Zum Tag der Flüsse: Bestände von Süßwasserarten um 84 Prozent zurückgegangen / Wanderfische in Europa besonders bedroht

Berlin, 25.09.2020: Zum internationalen Tag der Flüsse am Sonntag den 27. September schlägt der WWF Alarm: Tierarten in Flüssen und Feuchtgebieten verzeichnen einen beispiellosen Rückgang. Die überwachten Bestände sind gegenüber 1970 um 84 Prozent eingebrochen. Das geht aus dem kürzlich veröffentlichten Living Planet Report hervor. Theresa Schiller, Referentin für Internationale Wasserressourcen bei WWF Deutschland: „Die neuen Zahlen verdeutlichen einen langjährigen Trend und sind ein trauriger Negativrekord. Bestände in Süßwasserökosystemen schrumpfen im Schnitt um alarmierende vier Prozent jährlich. Kein anderer Lebensraum verzeichnet solche Verluste.“ Um den Abwärtstrend zu stoppen fordert der WWF den Schutz und Erhalt der letzten frei fließenden Flüsse sowie eine bessere Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie.

Der Blick auf die deutschen Flüsse ist ernüchternd: 36 Prozent der Süßwasserfischarten in Deutschland gelten als bestandsgefährdet oder bereits ausgestorben. Darunter sind auch Wanderfische wie Stör, Huchen und Lachs. Die Situation der Wanderfische ist besonders problematisch. Laut Living Planet Report sind seit 1970 die untersuchten Bestände wandernder Süßwasserfischarten weltweit um durchschnittlich 76 Prozent zurückgegangen. In Europa liegt der Rückgang sogar bei 93 Prozent. Grund für die erschreckenden Zahlen ist laut WWF hauptsächlich die fortgeschrittene Verbauung und Veränderung der Flüsse. Laut einer WWF Studie blockiert beispielsweise in Bayern rein rechnerisch alle 500 Meter eine Barriere den Weg der Fische. Schiller kommentiert: „Anders als Wildtiere an Land können Wanderfische nicht einfach einen anderen Weg nehmen. Die unpassierbaren Querbauwerke müssen dringend zurückgebaut werden.“

Intakte Flüsse mit ihren Flussauen sind wichtiger Teil der menschlichen Lebensgrundlage. Sie versorgen uns mit Wasser, sind wertvolle Lebensräume für Tiere und Pflanzen und bieten Raum zur Erholung. Das hat auch die Europäische Kommission erkannt und fordert in ihrer neuen Biodiversitätsstrategie die Renaturierung von 25.000 km der europäischen Fließgewässer. Schiller kommentiert: „Das muss ein Weckruf für die Bundesregierung sein. Mit der Wasserrahmenrichtlinie haben wir das passende Instrument, um unsere Flüsse in einen guten Zustand zu bringen. Ihre Umsetzung ist bislang allerdings mangelhaft. Damit Ziele der Wasserrahmenrichtlinie endlich auch erreicht werden, müssen auf Bundes- und Länderebene mehr finanzielle und personelle Ressourcen bereitgestellt werden.“

Der WWF weist am Tag der Flüsse auch auf Erfolgsgeschichten hin. Am Rhein und seinen Zuflüssen zeigt sich, wie durch ein koordiniertes Maßnahmepaket verschwundene Wanderfischpopulationen wieder eingebürgert und selbsterhaltend aufgebaut werden können. Im Rahmen des Programms „Lachs 2000“ wurden Wanderbarrieren entfernt oder für die Fische besser passierbar gemacht und Teile des Gewässers gezielt renaturiert. Das ermöglicht es Wanderfischarten sich dort ihren früheren Lebensraum zurückzuerobern. Dazu Schiller: „Das zeigt: Natur- und Artenschutzmaßnahmen können funktionieren. Es braucht mehr davon. Der Mensch verursacht nicht nur das Problem, sondern hält auch den Schlüssel für die Lösung in den Händen.“

Hintergrund

Welttag der Flüsse

Der World Rivers Day feiert seit 2005 die Lebensadern unseres Planeten. Der Tag dient dazu, auf die Werte intakter Flussökosysteme und ihre Bedrohung aufmerksam zu machen. Süßwasserökosysteme bedecken knapp 1 Prozent der Erdoberfläche, bilden dabei jedoch den Lebensraum für mindestens 10 Prozent aller derzeit bekannten Arten. Laut Naturschutzunion IUCN ist jede dritte Süßwasserart vom Aussterben bedroht.

Der im Living Planet Report veröffentlichte Living Planet Index zeigt die Veränderungen der weltweiten Biodiversität. Die Studie wird seit 1998 vom WWF veröffentlicht, seit 2000 erscheint sie im zweijährigen Turnus. Die aktuelle 13. Ausgabe wurde vom WWF gemeinsam mit der Zoologischen Gesellschaft London (ZSL) erstellt, sie erfasst den Zeitraum von 1970 bis 2016.

Kontakt

Rebecca Gerigk

Pressesprecherin, Berlin