windanlagen gebaut werden würden.” Die Umweltverträglichkeitsprüfung gliedert sich aus der Sicht des WWF problemlos in die Zeitplanung für den Ausbau der Offshore-Windenergie ein. Zur Verlangsamung führen dagegen fehlende Netzanschlüsse, Personalmangel und fehlende Digitalisierung.
Nur ein naturverträglicher Ausbau auf geeigneten Meeresflächen kann dem doppelten Ziel von Klima- und Biodiversitätsschutz gerecht werden. „Unsere Meere sind am Limit. Wir müssen schädliche Belastungen wie Verschmutzung und Rohstoffabbau insbesondere fossiler Energien zügig zurückfahren. Es bedarf zudem einer enormen Steigerung der Anstrengungen im Meeresschutz, um die europarechtlichen Vorgaben und Ziele zu erreichen. Nur gesunde Meere bleiben unsere Verbündeten im Kampf gegen die Klimakrise”, so Raddatz.
Die Bedenken gelten auch für weitere Infrastrukturvorhaben wie für die Kohlenstoffabscheidung und –speicherung (CCS), für die das notwendige Gesetz ebenfalls am Mittwoch im Kabinett verabschiedet werden soll – das sogenannte Kohlendioxid-Speicherungsgesetz (KSpG). Der WWF fordert deutliche Nachbesserungen am Gesetzesentwurf. Insbesondere sollten die CO2-Leitungen nur für aktuell nicht vermeidbare Emissionen aus Industrieprozessen genutzt werden und keineswegs wie vorgesehen auch für fossile Emissionen aus den Gaskraftwerken. Auch ist aus Sicht des WWF die CCS-Infrastruktur nicht im überragenden öffentlichen Interesse – jedwede CCS-Infrastruktur im Meer muss deshalb so gering wie möglich gehalten werden. Meeresschutzgebiete müssen vollständig frei bleiben von jedweder CCS-Infrastruktur. Diese darf die natürliche Senkenfunktion der Meere nicht weiter beeinträchtigen. Technologische Senken sind eine Ergänzung zu natürlichen und dürfen diese nicht konterkarieren.
Die Reformen zum Offshore-Windausbau hin zu einer größeren Naturverträglichkeit müssen mit einer rechtlichen Stärkung des Schutzes und der Wiederherstellung der Natur einhergehen. Dazu gehört u.a. die Umsetzung einer “Grünen Infrastruktur”, also ein strategisch geplantes Netzwerk natürlicher und naturnaher Meeresgebiete zur Bereitstellung eines breiten Spektrums an Ökosystemdienstleistungen, sowie die Ausweitung der Landschaftsplanung auf das Meer, um den Schutz auf diesen Flächen zu effektivieren und stärker rechtlich zu verankern.
Der WWF fordert konkret:
- Umweltverträglichkeits- und Artenschutzprüfungen müssen flächendeckend bestehen bleiben – ihr Wegfall würde ohne Not Umweltstandards senken. Die Umsetzung der Vorgaben der RED III liegen im Ermessen des deutschen Gesetzgebers. Der WWF sieht keine Erforderlichkeit für die weitere Umsetzung von Beschleunigungsflächen, denn die Vorgaben nach RED III sind diesbezüglich spätestens mit der bereits erfolgten Umwandlung von Bestands- in Beschleunigungsflächen erfüllt. In diesem Zuge plädiert der WWF für den Erhalt der Umweltverträglichkeits- und artenschutzrechtlichen Prüfungen sowie für die Betrachtung aller Schutzgüter entsprechend dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG).
- Ausreichende Abgrenzung sensibler Gebiete: Der Schutz ökologisch besonders wertvoller Meeresräume wird nach den aktuellen Plänen nicht wirksam gesichert. Die RED III sieht eine Festlegung dieser Gebiete auf Basis von Sensitivitätsanalysen vor. Dies sollte dringend nachgeholt werden, wobei die Ausweisung der sensiblen Gebiete im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Naturschutz erfolgen sollte.
- Überprüfung zahlreicher Fiktions- und Vermutungsregeln, insb. auch jene für die Bauphase, die die Einhaltung von Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes fingieren. Statt pauschaler Ausnahmen wären vielmehr gründliche und weiterhin im Verfahren angelegte Untersuchungen das geeignete Mittel, um auch für Vorhabenträger mehr Investitions- und Rechtssicherheit zu schaffen.
- Mehr Klarheit schaffen: Neue Gebietskategorien im WindSeeG könnten die zentrale Voruntersuchung als Instrument für flächenspezifischere, zeitlich näher am Projekt gelegene Datenerhebungen schwächen.
- Flächenpotenzialanalyse nachholen: Eine zentrale RED III-Vorgabe zur fundierten technologieübergreifenden Flächenplanung bleibt bisher aus.