Können wir noch guten Gewissens Fisch essen?
Ja, das können wir, allerdings in Maßen.
Rund 14 Kilo Fisch isst jeder in Deutschland im Durchschnitt. Fischgenuss ist zu alltäglich geworden, er sollte als Delikatesse gelten.
Für den Fisch spricht: Er ist gesund. Er ist nicht nur lecker, sondern versorgt den Körper mit wichtigen Nährstoffen wie Eiweiß, Vitaminen und Mineralstoffen. Die Fettsäuren im Fischfett sind gut für Herz, Gehirn und Immunsystem. Für den ökologischen Fußabdruck ist das Fischbrötchen besser als der Hamburger, denn bei der Rind- und Schweinefleischproduktion entstehen deutlich mehr klimaschädliche Treibhausgase. Allerdings ist Fisch oft auch ein weitgereistes Produkt, denn 90% des Fisches, den wir in Deutschland verspeisen, wird aus dem Ausland geliefert. Besonders schlecht ist die Klimabilanz von frischem Fisch, der per Flugzeug eingeflogen wird. Dies ist zum Beispiel oft bei frischem Rotbarsch au Island, oder Viktoriabarsch aus Tansania der Fall.
WWF und EDEKA sowie Netto empfehlen Fisch mit dem MSC-Siegel für eine nachhaltigere Wahl. Kann man dem MSC Siegel denn noch vertrauen?
Der Marine Stewardship Council (MSC) ist eine unabhängige, gemeinnützige Organisation und zertifiziert Fischereien nach Umweltverträglichkeitskriterien. Produkte der ausgezeichneten Fischereien tragen einen kleinen, blauen Fisch, das MSC-Logo. In den 20 Jahren seines Bestehens hat der MSC dazu beigetragen, einen weit verbreiteten Umweltstandard zu schaffen. Der MSC steht derzeit an einem Wendepunkt und muss sicherstellen, dass sein Wachstum nicht zu Lasten der Qualität geht. Der WWF sieht inzwischen deutliche Mängel, wie auch die wachsende Zahl der vom WWF eingereichten Beanstandungen einzelner MSC-Zertifizierungen zeigt. Wir fordern rasche Reformen: Angesichts des starken Drucks auf die Weltmeere muss der MSC sicherstellen, dass sein Standard dem derzeitigen Stand der Wissenschaft und den besten verfügbaren Methoden entspricht. Trotz des unbestreitbaren Reformbedarfs ist das MSC-Siegel für Verbraucher jedoch gegenwärtig noch die beste, schnelle Orientierungshilfe beim Fischkauf. Daher: Lieber zertifizierten Fisch kaufen als nicht-zertifizierten. Deshalb tragen die MSC-Produkte von EDEKA und Netto auch das WWF-Logo. Eine Ausnahme sind jedoch die Fischereien bei deren Zertifizierung wir Einspruch eingelegt haben. Diese Produkte können keinen Panda tragen.
Langfristiges EDEKA-Ziel ist es, die Fisch- und Meeresfrüchtesortimente zu 100 Prozent aus nachhaltigen Quellen zu beziehen. Nach welchen Kriterien bewertet der WWF, wann ein Fisch oder eine Meeresfrucht aus „nachhaltigen Quellen“ stammt?
Nachhaltigkeit im Fischfang heißt für uns, dass die Bestände eine gesunde Größe haben, die ökologischen Auswirkungen wie etwa durch Beifang oder Schleppnetze gering sind und dass genau überwacht und kontrolliert wird, wie sich die jeweilige Fischart entwickelt – abnimmt oder zunimmt. Dazu haben wir eine umfangreiche Datenbank zu etwa 1.400 globalen Fischereien und 250 Zuchten aufgebaut, die regelmäßig aktualisiert wird. Die Daten und Informationen für die Bewertung werden von Fischereiwissenschaftlern im Auftrag des WWF aus anerkannten Quellen zusammengetragen. Wir bewerten bei den Fischereien den Bestandszustand, die ökologischen Auswirkungen der Fischerei und das Management des Bestandes. Zur Qualitätssicherung werden die Bewertungen von mindestens einem weiteren Experten geprüft. Die Datenbank unterteilt die Fischereien und Zuchten dann in fünf Bewertungen ein, so genannte „Scores“: Score 1 und 2 stehen für eine nachhaltige Fischerei oder Zucht. Im WWF-Fischratgeber, der als Büchlein oder App fürs Smartphone verfügbar ist, ist das mit „Grün“ gekennzeichnet. Score 3, im Fischratgeber „Gelb“, steht für eine Fischerei oder Zucht, die als zweite Wahl alternativ empfohlen wird. Score 4 und 5 stehen für eine nicht akzeptable Fischerei oder Zucht, aus denen nicht bezogen werden sollte. Das ist dann im Fischratgeber mit „Rot“ gekennzeichnet. Als grundsätzlich nachhaltig stufen wir Fischereien und Zuchten ein, die nach einem vom WWF anerkannten Umweltstandard zertifiziert sind. Hierzu zählen im Bereich Wildfisch der MSC Standard und bei Zuchtfisch Naturland, Bioland oder EU-Bio. Für den konventionellen Bereich bringt das ASC-Siegel wesentliche Vorteile.
Wo sehen Sie vor allem Potenzial zum Ausbau des nachhaltigeren Angebots?
In den letzten Jahren blieb die gefangene Menge an Wildfisch in etwa gleich, obwohl die Fischereien immer mehr Aufwand betrieben haben. Daher weichen die großen Fischkonzerne immer mehr auf Aquakultur aus, wo sich die Ausbeute besser planen und kontrollieren lässt. Inzwischen stammt etwa die Hälfte des Fisches weltweit aus Aquakultur, in Deutschland ist es allerdings noch weniger. Das ist also ein Wachstumsfeld in Bereich Fisch und wir müssen dafür sorgen, dass auch hier der Anteil an zertifizierten-umweltfreundlicheren Produkten steigt.
Neben den Biosiegeln von Naturland, Bioland und EU-Bio gibt es inzwischen auch für Zuchtfisch aus konventioneller Aquakultur ein Zertifizierungssystem, das dort für erste, wichtige Verbesserungen im ökologischen Bereich sorgt. Der Aquaculture Stewardship Council (ASC) ist auch bei den wichtigen Arten wie Lachs und Shrimp mit seinen Standards am Markt angekommen.
Wie arbeiten WWF und EDEKA jenseits der Sortimente beim Thema nachhaltige Fischerei zusammen?
Vielfältig. EDEKA arbeitet zum Beispiel daran, die Verbraucherinformation an den Fischtheken zu verbessern und immer mehr Theken MSC-zertifizieren zu lassen. Auf politischer Ebene hat EDEKA die WWF-Kampagne zur EU-Fischerei unterstützt. Derzeit beschäftigt uns gemeinsam die Frage, wie in weltweiten Lieferketten besser gegen unregulierte und undokumentierte Fischerei, kurz IUU-Fischerei, vorgegangen werden kann.