Kinderstube für Hundshaie im niederländisch-deutschen Wattenmeer identifiziert /WWF: „Von Aussterben bedrohte Art braucht besseren Schutz“

Haie und Rochen gehören zu den am stärksten bedrohten Meeresarten in europäischen Gewässern. Ihre Bestände schrumpfen seit Jahrzehnten. Erstmals haben jetzt regionale Haiexpert:innen im Rahmen des ISRA-Projekts („Important Shark and Ray Areas“) insgesamt 124 wichtige Gebiete für verschiedene Hai- und Rochenarten in Nordsee und Nordatlantik identifiziert. Auch deutsche Gewässer spielen für zumindest eine Haiart - den vom Aussterben bedrohten Hundshai - eine zentrale Rolle. In dem wissenschaftlichen Verfahren wurde erstmals eine Kinderstube für Hundshaie im Wattenmeer und ein Wanderkorridor von Helgoland durch die südliche Nordsee, den Ärmelkanal bis in die Keltische See identifiziert. Die Gewässer um Helgoland sind ein Aufenthaltsgebiet für erwachsene Hundshaie.

„Erstmals wird sichtbar, wo sich Hundshaie in der Deutschen Bucht fortpflanzen: Zwischen Borkum und den westfriesischen Inseln konnte ein Gebiet eingegrenzt werden, in dem sich regelmäßig Neugeborene und Jungtiere im niederländischen und deutschen Wattenmeer aufhalten. Diese Erkenntnis muss in den Schutz dieser Art einfließen“, sagt Heike Zidowitz, Haiexpertin beim WWF Deutschland, die am Projekt beteiligt war. „Der Hundshai ist eine vom Aussterben bedrohte Art, die vor unserer Haustür vorkommt, aber bislang keinerlei Schutz genießt“.

Fischerei stellt die größte Bedrohung für Hundshaie dar. Obwohl es eine Fangempfehlung des ICES (Wissenschaftlicher Rat zur Erforschung der Meere) für den Hundshai gibt, sind keine Fangbeschränkungen und Quoten in der EU festgelegt. Lediglich ein Fangverbot für Langleinen ist vorhanden. Hundshaie werden in der EU nicht gezielt befischt, doch immer wieder enden Tiere als Beifang im Netz. Anlandungen von beigefangenen Hundshaien übersteigen die wissenschaftliche Empfehlung regelmäßig um 60-70 Prozent. 

Die durch das ISRA-Verfahren ermittelten essenziellen Lebensräume – vor allem das Fortpflanzungsgebiet in der südlichen Deutschen Bucht – sind aus Sicht des WWF Grundlage, um spezielle Schutzmaßnahmen für den Hundshai einzuläuten. In einem ersten Schritt sollte das Beifangmonitoring in der deutschen Fischerei verbessert werden. Zudem muss der Hundshai als eigenständiges Schutzgut in die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie aufgenommen werden.

Die niederländische Regierung hat einen Aktionsplan unter der Bonner Konvention zum Schutz weitwandernder Arten angeregt, um Schutz und die Erholung des nordatlantischen Hundshaibestands ausarbeiten. „Hundshaie gehören zu den weit wandernden Arten und brauchen grenzüberschreitende Schutzmaßnahmen. Bei Helgoland markierte Tiere wanderten im Herbst durch den Ärmelkanal, wo sie überwintern oder bis in die Keltische See weiterziehen. Wir erwarten, dass sich Deutschland gemeinsam mit anderen Ländern an den niederländischen Plänen für grenzüberschreitende Schutzmaßnahmen beteiligt“, fordert WWF-Expertin Zidowitz weiter.

Hintergrund Hundshai:

Der Hundshai ist Deutschlands größter Hai und erreicht eine Körperlänge von fast zwei Metern sowie ein Gewicht von bis zu 45 kg. Er kann vermutlich 60 Jahre alt werden. Weibchen werden erst ab einer Länge von 1,3 - 1,8 m in einem Alter zwischen 11 und 17 Jahren geschlechtsreif.  Die Art ist lebendgebärend und bringt pro Wurf zwischen 6 und 50 Jungen (je nach Größe des Muttertiers) nach einer Tragzeit von 12 Monaten zur Welt. Die Fortpflanzungsrate ist sehr gering, da zwischen den Würfen eine Ruhephase von zwei Jahren liegt, womit sie sich nur alle drei Jahre fortpflanzen. Der Hundshai ernährt sich von Fischen wie Heringen und Sardinen sowie Wirbellosen wie Tintenfischen und Krebstieren. Im Nordatlantik ist der Hundshai in warm- bis kaltgemäßigten Kontinentalgebieten verbreitet und kommt im Flachwasser und gelegentlich bis zu einer Tiefe von 1600 m vor. Der Hundshai ist eine weit wandernde Art, die Distanzen bis zu 2.500 Kilometer zurücklegt. Erst im Juni dieses Jahr wurde mit der aktuellen Ausgabe der deutschen Roten Liste der Meeresfische der Hundshai von “stark gefährdet” nach “vom Aussterben bedroht” hochgestuft. Deutschland obliegt damit in besonders hohem Maße eine Verantwortlichkeit für ihren Schutz.

Kontakt

Britta König

Pressesprecherin für Meeresschutz und Plastikmüll / Hamburg

  • Amur-Tiger © Ola Jennersten / WWF Schweden Bedrohte Arten

    Der Rückgang der biologischen Vielfalt wird maßgeblich durch menschliches Handeln verursacht. Der WWF setzt sich weltweit für den Schutz bedrohter Arten ein. Erfahren Sie mehr zum Artenschutz