Die umstrittene Aufnahme des Wolfs ins deutsche Jagdrecht ist einen entscheidenden Schritt näher gerückt. Trotz umfangreicher fachlicher und rechtlicher Kritik am ersten Referentenentwurf hat das Bundeskabinett heute die Novelle des Bundesjagdgesetzes und des Bundesnaturschutzgesetzes weitgehend unverändert beschlossen. Der WWF Deutschland bewertet diese Entscheidung als alarmierendes Signal und vergeudete Chance - sowohl für den Naturschutz als auch für eine tragfähige Lösung der Konflikte in der Weidetierhaltung.
„Mit diesem Beschluss versäumt es die Bundesregierung, ein rechtssicheres und naturverträgliches Jagdgesetz zu schaffen und verlagert die Verantwortung auf die Bundesländer und einzelne Jäger. Durch dieses Gesetz können sehr schnell sehr viele Wölfe geschossen werden, die keine Probleme machen, so dass das Risiko besteht, den Wolf in Deutschland wieder auszurotten”, kritisiert Sybille Klenzendorf, Wildtierexpertin des WWF Deutschland. Zudem entferne man sich zugunsten eines politischen Wunschkonzerts vom Boden der Tatsachen. Dem vorgelegten Jagdgesetz fehlt die wissenschaftliche Grundlage, es basiert auf einem rein politisch erklärten ‚günstige Erhaltungszustand‘. Dagegen bewertet eine Analyse des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) den Erhaltungszustand des Wolfes in Deutschland als ‚ungünstig‘.
„Es gibt keinerlei belastbare Hinweis, dass eine anlasslose Jagd zu sinkenden Risszahlen führt. Das ist behördliches Wunschdenken. Realistisch betrachtet kann sich die Situation für Weidtierhalter sogar verschärfen, wenn zum Beispiel durch den Abschuss von Leittieren instabile Rudel entstehen und Jungtiere verstärkt auf leichter verfügbare Nutztiere ausweichen. Das wirksamste Mittel zur Reduzierung von Nutztierrissen sind Schutzmaßnahmen wie Elektrozäune, Herdenschutzhunde oder Behirtung sowie in bestimmten Einzelfällen schnelle Entnahmen von auffälligen oder Schaden stiftenden Einzeltieren’, so Klenzendorf weiter.
In seiner aktuellen Stellungnahme hatte der WWF die vorliegende Gesetzesnovelle als fachlich wie rechtlich ungenügend bewertet. Zu den gravierendsten Kritikpunkten zählen unter anderem:
- Anlasslose Jagd im Rahmen eines Bestandsmanagements, die wissenschaftlich belegt den Herdenschutz nicht verbessert, sondern im Gegenteil das Risiko von Nutztierrissen sogar erhöhen kann.
- Vorsehen von „Weidegebieten“ oder wolfsfreien Zonen, die im Widerspruch zum -europäischen Artenschutzrecht stehen.
- Unzureichendes Monitoring mit zu langen Evaluierungszyklen statt einer engen, datenbasierten Bestandsbeobachtung.
- Vorrang des Jagdrechts vor dem Naturschutzrecht, wodurch europarechtliche Vorgaben unterlaufen werden.
Der WWF fordert die Bundesregierung und die zuständigen Entscheidungsträger:innen im Bundestag und den Bundesländern auf, die Novelle im parlamentarischen Verfahren umfassend zu überarbeiten. Notwendig sind insbesondere Korrekturen zur Vermeidung von EU-Rechtsverstößen sowie eine klare Fokussierung auf wirksamen, praxistauglichen Herdenschutz statt symbolischer Jagdregelungen.