Studie zu EU-Emissionshandel für Gebäude und Verkehr: NGOs pochen auf Klimaschutz und Sozialverträglichkeit

Das geplante EU-Emissionshandelssystem für die Sektoren Gebäude und Verkehr (ETS 2) kann nur ein ergänzendes Klimaschutz-Instrument sein und bisher fehlen klare Regelungen zum sozial verträglichen Ausgleich. Zu diesen Ergebnissen kommt eine neue Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft und der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft im Auftrag von Klima-Allianz Deutschland, Germanwatch, WWF Deutschland und CAN Europe.

Die Organisationen äußern starke Vorbehalte gegen die Einführung des ETS 2 und fordern eine Reihe von klimapolitischen und sozialen Maßnahmen, sollte der zweite Emissionshandel dennoch eingeführt werden. Am Donnerstag steht das Thema auf der Agenda eines informellen EU-Umweltrates in Amiens (Frankreich).

Malte Hentschke-Kemper, stv. Geschäftsführer der Klima-Allianz Deutschland, erklärt: „Wir befürworten grundsätzlich das Verursacherprinzip und das Instrument CO2-Bepreisung, aber gegenüber einem neuen ETS für Verkehr und Wärme haben wir starke Vorbehalte. Beim informellen Umweltrat in Amiens sollten die Ministerinnen und Minister bedenken, dass der ETS 2 allein nicht reichen wird, um die Klimaziele einzuhalten. Ein Emissionshandel ohne ausreichende Klimaschutzwirkung, der dazu noch die Ärmeren stärker trifft, wäre absurd und würde die Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen gefährden. Wir fordern klare Regelungen zum sozialen Ausgleich. Die Studie zeigt, dass die EU-Kommission noch deutlich nachbessern muss, sollte sie den ETS 2 wirklich einführen.”

Die Studie „Kriterien für ein effektives und sozial gerechtes EU-ETS 2“ bewertet den Vorschlag der Europäischen Kommission, identifiziert Chancen und Herausforderungen im Hinblick auf eine Ausweitung des Emissionshandels und nimmt eine Abschätzung möglicher Verteilungseffekte auf die Mitgliedstaaten und Haushalte vor. Der Studie zufolge ist es für eine erfolgreiche CO2-Bepreisung in den Sektoren Gebäude und Verkehr unerlässlich, sektorspezifische Merkmale zu berücksichtigen. Trotz Ähnlichkeiten mit dem EU-ETS 1 unterscheiden sich die Grenzvermeidungskosten und die Verteilungslasten zwischen den erfassten Sektoren erheblich. Vor diesem Hintergrund erörtert die Studie Kriterien, die im Falle der Einführung des ETS 2 angewandt werden sollten, um eine wirksame und sozial-gerechte CO2-Bepreisung zu erreichen.

Basierend auf den Erkenntnissen der Studie fordern die Organisationen die EU-Kommission dazu auf, im Falle einer Einführung des ETS 2 eine Reihe von belastbaren ökologischen und sozialen Schutzmaßnahmen zu berücksichtigen:

  • Das neue ETS 2 darf nicht die einzige Triebkraft für die Dekarbonisierung in den jeweiligen Sektoren sein, sondern muss in einen breiten Policy-Mix eingebettet und durch starke national verbindliche Emissionsziele in den Mitgliedsstaaten ergänzt werden.
  • Die EU-Kommission muss Preiskontrollmechanismen einführen, um sicherzustellen, dass die CO2-Preisentwicklung im ETS 2 verlässlich und effektiv ist und nicht über ein sozialverträgliches Maß hinausgeht.
  • Der klimapolitische Nutzen des neuen Emissionshandelssystems muss gesichert werden.
  • Das Verursacherprinzip muss dringend vollständig umgesetzt werden und ein Leitprinzip der EU-Klimapolitik bleiben. Bestehende Schlupflöcher und Ausnahmen für Großemittenten untergraben die Integrität dieses Prinzips, wie die kostenlose Vergabe von Verschmutzungsrechten an die Industrie. Sie sollten so schnell wie möglich beseitigt werden, insbesondere in den Sektoren, für die der CO2-Grenzausgleich (CBAM) gilt.
  • Angemessene, erschwingliche und klimafreundliche Alternativen für Mobilität und Wärme sollten auf breiter Basis zur Verfügung stehen, bevor die CO2-Preise auf ein signifikantes Niveau steigen. Dafür braucht es bessere Rahmenbedingungen und Investitionen, die den Weg für die CO2-Bepreisung in den Sektoren Verkehr und Gebäude ebnen.
  • 100 Prozent der ETS 2-Einnahmen müssen für Investitionen in Klimaschutz und soziale Ausgleichszahlungen verwendet werden. Vulnerable Gruppen sollten identifiziert werden und ihre Unterstützung sollte in ganz Europa Vorrang haben. Die Investitionen aus dem ETS 2 sollten langfristigen Lösungen Vorrang geben, die den Strukturwandel hin zu Energieeffizienz und 100 Prozent erneuerbaren Energien vorantreiben.
  • Es sollte sichergestellt werden, dass in allen Mitgliedstaaten eine starke Klimagesetzgebung vorhanden ist und dass bei Investitions- und Entschädigungsregelungen ärmere Haushalte bevorzugt werden bzw. eine angemessene Unterstützung für sie gewährleistet ist.
  • Transparenz und Beteiligung der betroffenen Gruppen und der Zivilgesellschaft muss gewährleistet werden.
  • Es muss eine positive und gemeinsame Vision für die Umgestaltung des Gebäude- und Verkehrssektors geschaffen und vermittelt werden.

Begleitend zu der Studie fordern Klima-Allianz Deutschland, Germanwatch, WWF Deutschland und CAN Europe die EU-Institutionen auf, Folgendes zu berücksichtigen:

Die sich verschärfende Klimakrise verlangt von allen Ländern, ihre Klimaschutzmaßnahmen kurzfristig zu beschleunigen. Europa hat als reiche Volkswirtschaft und als großer historischer Emittent eine besondere Verantwortung, einen überdurchschnittlichen Beitrag zur Einhaltung des 1,5 Grad-Limits zu leisten. Die Überarbeitung der Rechtsvorschriften im Rahmen des Fit-for-55-Pakets bietet der EU die einmalige Gelegenheit, ihre Klimaziele zu verstärken und deutlich über das Ziel von Minus 55 Prozent Nettoemissionen bis 2030 hinauszugehen.


Hintergrund:

Im Juli 2021 legte die Europäische Kommission einen Vorschlag zur Überarbeitung des EU-Emissionshandelssystems (ETS) als Teil des Fit For 55-Pakets vor. Der Vorschlag beinhaltet die Einrichtung eines neuen Emissionshandelssystems (ETS 2) für die Sektoren Gebäude und Verkehr.

Kontakt

Simon Bokern

Pressesprecher, Berlin