Offshore-Windparks naturverträglich errichten

Berlin, 14.5.2024: Auch in vorgesehenen Beschleunigungsgebieten für Erneuerbare Energien, die laut der europäischen Erneuerbaren-Richtlinie ausgewiesen werden sollen, müssen strenge Umweltstandards eingehalten werden. Doch die aktuellen Pläne der Bundesregierung sehen vor, diese in einer Weise abzubauen, die nicht im Einklang mit dem Europarecht steht. Das ist Ergebnis eines neuen Gutachtens der renommierten Umweltjuristin Dr. Roda Verheyen im Auftrag des WWF Deutschland. Es zeigt auf, dass die nationale Umsetzung der neuen Erneuerbaren-Richtlinie der EU (RED III) über das Ziel hinausschießt und Vorgaben zum Schutz der Meere und der Biodiversität missachtet. Dabei ist es möglich, Schutzstandards beim dringend notwendigen Ausbau der Offshore-Windenergie auch im Rahmen der europäischen Vorgaben zu erhalten, wie Lösungsvorschläge des Gutachtens zeigen. Der Kabinettsentwurf zur Umsetzung der RED III in nationales Recht wird zeitnah in erster Lesung im Bundestag behandelt.

„Klima- und Biodiversitätsschutz müssen Hand in Hand gehen. Wir brauchen zwingend den Ausbau der Offshore-Windenergie, um die Folgen der Klimakrise einzudämmen. Zeitgleich bedarf es massiver Anstrengungen, um den schlechten Umweltzustand der Meere zu verbessern - denn sie sind essenzielle Verbündete zur Bewältigung von Klima- und Biodiversitätskrise. Deshalb müssen erstens Belastungen für die Meeresumwelt drastisch reduziert werden und zweitens der Ausbau der Offshore-Windenergie weiterhin strengen Umweltstandards genügen. Die Regelungsvorschläge der Bundesregierung stellen dies derzeit nicht sicher“, sagt Heike Vesper, Vorständin beim WWF Deutschland.

Das neue Paradigma der RED III, den Erneuerbaren-Ausbau in den Beschleunigungsgebieten vor den Naturschutz zu stellen und damit auch Umweltverträglichkeitsprüfungen wegfallen zu lassen, ist in dieser Hinsicht besonders problematisch – und folgt einem falschen Verständnis, was genau den Offshore-Ausbau verlangsamt: Denn es sind nicht die Umweltprüfungen, sondern vielmehr fehlende Netzanschlüsse, Personalmangel und fehlende Digitalisierung, die den Prozess verzögern. Daher fordert der WWF die Mitglieder des Bundestages auf, Anpassungen im Gesetzentwurf vorzunehmen, die sicherstellen, dass der Schutzstandard erhalten bleibt.

Bei der geplanten nationalen Umsetzung der RED III fehlt etwa die Flächenpotenzialanalyse, die von großer Bedeutung ist, um überhaupt den Bedarf für die Ausweisung von Beschleunigungsgebieten auf dem Meer zu identifizieren. Gleichzeitig werden Umweltauswirkungen in expliziter Abweichung von rechtlichen Vorgaben und damit system- und europarechtswidrig definiert.

Außerdem ist der Begriff der „sensiblen Gebiete“ noch nicht im deutschen Recht definiert, die als Beschleunigungsgebiete ausgeschlossen werden sollen: Genau diese Definition braucht es aber, um Beschleunigungsgebiete europarechtskonform ausweisen zu können. Bei der Festlegung von sensiblen Gebieten sollten nicht nur Kriterien der Flora-Fauna-Habitatsgebiete (FFH) berücksichtigt werden, sondern auch der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie, die einen ganzheitlichen Ökosystem-Ansatz verfolgt.

Die Regelungsvorschläge führen zudem das System der zentralen Voruntersuchung in die Bedeutungslosigkeit, obwohl diese vom Gesetzgeber bereits vor Jahren explizit als Instrument für den beschleunigten Ausbau der Offshore-Windenergie eingerichtet wurde.

Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass mehrere Möglichkeiten vom Gesetzgeber genutzt werden können, um Umweltstandards im Rahmen der europäischen Vorgaben zu halten. Dazu gehört das Beibehalten der artenschutzrechtlichen Prüfung im Genehmigungsverfahren sowie, dass die Strategische Umweltprüfung in ihrem Umfang nicht beschränkt wird. Grundsätzlich gilt: Beschleunigungsgebiete können, müssen aber nicht ausgewiesen werden. Maßgeblich ist das Erreichen der Erneuerbaren-Ziele für 2030. Dies ist durch die im Flächenentwicklungsplan 2023 gesicherte Leistung von 36,5 GW bereits sichergestellt.  Außerdem müssen dem Ausbau der Infrastruktur für erneuerbare Energien gezielte Schutzmaßnahmen in konkreten Gebieten gegenübergestellt werden.  Dann stünden – im Sinne der RED III – dem Erreichen der Ausbauziele auch Verbesserungen beim Biodiversitätsschutz und Meeresumweltschutz gegenüber.  

„Wir müssen – auch mit gutem Klimaschutz – die Gesundheit der Meere gewährleisten. Deshalb braucht es besonders in Schutzgebieten konsequenten Schutz ohne menschliche Nutzung auf mindestens der Hälfte der Fläche. Und für die restlichen Meeresflächen gilt: Jeder Eingriff braucht transparente und qualitativ hochwertige Genehmigungsprozesse mit hohem Schutzniveau für die Natur“, so Vesper.

Kontakt

Lea Vranicar

Pressesprecherin für Klimaschutz und Energiepolitik / Berlin

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