Das geplante EU-Gesetz für Kreislaufwirtschaft könnte zum Wendepunkt werden. Oder zur verpassten Chance. Zum Ende der Konsultationsfrist appelliert der WWF Deutschland an die Europäische Kommission: „Dieses Gesetz stellt die Weichen für eine europäische Kreislaufwirtschaft: gut gemacht schafft es Jobs, sichert Europas Unabhängigkeit und entlastet den Geldbeutel der Menschen. Dafür reicht es aber nicht, nur auf Recycling zu setzen. Wir brauchen eine echte Kreislaufwirtschaft, die bei Vermeidung und Wiederverwendung ansetzt", sagt Rebecca Tauer, Leiterin des Circular Economy-Programms beim WWF Deutschland.
Der Hintergrund ist dramatisch: Wir gewinnen und verarbeiten Material. Dabei entstehen über 60 Prozent der globalen Treibhausgase. Und mehr als 90 Prozent des Verlusts an Artenvielfalt. „Ändern wir nichts am Verbrauch von Rohstoffen, werden wir weder unsere Klimaziele erreichen noch die Natur schützen können", so Tauer. „Zudem macht uns die geopolitische Lage die Abhängigkeit von Rohstoffimporten schmerzlich bewusst. Ein starkes Kreislaufwirtschaftsgesetz ist auch eine Frage der strategischen Autonomie Europas."
Drei Prioritäten für ein wirksames Gesetz
In seiner in dieser Woche eingereichten Stellungnahme nennt der WWF Deutschland drei Prioritäten:
1. Verbindliche Ziele für weniger Verbrauch – wie in der Klimapolitik
„Beim Klimaschutz haben wir gelernt: Ohne klare Obergrenzen klappt es nicht. Das Gleiche brauchen wir für den Ressourcenverbrauch", sagt Tauer. Der WWF fordert rechtsverbindliche EU-Ziele zur absoluten Reduktion des Primärrohstoffverbrauchs. Das macht Europa unabhängiger von kritischen Rohstoffimporten und schützt zugleich Klima und Biodiversität.
2. Wiederverwendung vor Recycling – ein Paradigmenwechsel
Das Gesetz muss Abfallvermeidung und Wiederverwendung zur obersten Priorität machen: Ein echter EU-Binnenmarkt für Reparatur und Vermietung mit ambitionierten Quoten. „Studien zeigen eindeutig: Wiederverwendung, Langlebigkeit und Reparatur tragen deutlich mehr zur Dekarbonisierung bei als Recycling", erklärt Tauer. „Trotzdem investieren wir den Großteil unserer Energie in End-of-Pipe-Lösungen – also in die Beseitigung von Problemen, statt ihre Entstehung zu verhindern. Das müssen wir umkehren."
3. Reform der Pflicht für Hersteller (EPR – Extended Producer Responsibility)
Die Zahlen sprechen für sich: Die EU sammelt nur 41 Prozent des Elektroschrotts. Angestrebt waren 65 Prozent. Das System versagt seit Jahren. Der WWF fordert deshalb EU-weit einheitliche Regeln mit verpflichtender Teilnahme der Hersteller. Die Kriterien müssen transparent sein und Langlebigkeit, Reparatur und Wiederverwendung belohnen. „Das Geld aus EPR-Systemen muss vor allem in Prävention, Reparatur und Wiederverwendung fließen. Nicht erst am Ende in Recycling", so Tauer.
Was das konkret bedeutet: Smartphones müssten so konstruiert werden, dass Akkus einfach getauscht werden können. Die Reparatur eines Kühlschranks würde günstiger als der Neukauf. Hersteller würden für langlebige, reparierbare Produkte belohnt.
Neben den drei Hauptforderungen nennt der WWF in seiner Stellungnahme weitere wichtige Handlungsfelder: Fiskalpolitik zur Förderung der Kreislaufwirtschaft, verbindliche Kriterien für öffentliche Beschaffung, soziale Gerechtigkeit beim Übergang zur Kreislaufwirtschaft sowie die Stärkung der Sekundärrohstoffmärkte durch rechtsverbindliche Indikatoren und Quoten.