Belém/Berlin, 17.11.2025: Zwischen 2018 und 2022 wurden im Amazonasgebiet 8,6 Millionen Hektar Wald für die Ausweitung landwirtschaftlicher Produktion zerstört – eine Fläche größer als Österreich und 36 Prozent der weltweiten Entwaldung in diesem Zeitraum. Gleichzeitig entfallen mehr als die Hälfte des globalen Waldverlustes, der auf die Produktion von Rindfleisch zurückgeht, auf den Amazonas. Im Falle von Soja ist es über ein Drittel. Dies zeigt der heute auf der Klimakonferenz in Belém veröffentlichte „Amazon Footprint Report 2025“ von WWF, Trase, der Chalmers University of Technology und dem Stockholm Environment Institute. Es ist das erste Mal, dass eine Studie die Gesamtentwicklung der Entwaldung der Amazonasregion über Ländergrenzen hinweg analysiert und die Verbindung zur Produktion unterschiedlicher landwirtschaftlicher Produkte herausstellt.
Mit einem Anteil von 78 Prozent ist die Ausweitung der Rinderhaltung der unangefochtene Hauptmotor der Entwaldung im Amazonas. Auf Platz zwei folgt der Sojaanbau mit einem Anteil von 4,6 Prozent. Die Studie zeigt deutliche regionale Unterschiede innerhalb des Gebiets: Während die Weidewirtschaft vor allem im Osten und Zentrum (insbesondere Brasilien) dominiert, treiben im westlichen Amazonas in Bolivien, Peru und Ecuador zunehmend der Anbau von Agrarrohstoffen wie Mais, Palmöl sowie andere Feldfrüchte die Waldverluste voran.
„Der Report zeigt unmissverständlich, wie eng regionale aber auch unsere globalen Lieferketten mit der Zerstörung des Amazonas verknüpft sind. Wenn wir die schlimmsten Folgen der Erderhitzung noch abwenden wollen, müssen wir Wälder weltweit endlich effektiv schützen. Das bedeutet, auch die Art zu produzieren und zu konsumieren grundlegend zu hinterfragen. Nachhaltige, transparente Lieferketten sind keine Kür, sondern Voraussetzung für den Schutz von Klima und Biodiversität, und damit für eine lebenswerte Zukunft“, sagt Christine Scholl, Teamleitung Rohstoffe & Lieferketten beim WWF Deutschland.
Wie die Studie verdeutlicht, steht der Waldverlust der Region auch in direktem Zusammenhang mit den globalen Lieferketten. Im Durchschnitt der Jahre 2020–2022 sind 14 Prozent des deutschen, und je nach Produkt bis zu 20 Prozent des europäischen Entwaldungs-Fußabdrucks direkt im Amazonas zu verorten. Neben nationaler Nachfrage treiben insbesondere internationale Märkte die Zerstörung weiter voran – darunter auch Deutschland und die EU. Für die EU sind vor allem Importprodukte wie Soja, Mais und Kakao relevant. Nicht berücksichtigt sind dabei angrenzende, für Klima und Biodiversität relevante Ökosysteme wie der Cerrado, die für europäische Lieferketten eine noch größere Rolle spielen.
Entsprechend wichtig ist es laut WWF, dass die EU geplante Maßnahmen zum Schutz der Wälder nicht länger hinauszögert: „Die Waldschutzverordnung EUDR ist das derzeit wichtigste und vielversprechendste Instrument Europas, seiner Verantwortung gerecht zu werden. Doch während die Staatengemeinschaft in Belém um die Rettung des Klimas ringt, demontiert die EU zuhause ihren bedeutendsten Beitrag zum globalen Waldschutz. Die derzeit diskutierten Verschiebungen und Aufweichungen der EUDR würden die Glaubwürdigkeit Europas untergraben und den Druck auf die Wälder weiter erhöhen. Die EU muss jetzt zeigen, dass sie bereit ist, ihre Verantwortung auch zu übernehmen“, fordert Christine Scholl.
Hintergrund: Die EU-Waldschutzverordnung EUDR
Die EU-Verordnung über entwaldungsfreie Produkte (EUDR) ist am 29. Juni 2023 in Kraft getreten. Um Unternehmen ausreichend Vorbereitungszeit zu geben, wurde ihr Geltungsstart bereits einmal verschoben: Nach aktuellem Stand soll die Verordnung ab dem 30. Dezember 2025 für mittlere und große Unternehmen gelten, für kleine und Kleinstunternehmen ab dem 30. Juni 2026. Ziel der EUDR ist es, die massive weltweite Entwaldung einzudämmen, die durch den Konsum in der EU mitverursacht wird. Die Verordnung verpflichtet Unternehmen nachzuweisen, dass Produkte wie Rind(-fleisch), Kakao, Kaffee, Palmöl, Soja, Holz und Kautschuk nicht zur Waldumwandlung oder Walddegradierung beigetragen haben oder illegal sind.