Unser derzeitiger Umgang mit Rohstoffen ist alles andere als nachhaltig. Das derzeitige Wirtschaftssystem nach seinem Prinzip „Produzieren-Nutzen-Wegwerfen“ verschlingt jedes Jahr weit mehr, als die Erde regenerieren kann. Seit den 1970er Jahren hat sich der weltweite Rohstoffkonsum verdreifacht – gerade Deutschland liegt in der Kategorie Ressourcenverbrauch im Vergleich zu anderen Ländern auf einer traurigen Spitzenposition.

Auf dem Weg zu einem nachhaltigen Wirtschaftssystem

Langfristig führt diese permanente Missachtung der planetaren Grenzen zu irreparablen Schäden: Die massive Übernutzung ist einer der Hauptgründe für die Dreifachkrise aus Erderhitzung, Artensterben und Ressourcenknappheit. Darüber hinaus verursacht die aggressive Ausbeutung natürlicher Rohstoffe schwerwiegende soziale und menschenrechtliche Probleme an unzähligen Orten auf der ganzen Welt.

Kurz gesagt: Wir leben auf Kosten unserer Zukunft und zerstören dadurch in rasender Geschwindigkeit unseren eigenen Lebensraum.

Die gute Nachricht ist: Wir können diese Abwärtsspirale aufhalten – wenn wir unser Verhältnis zu Ressourcen grundlegend ändern. Dafür braucht es eine Transformation des derzeitigen Wirtschaftssystems in ein System, das in Kreisläufen denkt und Rohstoffe verantwortungsvoll nutzt – eine Circular Economy(CE).

In Kreisläufen denken

Im Gegensatz zum derzeitigen Wirtschaftsmodell hat die Circular Economy zum Ziel, den Abbau von Ressourcen auf ein Minimum zu reduzieren und stattdessen vorhandene Materialien möglichst lange und hochwertig im Wirtschaftskreislauf zu erhalten.

Anders als derzeitige Ansätze zur Ressourceneinsparung in Deutschland beschränkt sich eine umfassende Circular Economy dabei allerdings nicht nur auf Recyclingkonzepte, sondern verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, der lange vor der Mülltonne beginnt.

Durch nachhaltigeres Design, längere und gemeinsame Nutzung, sowie Wiederaufbereitung und Reparatur werden die Lebenszyklen von Produkten und Bauteilen verlängert – wodurch der ständige Bedarf an neuen Produkten sinkt. Wenn ein Produkt dann das Ende seiner Lebensdauer erreicht hat, werden seine Materialien nicht als Abfall entsorgt, sondern als Rohstoffe für neue Produkte kontinuierlich wiederverwendet.

Late in Germany

Momentan ist Deutschland von einer Circular Economy noch weit entfernt. Während Länder wie Österreich, Finnland und die Niederlande bereits nationale CE-Strategien vorgelegt haben, liegen wir im internationalen Vergleich weit zurück. Bestehende Gesetze und Regelungen greifen zu kurz, sind inkonsistent und beschränken sich meist auf den Umgang mit Abfällen. Eine umfassende Strategie – ein wirklicher Plan – fehlte bisher.

„Modell Deutschland Circular Economy“ - Ein Plan für Deutschland

Die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS), zu der sich die Bundesregierung 2021 bekannt hat, soll das ändern. Damit diese Strategie jedoch erfolgreich sein kann, braucht es eine fundierte wissenschaftliche Grundlage. „Modell Deutschland Circular Economy“ (MDCE) ist die erste Studie, die modelliert, wie eine umfassende Transformation hin zu einer erfolgreichen Circular Economy in Deutschland bis 2045 gelingen kann. Es zeigt auf, welche Maßnahmen in verschiedenen Sektoren am effektivsten umgesetzt werden können und gibt einen umfassenden Überblick über die Auswirkungen auf Umwelt, Wirtschaft und Soziales.

Circular Economy – aber wie?

Die größten positiven Veränderungen lassen sich durch eine Transformation hin zu einer CE in ressourcenintensiven Sektoren erzielen. Die MDCE-Modellierungsstudie, die vom WWF Deutschland in Zusammenarbeit mit dem Öko-Institut, Fraunhofer ISI und der FU Berlin durchgeführt wurde, betrachtet deshalb acht Sektoren, in denen heute noch besonders viele Rohstoffe verbraucht werden.

Hoch- und Tiefbau

Hoch- und Tiefbau verschlingen enorme Mengen an Rohstoffen und gehören zu den drei Hauptverursachern von Treibhausgasemissionen in Deutschland. Durch Maßnahmen wie ressourcensparendes Design, die effizientere und längere Nutzung von Gebäuden und die Verwendung alternativer Materialien lassen sich hier signifikant Ressourcen einsparen.

Icon: Sektor Hoch- und Tiefbau © WWF
Icon: Sektor Hoch- und Tiefbau © WWF
Fahrzeuge und Batterien

Verkehr verbraucht Rohstoffe und Land – und schädigt mit erheblichen Mengen an Emissionen unser Klima. Fahrzeuge und Batterien zählen zu den drei hauptverantwortlichen Sektoren, was den Ausstoß von Treibhausgasen und Rohstoffverzehr betrifft. Durch angepasste Verkehrskonzepte, die technische Optimierung von Fahrzeugen wie auch Batterien und eine Veränderung unseres Konsumverhaltens können hier große Einsparungen erzielt werden.

Icon: Sektor Fahrzeuge © WWF
Icon: Sektor Fahrzeuge © WWF
Haushaltsgeräte, Kommunikation und IT

Die Herstellung von Smartphones, Laptops, Fernsehern, Waschmaschinen und Kühlschränken verschlingt riesige Mengen an Rohstoffen. Gleichzeitig sinkt die durchschnittliche Lebens- und Nutzungsdauer der Elektrogeräte in deutschen Haushalten. Durch Refurbishing, längere Haltbarkeit und Nutzung, und konsequentes Recycling lassen im Rahmen einer CE signifikante Mengen an Ressourcen und Emissionen einsparen.

Icon: Sektor Kommunikation © WWF
Icon: Sektor Kommunikation © WWF
Lebensmittel und Ernährung

Auch Lebensmittel und Ernährung sind in den Top 3 der ressourcenhungrigsten Sektoren in Deutschland. Hauptverantwortlich dafür ist unter anderem der immer noch sehr hohe Anteil tierischer Lebensmittel der Deutschen und der damit verbundene intensive Futtermittelanbau. Einsparungen lassen sich in diesem Sektor vor allem durch eine Verringerung unseres Fleischkonsums und die Vermeidung von Lebensmittelabfällen erreichen.

Icon: Sektor Lebensmittel und Ernährung © WWF
Icon: Sektor Lebensmittel und Ernährung © WWF
Textilien

Die Textilindustrie ist wie kaum ein anderer Wirtschaftssektor trauriges Paradebeispiel für die derzeitige Wegwerfgesellschaft. Deutschland gehört zu den fünf größten Verursachern von Textilabfällen in der EU. Mit den immer größeren Wäschebergen wachsen auch die damit verbundenen Umweltschäden – und die Anzahl massiver Menschenrechtsverletzungen entlang der Lieferketten. Die Lösung: Eine Bewegung weg von Fast Fashion hin zu länger haltbarer Kleidung, neuen Nutzungskonzepten und – wo nicht anders möglich – konsequentem und hochwertigem Recycling.

Icon: Sektor Textilien © WWF
Icon: Sektor Textilien © WWF
Verpackungen

Durchschnittlich verursacht jede:r Deutsche pro Jahr 225 kg Verpackungsmüll. Eine Änderung lässt sich derzeit nicht absehen – aber sie ist möglich! Mehr als in den anderen Sektoren liegt der Großteil der Einsparungen hierbei in unserer Hand. Durch den Kauf unverpackter Produkte, vorausschauendes Design und hochwertiges Recycling können wir unseren derzeitigen Rohstoffverbrauch um mehr als die Hälfte reduzieren.

Icon: Sektor Verpackungen © WWF
Icon: Sektor Verpackungen © WWF
Möbel

Wie bei Textilien geht auch bei der Einrichtung der Trend derzeit hin zur kürzeren Lebensdauer – und verursacht massiven Rohstoffverbrauch. Dieser wirkt sich aufgrund des hohen Holzanteils bei Möbeln besonders negativ auf die Landnutzungsbilanz aus. Längere Nutzung, umweltschonenderes Design und die Nutzung hochwertiger Materialien sowie konsequentes Recycling sind hier der Weg in die zirkuläre Wirtschaft.

Icon: Sektor Möbel © WWF
Icon: Sektor Möbel © WWF
Beleuchtung

Mit der Umstellung von Glühbirnen auf LED sind bei der Beleuchtung schon wichtige Weichen hin zur Circular Economy gestellt worden. Trotzdem verursacht der Sektor noch immer hohe Umweltbelastungen. So dienen heute 17 Prozent aller Lampen nicht der Beleuchtung, sondern der Dekoration. Neben neuen Nutzungskonzepten und langlebigeren Designs lassen sich die höchsten Einsparungen hier durch den Verzicht auf diese Deko-Lampen erreichen.

Icon: Sektor Beleuchtung © WWF
Icon: Sektor Beleuchtung © WWF

Die Zukunft liegt in unserer Hand

Wie stark die positiven Veränderungen durch die Circular Economy sind, hängt von der Umsetzung ab. Die MDCE-Modellierungsstudie vergleicht vier unterschiedliche Szenarien, um die Effekte einer Umstellung bis 2045 kalkulieren zu können.

Das „Weiter-so"-Szenario

Das „Weiter-so“-Szenario ist die Grundlage unserer Berechnungen. Basierend auf dem Projektionsbericht 2021 über die Treibhausgasemissionen in Deutschland bis 2040 bildet es ab, was wir erreichen können, wenn sich unser Konsumverhalten und der technologische Fortschritt so weiterentwickeln wie bisher. Bereits angekündigte Maßnahmen und Ziele werden dabei mit einberechnet – selbst wenn ihre Umsetzung bisher hinter den Erwartungen zurückbleibt.

Das „Verhalten"-Szenario

Das Szenario „Verhalten“ zeigt auf, welche Auswirkungen durch Veränderungen im Konsumverhalten und durch neue politische Instrumente erzielt werden können.

Das „Technologie“-Szenario

Das „Technologie“-Szenario konzentriert sich hingegen auf den Fortschritt, der durch Innovation und neue Technologien möglich ist.

Das MDCE-Szenario

Das MDCE-Szenario modelliert Circular Economy, wie sie sein sollte. Als Kombination der Szenarien „Technologie“ und „Verhalten“ baut es sowohl auf Verhaltensveränderung als auch auf technischen Innovationen auf und berechnet, was möglich ist, wenn die Politik ambitioniert daran arbeitet, Produktion und Konsum in einer umfassenden CE langfristig nachhaltiger zu gestalten.

Die Effekte des MDCE-Szenarios sind dabei vor allem gegenüber dem „Weiter-So“ enorm: Durch den Wechsel zu einer umfassenden Kreislaufwirtschaft in Deutschland können wir es bis 2045 schaffen, unsere Treibhausgasemissionen und unseren Rohstoffverbrauch um jeweils mehr als ein Viertel zu verringern und so Klimaschutz vorantreiben und Ressourcen bewahren. Eine nachhaltigere Landnutzung entlastet zusätzliche 8,5 Millionen Hektar Fläche und hilft so, die Biodiversität zu bewahren. Und weil wir nicht mehr so angewiesen auf neue Rohstoffe sind, wird durch CE außerdem die Versorgungssicherheit Deutschlands erhöht.

Kurz gesagt: Mit einer umfassenden Circular Economy kann Deutschland bis 2045 mit einem Wirtschaftssystem für Wohlstand sorgen, das den Planeten nicht ausplündert und ihn so für uns und zukünftige Generationen bewahrt.

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