Oder-Katastrophe: WWF-Deutschland und Polen kritisieren Behörden

Berlin, 15.08.22 – Vor dem Hintergrund der Umweltkatastrophe in der Oder hat der WWF Deutschland gemeinsam mit seiner Partnerorganisation WWF Polen „völlige Transparenz“ bei der weiteren Suche nach den Ursachen und im Umgang mit der Krise eingefordert. Bislang sei weder der Zeitpunkt der Einleitung der Giftstoffe in die Oder bekannt; er liegt mutmaßlich bereits 14 Tage zurück; welcher oder welche Stoffe eingeleitet wurden und wer der Verursacher ist. Von polnischer Regierungsseite heißt es sehr allgemein, dass offenbar „riesige Mengen“ von Chemieabfällen in der Oder verklappt worden seien. Der WWF Polen warf dortigen Politikern Heuchelei vor.

Dr. Finn Viehberg, Leiter des Ostsee-Büros des WWF sagte: „Die Behörden können auf die wichtigsten Fragen zur Oder-Katastrophe bislang keine Antwort geben. Das beschädigt auch das Vertrauen der Bevölkerung auf beiden Seiten der Oder in sie. Die heute vom Bundesumweltministerium angekündigte deutsch-polnische Taskforce muss aus unsere Sicht deshalb ab sofort auch alle von Behörden erhobenen Messwerte, Daten und sonstige Erkenntnisse mehrsprachig öffentlich machen, um Vertrauen wiederherzustellen.

Es ist mir unverständlich, dass eine Umweltkatastrophe dieses Ausmaßes angesichts der Umweltgesetzgebung und der Auflagen der Europäischen Union inmitten von Europa überhaupt noch passieren kann. Ich wäre auch davon ausgegangen, dass die Internationale Kommission zum Schutz der Oder gegen Verunreinigung genau dieses zum Ziel hat und die Kommunikation zwischen den Staaten koordiniert und gewährleistet. Auch ist ernüchternd zu erfahren, dass aus der Sandoz-Katastrophe am Rhein 1986 die erforderlichen praktischen Lehren offenkundig nicht gezogen worden sind.“

Dr. Finn Viehberg betonte, dass die Giftstoffe, die derzeit zum Fischsterben führen, sich in der Nahrungskette der Oder zum Nachteil des Menschen und der Umwelt anreichern. Gerade Schwermetalle werden sich in den Sedimenten der Oder und im Oder-Haff ablagern. „Wir müssen die Oder auch immer mit der Ostsee zusammendenken. Gerade Schwermetalle lösen sich nicht in Luft auf oder bauen sich ab“, sagte er. „Nach allem, was ich bislang gesehen habe, habe ich den Eindruck, dass eine Regenerierung Jahre dauern könnte. Wir brauchen dringender denn je Projekte zum Schutz der Oder “

Piotr Nieznański vomWWF Polen sagte: „In den letzten Tagen habe ich die Äußerungen unserer lokalen Regierungsbeamten und Politiker aufmerksam verfolgt und sie gehen mir nicht aus dem Kopf. Fast alle von ihnen scheinen gerade bemerkt zu haben, wie wertvoll, unvergesslich und wichtig die Oder für Polen ist. Sie sprechen mit viel Gefühl darüber, wie wichtig dieser Fluss für jede Region an der Oder und für ihre Anrainer ist, wie reich seine Natur und wie groß sein Erholungswert.

Es ist erstaunlich! Das sagen sie jetzt, wo ein Fluss, der jahrelang versalzen, verschmutzt und zerstört wurde, im Begriff ist zu verschwinden. Ein Fluss, der in den letzten Jahren durch mehrere Regulierungsmaßnahmen und den Bau eines Staudamms in Malczyce für Hunderte von Millionen Euro schrittweise seiner Selbstreinigungskraft beraubt wurde. Ein Fluss, der sich viele Jahre lang aus eigener Kraft erfolgreich dagegen gewehrt hat. Bis zu einem gewissen Punkt.

Ich empfinde dies als extreme Heuchelei der Politiker, die bisher die Regulierung und `wirtschaftliche Ausbeutung der Oder´ unterstützt haben. Heuchelei derer, die jahrelang die Augen vor der Verschmutzung der Oder verschlossen haben. Ich sehe darin aber auch eine Chance, die Pläne zu überdenken, die der Oder bisher geschadet und insgesamt zu der heutigen ökologischen Katastrophe geführt haben. Die Oder braucht jetzt Pflege, aber keine nur angekündigte Pflege, sondern konkrete Pflege - ein staatliches Programm zur Revitalisierung der Oder und staatliche Mittel für die Wiederherstellung des Ökosystems Oder. Dies ist mein Appell an die Politik - über alle Grenzen hinweg!“

 

Kontakt

Tobias Arbinger

Pressesprecher, Berlin

  • Feldberger Seenlandschaft © Ralph Frank / WWF Deutschland

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