Wie Deutschland mit internationalen Finanztransfers einen fairen Beitrag zum Pariser Abkommen leisten kann.

Protest in London im Rahmen der COP26 © IMAGO / ZUMA Wire / Vuk Valcic
Protest in London im Rahmen der COP26 © IMAGO / ZUMA Wire / Vuk Valcic

Das Pariser Klimaabkommen hat es 2015 vertraglich festgeschrieben, auf der COP26, der Klimakonferenz in Glasgow 2021, wurde das Ziel bekräftigt: Die globale Erderhitzung soll auf maximal 1,5 Grad begrenzt werden.

Um dieses Ziel nun auch zu erreichen, müssen alle Staaten ihre Treibhausgasemissionen drastisch reduzieren. Denn Treibhausgase verstärken die Erderhitzung und wenn die globale Mitteltemperatur nicht zu stark steigen soll, steht nur noch ein sehr begrenztes Budget an Emissionen zum Ausstoß zur Verfügung.

In einer neuen Studie des Öko-Instituts im Auftrag des WWF Deutschland zeigt sich jetzt allerdings deutlich: Deutschland tut bisher zu wenig, um in den Grenzen seines verbleibenden CO2-Budgets zu bleiben. Voraussichtlich werden wir 2021 alle unsere selbstgestellten Sektorziele für den Klimaschutz verfehlen. Die Treibhausgasemissionen in Deutschland sinken nur sehr langsam.

„Ernst gemeinter Klimaschutz in Deutschland braucht dreierlei: höhere, angemessene Ziele – für 2030 etwa von mindestens 70 Prozent Minderung; schnell wirkende Maßnahmen, diese Ziele zu erreichen. Und die ehrliche Bilanzierung des eigenen Emissionsbudgets mit entsprechenden Zahlungen und dem Transfer von Technologien an Entwicklungsländer mit großem Einsparpotenzial“, so Viviane Raddatz, Fachbereichsleiterin Klimaschutz & Energiepolitik.

Im Ergebnis ist der deutsche Anteil am internationalen CO2-Budget zur Einhaltung des 1,5 Grad-Limits für den Zeitraum ab dem Beschluss des Pariser Abkommens schon zu 60 Prozent ausgeschöpft.

„Wir blicken auf eine verlorene Dekade für den Klimaschutz in Deutschland. Jetzt gilt es, aufzuholen und sich ehrlich zu machen: Wir müssen sofort Maßnahmen umsetzen, um unsere Klimaziele zu erreichen.“

Viviane Raddatz, Fachbereichsleiterin Klimaschutz & Energiepolitik

Deutschland muss alles tun, um seine Emissionen schnell, effektiv und drastisch zu senken. Gleichzeitig verdeutlicht die neue Studie mit dem Titel „Mind the Ambition Gap – Internationale Finanztransfers als Instrument zur Einhaltung nationaler CO2-Budgets“, dass Emissionsminderungen allein nicht mehr ausreichen werden. Denn zur Einhaltung des Emissionsbudgets wären so radikale Emissionsminderungen notwendig, dass diese innerhalb weniger Jahre realistisch nicht durchsetzbar wären.

Deutschland muss weitere Wege finden, um seinen fairen Beitrag zum internationalen Klimaschutz zu leisten. Eine Möglichkeit ist das Bereitstellen von zusätzlichen Geldern für die massive Emissionsreduktion in anderen Ländern.

Mit zusätzlichen Finanztransfers zur bisherigen internationalen Klimafinanzierung könnte Deutschland dazu beitragen, dass andere Länder einen geringeren Anteil ihrer verbleibenden Emissionsbudgets ausschöpfen. Die Gelder müssten dafür genutzt werden, dass die Empfängerländer ihre Wirtschaft und Infrastruktur von Beginn an klimafreundlich machen.

Mögliche Maßnahmen sind die Umstellung des Stromsektors auf erneuerbare Energien und die Erzeugung von grünem Wasserstoff. So könnten die finanziellen Mittel dafür sorgen, dass andere Länder die klimaschädlichen Pfade Deutschlands und anderer Industriestaaten gar nicht erst betreten – sondern sie direkt klimafreundlich machen.

„Durch unsere hohen Emissionen beanspruchen wir weiterhin weit mehr als unseren fairen Anteil am globalen Restbudget und steuern damit sehenden Auges in die Klimakrise. Dieser Entwicklung kann nur entgegengewirkt werden, indem Deutschland zusätzlich viel mehr Geld für noch schnelleren Klimaschutz in anderen Ländern bereitstellt. Für einen 1,5 Grad-Pfad wären das nach unserer Berechnung insgesamt 490 Milliarden Euro oder 16 Milliarden Euro jährlich über 30 Jahre.“

Viviane Raddatz, Fachbereichsleiterin Klimaschutz & Energiepolitik

Bei diesen Finanztransfers aus Deutschland geht es also nicht um einen Ablasshandel – sondern darum, gemeinsam schnell und rechtzeitig auf einen 1,5 Grad-Pfad umzusteuern.

Um eine effektive Wirkung der Transfers sicherzustellen, gibt der WWF Empfehlungen zum Umgang mit den Zahlungen:

  1. Priorität müssen immer zunächst Emissionsreduktionen zuhause haben. Das heißt, dass alle Maßnahmen, die zur Erreichung der Klimaziele zu Verfügung stehen, voll ausgeschöpft werden und das Klimaschutzgesetz gestärkt wird.
     
  2. Deutschland und andere Industriestaaten sollten Verantwortung für ihre unzureichenden Klimaschutzbeiträge übernehmen. Dazu gehört auch der Anstoß einer transparenten und lösungsorientierten Diskussion über die bestehende globale Ambitions- und Umsetzungslücke und über entsprechende Handlungsoptionen.
     
  3. Eine trotz dieser Maßnahmen bestehenden Ambitionslücke kann mit Transferzahlungen mit Fokus auf Minderung geschlossen werden. Diese Finanzmittel müssen zusätzlich zur bisherigen internationalen Klimafinanzierung sein.
     
  4. Die Transferzahlungen sollten an den größten Stellschrauben für Emissionsminderungen ausgerichtet sein. Kostengünstigsten Vermeidungsoptionen („low-hanging fruits”) sollten den Empfängerländern vorbehalten sein und ihnen nicht „weggekauft“ werden. Deswegen müssen gezielt Projekte mit Vermeidungskosten von mehr als 100 Euro pro Tonne CO2 gefördert werden.
     
  5. Für die Emissionsminderungen sollten bestehende Kooperationsansätze, wie Klimapartnerschaften, Technologietransfers oder bilaterale Absichtserklärungen miteinbezogen und genutzt werden. Ziel sollten Länder mit dem größtem Unterstützungsbedarf einerseits und den größten unerschlossenen Minderungspotenzialen andererseits sein.
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