Während die deutsche Politik die Umsetzung der EU-Nachhaltigkeitsrichtlinie CSRD verschleppt und damit EU-Recht gebrochen hat, machen Unternehmen Ernst mit der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Das zeigt eine heute veröffentlichte Studie von WWF Deutschland, WWF Österreich und der TU Wien: 33 von 37 untersuchten DAX-Unternehmen erstellen ihre Nachhaltigkeitsberichte bereits freiwillig nach den neuen europäischen Standards (ESRS) – obwohl die gesetzliche Verpflichtung in Deutschland fehlt.
„Die schleppende Umsetzung der CSRD durch die deutsche Politik steht im Kontrast zu vielen Unternehmen, die bereits vorangehen und die neuen Standards freiwillig anwenden. Ein deutliches Zeichen dafür, dass viele Unternehmen den Bedarf und strategischen Mehrwert von Nachhaltigkeitsinformationen erkannt haben", sagt David Helbig, WWF-Experte für Nachhaltigkeitsberichterstattung.
Die Analyse der ersten ESRS-Berichte von DAX40- und ATX Prime-Unternehmen für das Geschäftsjahr 2024 belegt: Die Standards verbessern Nachhaltigkeitsberichterstattung erheblich. Sie schaffen Transparenz und Vergleichbarkeit bei Strategien und Transitionsplänen zu Klima- und Naturschutz. Durchschnittlich identifizierten die Unternehmen 7,2 von 10 Nachhaltigkeitsthemen als wesentlich entlang ihrer Wertschöpfungskette.
„Die Unternehmen setzen längst auf umfassende Nachhaltigkeitsberichte, weil sie davon profitieren: mehr Transparenz, mehr Vertrauen – und damit mehr Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit. Es braucht jetzt Planungssicherheit statt neuer Rückschritte bei den Regeln“, sagt Helbig.
Ausgerechnet jetzt gefährdet die Omnibus-Initiative der EU-Kommission den Erfolg der Standards. Sie droht, zentrale Umweltberichtspflichten wieder abzuschaffen – unter dem Deckmantel des „Bürokratieabbaus". „Die ESRS ermöglichen erstmals eine systematische und vergleichbare Darstellung von Nachhaltigkeitsauswirkungen und -risiken. Eine Einschränkung des CSRD-Anwenderkreises im Rahmen des Omnibus-Prozesses wäre ein fataler Rückschritt. Ohne breite Datenbasis fehlt die Grundlage für zukunftsfähige Entscheidungen", warnt Helbig.
Besonders auffällig: Der Finanzsektor stuft deutlich weniger Nachhaltigkeitsthemen als wesentlich ein als andere Sektoren. Während produzierende Unternehmen durchschnittlich 8,0 von 10 Themen als relevant bewerten und der Transportsektor 7,7, sieht der Finanzsektor nur 5,2 Themen als wesentlich an.
Deutsche und österreichische Banken und Versicherungen stufen Wasser-, Biodiversitäts- und Verschmutzungsrisiken häufig als nicht wesentlich ein – obwohl sie genau diese über Kredite und Investments mitfinanzieren. Ein Widerspruch, der die Gefahr von Informationsasymmetrien und mangelnder Risikotransparenz offenbart.
Der WWF fordert die Bundesregierung auf:
- CSRD-Umsetzung schnellstmöglich abschließen und damit den aktuellen Rechtsbruch beenden
- In Brüssel gegen Abschwächung der ESRS eintreten, insbesondere:
- Doppelte Wesentlichkeit als Kern der Standards erhalten
- Umweltstandards E2-E5 nicht aussetzen
- Prüfungspflicht beibehalten
„Die Omnibus-Initiative bestraft jene Unternehmen, die ihre Hausaufgaben gemacht haben. Kleinere Unternehmen werden sich in Zukunft zudem mit einer Vielzahl an unstrukturierten und unklaren Datenabfragen konfrontiert sehen, was zu einer höheren Kostenbelastung führt", warnt Studienautor Dr. Josef Baumüller von der TU Wien.
Nachhaltigkeitsinformationen sind keine Bürokratielasten, sondern Grundlage für eine zukunftsfähige Wirtschaft. Wer sie jetzt verwässert, gefährdet Standort und Wettbewerbsfähigkeit.