Am 22. Dezember vor 25 Jahren wurde die EU-Wasserrahmenrichtlinie im damaligen Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht. Mit ihr setzte die Europäische Union einen Meilenstein für den Gewässerschutz: Erstmals wurden verbindliche ökologische Ziele für alle Gewässer festgelegt. Bis spätestens Ende 2027 sollen Flüsse, Seen und Grundwasser einen guten ökologischen und chemischen Zustand erreichen. Doch ein Vierteljahrhundert später steht dieses visionäre Gesetz nicht nur vor massiven Umsetzungsdefiziten, sondern zunehmend auch politisch unter Druck.
„Gesunde Gewässer sind weit mehr als nur ein naturschutzfachlicher Selbstzweck. Sie sichern unsere Trinkwasserversorgung, schützen vor Hochwasser und Dürre, kühlen die Landschaft und sind unverzichtbar für die Menschen zur Erholung ebenso wie für Landwirtschaft und Wirtschaft“, sagt Dr. Ruben van Treeck, Gewässerschutzexperte vom WWF Deutschland. „Statt auf der Zielgeraden bis 2027 endlich Tempo zu machen, wird die Wasserrahmenrichtlinie unter dem Deckmantel von Bürokratieabbau und Industrieinteressen zunehmend infrage gestellt. Das ist ein fatales Signal.“
So hat die EU-Kommission bei Vorstellung des Umwelt-Omnibus am 10. Dezember angekündigt, im kommenden Jahr weitere Schlüsselrichtlinien des europäischen Umweltschutzes zu bearbeiten, darunter ausdrücklich die Wasserrahmenrichtlinie.
Die Richtlinie bewertet den Zustand der Gewässer anhand biologischer Indikatoren wie Vorkommen und Zustand von Fischen, wirbellosen Tieren, Wasserpflanzen und Plankton. Sicherheitsmechanismen wie das „one out all out“-Prinzip, nachdem ein Gewässer nur so gut eingestuft werden kann, wie seine am schlechtesten bewertete Teilkomponente, und das Verschlechterungsverbot, das Verschlechterungen einzelner Bewertungskomponenten untersagt, unterstützen als mächtige Werkzeuge den Vollzug der Behörden. Trotzdem fällt die Bilanz ernüchternd aus: In Deutschland erreichen bislang nur neun Prozent der Gewässer einen guten ökologischen Zustand. Kein einziges Gewässer erfüllt den guten chemischen Zustand.
Dabei sind intakte Gewässer auch ein zentraler Baustein für den Umgang mit der Klimakrise. Selbst die EU-Kommission betont in ihrer Wasserresilienzstrategie, dass die vollständige Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie entscheidend für Wassersicherheit, Naturschutz und wirtschaftliche Stabilität in Europa ist. Umso widersprüchlicher wirken aktuelle Ankündigungen, das Regelwerk zugunsten von Rohstoff- und Bergbauinteressen aufzuweichen.
„Die Wasserrahmenrichtlinie ist ein wirksames und international anerkanntes Gesetz, das wir dringend brauchen, um Gesundheit, Wohlstand und Biodiversität langfristig zu sichern. Dass die Richtlinie geeignet ist, die in ihr formulierten Ziele auch wirklich zu erreichen wurde im letzten Fitness Check der EU-Kommission bestätigt“, so van Treeck weiter. „Zum 25. Geburtstag sollte dieses Paradebeispiel für nachhaltige Umweltschutzpolitik nicht geschwächt, sondern endlich ernst genommen und konsequent umgesetzt werden.“ Für den WWF ist klar: Die Wasserrahmenrichtlinie ist ein zentrales Instrument der Daseinsvorsorge. Ihr Schutz und ihre konsequente Anwendung sind entscheidend dafür, ob Europas Gewässer auch für kommende Generationen lebendig bleiben.