Für Eilige: Was hat das Insektensterben mit der Landwirtschaft zu tun?

Bienen, Schmetterlinge, Käfer und Co. leiden gleich mehrfach unter der gängigen Agrarpraxis: Falls sie nicht direkt durch Insektengifte sterben, fehlen ihnen der Lebensraum und vielfältige Nahrungsgrundlagen: Durch Ackergifte wie Glyphosat (aka „RoundUp“) werden die Wildkräuter, Gräser und Grünstreifen vernichtet. Und da die Insekten die Nahrungsgrundlage für viele Vögel und Amphibien sind, verschwinden auch diese zunehmend und hinterlassen oftmals stille, leere Landschaften.

Die derzeitig dominierende Landwirtschaft ist eine der treibenden Kräfte für den Rückgang der biologischen Vielfalt und damit auch der Insekten. Über die Hälfte der Fläche Deutschlands wird landwirtschaftlich genutzt und prägt so den Lebensraum für viele Tiere und Pflanzen. In den vergangenen Jahrzehnten hat eine beständige Intensivierung stattgefunden, die mit erheblichen negativen Auswirkungen auf Lebensräume, die Nahrungsgrundlage für oder Fortpflanzungsrate von Arten einherging. Die Ursachen für den Rückgang der Insekten: zu viele Ackergifte, zu viel Stickstoff- und Phosphordünger, immer mehr und größere Felder, sowie das Trockenlegen von Feuchtwiesen und Mooren, der Umbruch von Grünland zu Ackerland und der Verlust von Hecken und Brachflächen.

Was ist das Insektensterben?

Wiesenhummel Arbeiter © Ola Jennersten / WWF-Sweden
Wiesenhummel Arbeiter © Ola Jennersten / WWF-Sweden

Unseren Insekten geht es schlecht. Dabei kann man zum einen den Bedrohungsstatus der unterschiedlichen Arten betrachten. Von den ca. 560 Wildbienenarten werden zum Beispiel 41 Prozent als bestandsgefährdet eingestuft. 17 typische Schmetterlingsarten des Grünlandes zeigen gegenüber 1990 einen Rückgang um fast 50 Prozent. Aber auch die Anzahl der einzelnen Insekten hat rapide abgenommen. Seit 1998 haben wir in Deutschland 76 Prozent der Insektenbiomasse verloren. Das nennen wir Insektensterben.

Was hat das Insektensterben für Folgen?

Viele fliegende Insekten sind wichtige Bestäuber unserer Kultur- und Wildpflanzen. Der monetäre Wert der Insekten-Bestäubung in Europa beträgt über 14 Milliarden Euro pro Jahr. Wer Äpfel, Weintrauben oder Erdbeeren mag, dem sollten auch die Insekten am Herzen liegen. Aber auch jenseits der Sicherung unserer Nahrungsgrundlage haben Insekten einen wichtige Rolle, denn sie stehen in der Nahrungskette ziemlich weit unten. Gibt es weniger Insekten, steht vielen Vogelarten weniger Futter zur Verfügung. Daher sind die Insektenpopulationen auch ein Indikator für den Zustand der Agrarlandschaft.

Was ist die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP)?

Die “Gemeinsame Agrarpolitik” ist einer der ältesten Politikbereiche der Europäischen Union (EU). Mit rund 40 Prozent macht die GAP den größten Teil des EU-Haushaltes aus und stellt die Weichen für die Art der Landwirtschaft und die ländliche Entwicklung in der gesamten EU. Alleine Deutschland erhält aus dem Topf der GAP jährlich gut 6 Milliarden Euro EU-Subventionen für den Landwirtschaftssektor. Der überwiegende Teil der Zahlungen werden dabei nach dem “Gießkannenprinzip” verteilt: Je nachdem wie groß der Betrieb ist, desto viel Geld bekommt man. Diese sogenannten Direktzahlungen sind nicht ausreichend an eine nachhaltige oder gar ökologische Bewirtschaftung gekoppelt. Nur ein kleinerer Teil ist bisher an ökologische Programme gebunden, diesen Teil der GAP nennt man “zweite Säule”.

Was fordert der WWF?

Marienkäfer © Chris-Martin Bahr / WWF
Marienkäfer © Chris-Martin Bahr / WWF

Der WWF tritt für eine Landwirtschaft ein, die insbesondere ihren Ackerbau bzw. ihre Tierhaltung so umstellt, dass der Artenverlust flächendeckend in der Agrarlandschaft gestoppt, die Belastung der Gewässer aus den diffusen Einträgen aus der Landwirtschaft in Einklang mit der Wasserrahmen-Richtlinie gebracht, die natürliche Bodenfruchtbarkeit erhält bzw. erhöht und  mit den Emissionen aus der Landwirtschaft den Klimaschutzzielen von Paris entsprochen wurde. Der WWF strebt eine Landwirtschaft an, die qualitativ hochwertige Produkte zu angemessenen Preisen im Einklang mit der Natur herstellt und gleichzeitig durch eine intelligente und an den obengenannten Zielen orientierte staatliche Förderung entlohnt. Daher arbeitet der WWF intensiv an einer Agrarreform, um die Landwirte auch finanziell zu unterstützen, die natur- und umweltfreundlich wirtschaften.

Die öffentlichen Gelder der GAP sollten die Landwirte finanziell unterstützen, die natur- und umweltfreundlich wirtschaften. Subventionszahlungen sollten an Maßnahmen gekoppelt sein, die dem öffentlichen Interesse dienen, und nicht nur der Gewinnmaximierung der Agrarindustrie dienen. (“Public money for public goods.”) Bisher werden die Zahlungen in erster Linie an der Flächengröße festgemacht. Wir als WWF machen uns dafür stark, dass die Bemühungen der Betriebe für mehr Nachhaltigkeit honoriert werden. Landwirte erfüllen mit ihrer Arbeit nicht nur ihre betriebsbezogenen Aufgaben, sondern übernehmen für die Gesellschaft wichtige Aufgaben für das Land und den Naturschutz. Für diese öffentlichen Leistungen sollen sie angemessen entlohnt werden.

Richtet sich die Kritik des WWF an die Landwirte?

Bedauerlicherweise hat sich das System der GAP-Zahlungen so entwickelt, dass eine nicht geringe Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe nicht überleben würden, gäbe es diese finanzielle Unterstützung nicht. Es muss eine schrittweise Veränderung hin zu einem für Landwirte und Natur freundlichem System geben, in dem Landwirte für ihr gutes Wirtschaften im Sinne der Natur und für die Produktion qualitativ hochwertiger Produkte entlohnt werden. Betriebe und Landwirte müssen unterstützt werden, wenn sie wichtige naturschutzfachliche Arbeit leisten. Dabei kann die staatliche Finanzierung aber nur einen Teil ausmachen. Handel und Verbraucher müssen auch ausreichend hohe Erzeugerpreise zahlen. Neue, regionalere Vermarktungswege müssen gefunden und gestärkt werden.

Was sind die nächsten Schritte bei der GAP-Reform?

Ende Mai hat die EU-Kommission ihren Vorschlag für den mehrjährigen Finanzrahmen vorgestellt. Die konkreten Vorschläge für die GAP-Reform folgen im Juni. Dann befasst sich das EU-Parlament mit dem Vorschlag. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Agrarausschuss, aber auch Umwelt- und Haushaltsausschuss sind beteiligt. Sie können den Aufschlag der EU-Kommission kommentieren und Änderungen vorschlagen. Vermutlich im Herbst wird der so überarbeitete Vorschlag dann im Plenum des Parlaments debattiert. Anschließend sind die Vertreter der Mitgliedstaaten, der EU-Ministerrat, damit. 

Für die Verhandlungen zu beiden Bereichen "Finanzrahmen" und "GAP-Reform" haben Kommission, Rat und EU-Parlament weniger als ein Jahr Zeit, denn schon im Mai 2019 wird ein neues EU-Parlament gewählt. Das Minimalziel ist der Beschluss des mehrjährigen Finanzrahmens im ersten Halbjahr 2019. Eine Fortsetzung dieser Verhandlungen kann sich bis 2020 verschieben, denn im November 2019 steht der Wechsel der EU-Kommission ins Haus. Auch die nationale Umsetzung in den Mitgliedsstaaten wird Zeit in Anspruch nehmen. Eine zeitgerechte Umsetzung der GAP-Reform ab 2021 ist sehr ambitioniert. Wahrscheinlicher ist eine ein- bis zweijährige Übergangsregelung, in der die alten Maßnahmen mit neuem Geld weitergeführt werden.

  • Kuh auf der Weide © hfoxfoto / iStock / Getty Images Plus Landwirtschaft

    Der WWF setzt sich für tiefgreifende Reformen in der europäischen Agrarpolitik ein, weil die moderne Landwirtschaft die Artenvielfalt bedroht. Weiterlesen ...