Wer im Frühling morgens nach Sonnenaufgang über eine Wiese läuft, kennt das Gefühl nasser Füße und Hosenbeine – obwohl es nicht geregnet hat. Auf den Grashalmen glitzert der Morgentau. Doch wie entsteht er? Und warum sind die Tautropfen für Pflanzen und Tiere so wichtig? Oft ist es gar nicht so leicht, unseren Kindern die kleinen Wunder der Natur zu erklären. Wir geben spannende Antworten und Tipps zum gemeinsamen Erforschen mit der Familie.

Morgentau: Mystisch und wunderschön

Tau Spinnennetz © Trakan / iStock / Getty Images
Tau Spinnennetz © Trakan / iStock / Getty Images

Die funkelnden Tautropfen, die wie ein flüchtiger Zauber mit den ersten Sonnenstrahlen wieder verschwinden, haben Menschen seit jeher fasziniert. Der Morgentau spielt eine Rolle in Märchen, Sagen und Gedichten. Im alten Volksglauben vieler Kulturen wird ihm eine heilende und die Schönheit fördernde Wirkung zugeschrieben. Manchmal soll er sogar unsterblich machen. In der keltischen und germanischen Mythologie tanzen Feen und Elfen nachts über die Wiesen und hinterlassen die Tautropfen. Solche Geschichten zeigen, wie Menschen früher versucht haben, die Geheimnisse der Natur zu verstehen und zu deuten.

Wie entsteht Morgentau wirklich?

Morgentau bildet sich durch die Luftfeuchtigkeit. Warme Luft kann mehr Feuchtigkeit speichern als kalte. Kühlen die Temperaturen nachts ab, gibt die Luft überschüssige Feuchtigkeit frei.

Der Wasserdampf aus der Luft bildet wieder kleine Wassertropfen: Er kondensiert. Auch an kalten Flaschen in warmer Umgebung lässt sich das beobachten. Erst kurz vor Sonnenaufgang ist die nächtliche Tiefsttemperatur erreicht. Bis dahin hält die Taubildung an. Wenn die Temperaturen am Tag langsam steigen, verdunstet der Morgentau wieder. Aber für eine kurze Zeit lassen sich die Tropfen auf den Pflanzen bewundern.

#Aha! Man kann sich die Luft vorstellen wie einen Schwamm, der Wasser in Form von unsichtbarem Wasserdampf aufsaugen kann. 

Warum glitzern besonders im Frühling die Wiesen von Tau?

Tau Löwenzahn © MauMyHaT / iStock / Getty Images
Tau Löwenzahn © MauMyHaT / iStock / Getty Images

Im Frühling werden die Tage wärmer, aber die Nächte sind oft noch kühl. Die Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht sind besonders groß. Außerdem begünstigt Windstille die Bildung von Morgentau. Dazu kommt eine hohe Luftfeuchtigkeit. Denn die Pflanzen, die im Frühling endlich wieder wachsen und grünen, nehmen Wasser aus dem Boden auf und geben es durch ihre Blätter an die Atmosphäre ab. Auch andere Oberflächen wie zum Beispiel der Boden geben durch die steigenden Temperaturen tagsüber mehr Wasser in Form von Wasserdampf an die Luft ab.

Deshalb kommt es im Frühjahr besonders häufig zur Taubildung. Doch auch im Sommer, im Herbst – wo die Temperaturunterschiede ebenfalls groß sind, aber meist mehr Wind herrscht – und manchmal sogar im Winter lässt sich Morgentau beobachten.

Tau als Quell des Lebens

Einige Tiere wie Insekten oder kleine Reptilien nutzen die morgendlichen Tropfen als Wasserquelle. Für Pflanzen kann der Tau sogar als natürlicher Dünger wirken. Denn in ihm sammeln sich Staubpartikel und Nährstoffe aus der Luft.

Tipps für taufrische Frühaufsteher:innen

  1. Nehmen Sie einen oder mehrere Tautropfen genauer unter die Lupe: Welche Form haben sie? Sind in den Tropfen feine Staubpartikel, Pollen oder ähnliches eingeschlossen? Wie sieht die Struktur des Blattes oder Grashalms durch den Wassertropfen aus? Entdecken Sie Lichtspiegelungen oder gar kleine Regenbogen durch die Lichtbrechung?
     
  2. Nehmen Sie kleine Gläser, Flaschen, Löffel, Trichter, dünne Handtücher und ähnliches mit: Gelingt es Ihnen, das Wasser des Taus zu sammeln? Wie riecht der Morgentau? Und wie gut haften die Tropfen auf Blättern und Gräsern?
     
  3. Entdecken Sie als Familie Tiere, die im Morgentau unterwegs sind? Wie nutzen sie den Tau?
     
  4. Vom Morgentau in der Sonne lassen sich wunderschöne Fotos machen. Besonders faszinierend wirken die glitzernden Tropfen auf Spinnennetzen.

Viele Pflanzen und kleine Tiere leben vom Tau, wenn es im Sommer lange nicht regnet. Auch in unseren Breiten – der gemäßigten Klimazone – leisten die magischen Tropfen einen Beitrag zum Wasserhaushalt der Pflanzen. Doch aufgrund der insgesamt höheren Niederschlagsmengen ist ihr Anteil daran eher gering. Von wesentlich größerer Bedeutung ist der Morgentau in den trockenen Regionen unserer Erde.

#Aha! Der Grund dafür, dass Tautropfen ihre Form behalten, ist die Oberflächenspannung des Wassers.

Morgentau in der Wüste

In der Wüste sind die Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht durch den zumeist wolkenlosen Himmel besonders groß. Auch hier kommt es deshalb zur Taubildung. Die Feuchtigkeit in der Luft stammt aus Grundwasser, das über Pflanzen an die Luft gelangt und aus entfernter gelegenen Flüssen oder dem Meer. Der Tau macht das Überleben mancher Tiere und bodennaher Pflanzen in der Wüste überhaupt erst möglich.

Erstaunlich angepasste Überlebenskünstler

Nebeltrinker Käfer (Onymacris unguicularis) © IMAGO / Carol Hughes / Avalon.red
Nebeltrinker Käfer (Onymacris unguicularis) © IMAGO / Carol Hughes / Avalon.red

Die Tier- und Pflanzenwelt der Wüsten und Halbwüsten hat sich beeindruckend an das knappe Gut Wasser aus dem Morgentau angepasst. Flechten beispielsweise nehmen den Tau direkt über ihre Blattoberfläche anstatt über die Wurzeln auf. Einige Käferarten fangen die Tautropfen mit speziellen Fühlern, ihren Beinen oder geriffelten Panzern.

Auf die Spitze treibt es der etwa zwei Zentimeter große Nebeltrinker-Käfer aus der Familie der Schwarzkäfer in der afrikanischen Namibwüste - einem der trockensten Plätze unserer Erde. Die wegen ihrer Klopfgeräusche zur Paarungszeit auch „Tok Tokkie“ genannten Käfer krabbeln nachts auf die Kämme von Sanddünen und schlafen nahezu im Kopfstand. Ihre mit Wachs beschichteten Panzer kühlen besonders gut ab und sammeln Tau- und Nebeltröpfchen, welche den Käfern dann direkt von oben in den Mund fließen.

#Aha! Beim Überlebenstraining in der Wüste lernt man, wie man Tau mithilfe von Planen oder anderen Hilfsmitteln auffängt, um Trinkwasservorräte aufzustocken.

Morgentau in Zeiten der Klimakrise

Nebelkollektor in Chile © dpa Anna Westbeld / Uni Münster
Nebelkollektor in Chile © dpa Anna Westbeld / Uni Münster

Derzeit untersucht die Wissenschaft, ob sich durch steigende Temperaturen die Tau-Mengen verändern. Die Auswirkungen des Klimawandels auf den Morgentau sind noch nicht vollständig verstanden. Doch in der Namibwüste lässt sich leider bereits eine Abnahme von Tau und Nebel und zunehmende Trockenheit beobachten.

Auf der anderen Seite kann das Auffangen des Morgentaus – solange es ihn gibt – Menschen in immer trockeneren Regionen lebenswichtiges Wasser sichern. Das geht zum Beispiel durch feinmaschige, aufgestellte Netze, an denen sich Tau sammelt und anschließend nach unten in Rinnen abfließt. In Afrika und Südamerika wird diese Technik erfolgreich genutzt, um Trinkwasser zu gewinnen und Felder zu bewässern. Forscher:innen entwickeln außerdem Folien, die wie magische Schwämme Wasser aus der Luft ziehen. Diese Folien sind bereits heute eine Schlüsselstrategie für das Überleben in der Wüste.

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