WWF: Schlupflöcher stopfen, um historische Chance zu nutzen

Am morgigen Montagabend, den 5. Dezember, wollen das Europäische Parlament, die Kommission und der Rat sich zur kommenden EU-Verordnung über entwaldungsfreie Produkte einigen. Doch noch sind wichtige Punkte offen, die letztlich entscheiden, ob das Gesetz wirklich großflächig Entwaldung verhindern kann. Der WWF fordert die tschechische EU-Präsidentschaft auf, diese historische Chance zu nutzen. „Werden jetzt die richtigen Weichen gestellt, kann dieses Gesetz das Leben vieler Menschen entscheidend verändern und großflächig Naturzerstörung verhindern. Wir brauchen einen ehrgeizigen Endspurt, um auf den letzten Metern Schlupflöcher zu stopfen“, fordert Susanne Winter, WWF-Programmleiterin Wald.

Zu den strittigen Punkten am Verhandlungstisch gehören die Fragen, ob 1.) die Verordnung neben Wäldern auch waldähnliche Ökosysteme umfasst, 2.) welche Rohstoffe und Produkte mit ihren Lieferketten, die ein nachweisbares Entwaldungsrisiko haben darunterfallen, 3.) ob Menschenrechtskonventionen mitbetrachtet werden und 4.) Straf- und Kontrollregeln hinreichend wirksam werden können. Der WWF setzt sich für Folgendes ein:  

  • Beschränkt sich die Verordnung auf Wälder, so fallen baumärmere Flächen und Buschland aus der Zuständigkeit. Anstatt die Abholzung zu stoppen, würde das Gesetz nur dazu führen, dass ein Ökosystem auf Kosten anderer geschützt wird und der Landfraß sich verlagert und sich beispielsweise in der artenreichsten Savanne der Welt, dem Cerrado noch verstärkt. Die Region ist bereits heute Hauptlieferant der EU für Soja- und Rindfleischimporte. Bei Ausweitung des Geltungsbereichs auf andere gehölzbestande Flächen („other wooded lands“) stünden mehr als zwei Drittel der Savanne unter Schutz.
  • Der WWF setzt sich dafür ein, dass die Verordnung alle relevanten Warengruppen umfasst, die mit Entwaldung einhergehen: Auch solche, die nicht global aber regional immense Treiber von Entwaldung sind, wie Kautschuk in Thailand und Mais in Brasilien. Die Verordnung sollte ferner Schlupflöcher in der bestehenden EU-Holzhandelsverordnung schließen, indem der Geltungsbereich auf Druckerzeugnisse wie Bücher, Werkzeuge und Holzkohle ausweitet wird.
  • Einhaltung der Menschenrechte: Es muss sichergestellt werden, dass auf den Markt gebrachte Produkte keinen Bezug zu Menschenrechtsverletzungen haben und die Produktion unter Beachtung internationaler Menschenrechtskonventionen zum Schutz indigener Völker und lokaler Gemeinschaften stattfindet, einschließlich der Achtung gewohnheitsrechtlicher Besitzrechte und des Rechts auf freie, vorherige und informierte Zustimmung (FPIC).
  • Damit das Gesetz auch wirkt, müssen strenge Strafen und klare Regeln für Kontrollen und Überwachung eingeführt werden. Alle relevanten Produkte, auch aus Ländern mit einem geringen Entwaldungsrisiko, müssen kontrolliert werden. Die Nichteinhaltung der Vorschriften muss abschreckende Konsequenzen samt hoher Strafen haben.

Die EU zählt zu den größten Treibern von Waldzerstörung, insbesondere durch den Import von Soja, Rindfleisch, Palmöl und Kakao. 16 Prozent der globalen Tropenwaldabholzung gehen demnach auf das Konto der EU. Sie liegt damit auf Platz zwei der „Weltrangliste der Waldzerstörer“, hinter China (24 Prozent) und vor Indien (9 Prozent) und den USA (7 Prozent). Über 43 Millionen Hektar Wald, eine Fläche fast so groß wie Deutschland und die Beneluxstaaten zusammen, wurden zwischen 2004 und 2017 in den Tropen und Subtropen allein an sogenannten Entwaldungsfronten vernichtet. Mit dem Wald gingen zugleich auch seine wichtigen Ökosystemleistungen verloren. Darüber hinaus treibt der EU-Verbrauch die Umwandlung anderer natürlicher Ökosysteme voran, wie etwa die Cerrado Savanne in Brasilien.

„Das Gesetz könnte der Beginn einer neuen Zeitrechnung sein.  Mit einem starken Gesetz könnten europäische Bürgerinnen und Bürger die Sicherheit bekommen, dass von ihnen gekaufte Waren tatsächlich nicht mit Abholzung oder Schädigung von Wäldern und waldähnlichen Ökosystemen oder Menschenrechtsverletzungen in Verbindung stehen. Und es bedeutet auch die Chance, wichtige Ökosysteme zu erhalten, die uns mit frischer Luft, Wasser und Nahrung versorgen, Bodenerosion verhindern und unsere Lebensqualität erhalten“, ordnet Susanne Winter ein.

Hintergrund:

Der Gesetzgebungsprozess wird von der Zivilgesellschaft intensiv begleitet. So haben vergangene Woche führende deutsche Lebensmitteleinzelhändler sich an EU-Entscheider gewandt, eine starke EU-Verordnung auf den Weg zu bringen, die auch die Umwandlung von Buschland und waldarmen Ökosystemen verhindert.

Auch 80 prominente Bands und Künstler wie Cold Play, Barbara Streisand und Brian Adams hatten sich in einem offenen Brief für eine starke EU-Verordnung gegen Entwaldung und entwaldungsfreie Produkte eingesetzt, um Wälder und darin lebende indigene Gemeinschaften zu schützen.

Das together4forest-Bündnis mit fast 200 Nichtregierungsorganisationen wie dem WWF kämpft europaweit mit breiter Unterstützung der Zivilgesellschaft seit zwei Jahren für eine wirksame und ambitionierte EU-Verordnung gegen Entwaldung.

Kontakt

Sylvia Ratzlaff

Pressesprecherin für die Partnerschaft EDEKA Verbund / Berlin

  • Amur-Tiger © Ola Jennersten / WWF Schweden Bedrohte Arten

    Der Rückgang der biologischen Vielfalt wird maßgeblich durch menschliches Handeln verursacht. Der WWF setzt sich weltweit für den Schutz bedrohter Arten ein. Erfahren Sie mehr zum Artenschutz