Johannes Zahnen, Forstexperte beim WWF Deutschland, kauft säckeweise Grillkohle. Doch eine Gartenparty hat er nicht im Sinn. Etwa zeitgleich sind in ganz Europa Kolleg:innen unterwegs, um ebenfalls möglichst viel Grillkohle zu kaufen. Viele verschiedene Marken Grillkohle, denn von jeder Marke benötigen sie nur einige Stücke.

Die Holzkohle kommt ins Labor. Was sich hier herausstellt, ist kriminell: Über die Hälfte der Holzkohle auf dem EU-Markt stammt aus Tropenwäldern. In Belgien sogar 91 Prozent. Sind die Holzarten überhaupt deklariert, ist rund die Hälfte der Angaben falsch oder unvollständig. Ein starker Hinweis darauf, dass Hölzer illegal geschlagen wurden.

Grillkohle unter der Lupe

Untersuchte Grillkohle aus Belgien © Volker Haag / Thünen Institut
Untersuchte Grillkohle aus Belgien © Volker Haag / Thünen Institut

„Ein Unternehmen hatte gar auf die Verpackung geschrieben, dass kein Tropenholz enthalten sei. Genau das fand sich aber unter dem Mikroskop.“ Holz-Experte Zahnen ist ebenso schockiert, wie er sich in seinen Vermutungen bestätigt sieht. 150 Säcke Grillkohle aus elf europäischen Ländern ließ der WWF im Thünen-Institut für Holzforschung in Hamburg untersuchen. Eine Arbeit, die Monate dauert. Es ist nicht leicht, in den schwarz verkohlten Stücken noch etwas zu erkennen. „Das Institut hat ein teures Industriemikroskop so angepasst, dass es tolle 3-D-Bilder der Kohle liefert. Fast wie Kunstwerke sehen sie aus, sind extrem hochauflösend und lassen Wasserkanäle, Zellen und Struktur des Holzes genau erkennen. Das ist einzigartig auf der Welt und ein Riesenfortschritt“, so Zahnen.

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Detektivarbeit in Sachen Holz

Schon zweimal hat der WWF 2017 und 2018 Marktrecherchen zu Holzkohle in Deutschland durchgeführt, um sie nun groß angelegt auf Europa auszuweiten. Doch Grillkohle ist bei weitem nicht das einzige Produkt, das hierzulande Tropenholz und illegal geschlagene Baumarten enthält. Erschreckend häufig tragen auch Stühle, Tische oder Bilderrahmen falsche Angaben zu Art und Herkunft ihrer Hölzer. Ein Fakt, der stutzig machen sollte.

Angesichts mangelnder Kontrollen und Strafverfolgung begann Johannes Zahnen mit seiner akribischen Detektivarbeit. Zunächst mit dem Fokus auf ganz andere Artikel als Grillkohle und einer anderen, aber völlig neuartigen Holz-Untersuchungsmethode. Die Idee dazu kam ihm 2003 bei einer Tasse Kaffee mit einem WWF-Kollegen: „Durch einen Nahrungsmittelskandal erfuhren wir, dass es möglich ist, durch Atomkernuntersuchungen die Herkunft von Lebensmitteln herausfinden. Das müsste doch auch mit Holz gehen!“

Holzdetektive in den Kinderschuhen

Quer- und Längsschnitt durch eine Probe zur mikroskopischen Bestimmung der Holzart © Ilja Hendel
Quer- und Längsschnitt durch eine Probe zur mikroskopischen Bestimmung der Holzart © Ilja Hendel

„Wir haben von Holz keine Ahnung, aber das klingt spannend,“ lautete sinngemäß die Antwort des Isotopenlabors Agroisolab, das Johannes Zahnen seinerzeit anfragte. Darauf folgte eine jahrelange Ausreifung der Methode, unterstützt durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt. „Wir haben auf der ganzen Welt Baumproben gesammelt, um unterschiedliche Zusammensetzungen der Hölzer zu analysieren,“ so Zahnen. Das Ergebnis: Holz enthält je nach Herkunft der Bäume und je nach Klima an diesem Ort unterschiedlich schwere Wasserstoff- und Sauerstoffatome. Diese kann man messen - man könnte auch sagen „wiegen“. „Als wir die ersten Möbel untersuchten, habe ich sie noch in meinem WWF-Büro zersägt und musste danach jedes Mal den Staubsauger holen,“ erzählt Zahnen weiter. Inzwischen ist seine Idee international anerkannt als beste Methode, um die Herkunft von Holz zu prüfen. Dennoch ist die Anwendung der Methode längst nicht weit verbreitet, was Zahnen ärgert. Denn die Holzmafia schläft nicht.

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Das schmutzige Geschäft mit dem Holz

Holzkohleherstellung © Thünen Institut
Holzkohleherstellung © Thünen Institut

Umweltkriminalität ist international der drittgrößte Kriminalitätsbereich und damit alles andere als ein Kavaliersdelikt. Der illegale Holzhandel macht den weit größten Anteil an der Umweltkriminalität aus. Die Gewinnspannen sind vergleichbar mit denen des Drogenhandels und nicht selten sind die Drahtzieher dieselben. Hinter dem Geschäft mit illegal geschlagenen Hölzern steht eine international agierende Mafia. An behördlichen Kontrollen mangelt es nicht nur in den Herkunftsländern der teils vom Aussterben bedrohten Hölzer, sondern auch im deutschen Handel.

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Der Fall Grillkohle

3D Bild von Holzkohle © Volker Haag / Thünen Institut
3D Bild von Holzkohle © Volker Haag / Thünen Institut

An der stark verarbeiteten Grillkohle lässt sich keine Atomkernuntersuchung mehr durchführen, aber mit Hilfe des hochauflösenden Mikroskops die Art des verwendeten Holzes bestimmen. In Deutschland besonders auffällig: Als Qualitätsmerkmal wird gerne mit „Buchengrillkohle“ geworben. In keinem der fünf untersuchten und so gekennzeichneten Produkte stimmte das allerdings. Im Fall der Grillkohle kommt erschwerend hinzu, dass sie bisher nicht unter die europäische Holzhandelsverordnung fällt und daher von Behörden nicht nur mangelhaft, sondern überhaupt nicht kontrolliert wird. Legale Ware zu handeln ist hier quasi freiwillig. „Marktanalysen von Umweltorganisationen oder Verbraucherschützern sind der einzige Hebel, um den schmutzigen Holzhändlern etwas entgegen zu setzen“, so Zahnen.

Ungestraft

Wo Käufer:innen nicht wissen, was sie wirklich kaufen, wo Kontrollen und Strafverfolgung fehlen und wo Verbrechen an unseren Urwäldern nicht aufgedeckt werden, da werden Unternehmen weiter auf das billigste Holz setzen und das ist meist die illegale Ware. „Die einzigen, die in den letzten Jahren umfassend und ernsthaft kontrolliert haben, waren wir vom WWF.“ Johannes Zahnen spricht von Grillkohle, aber auch von Möbeln, Dekorationsartikeln und Papier im deutschen Handel. „Für die Holzmafia müssen das paradiesische Zustände sein, sie hat nichts zu befürchten und verdient viel.“ Die Öffentlichkeit muss informiert und Druck auf Politik und Ermittlungsbehörden ausgeübt werden. Holzdetektiv Zahnen und sein Team müssen weiter ermitteln. Immer wieder, an immer mehr Produkten und noch flächendeckender, als es bisher möglich war.

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