2021 ist der Preis für den Ausstoß einer Tonne CO2 im EU-Emissionshandel (EU-ETS) erstmals über die 50-Euro-Marke gestiegen – ein Jahr zuvor lag er meist noch um die 25 Euro. Dieser Preisanstieg der Emissionsrechte ist gut und wichtig: denn dadurch entsteht ein Preissignal. Zudem werden die durch den EU-ETS generierten Mittel dringend für eine gerechte, ökologische Transformation benötigt.

Windkraft © Shinobu Akamatsu
Windkraft © Shinobu Akamatsu

Trotz des starken Anstieges der Versteigerungseinnahmen aus dem EU-Emissionshandel fließt nach wie vor zu wenig Geld in die Transformation hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft. Die EU-Mitgliedsstaaten haben in der Handelsperiode von 2013 bis 2019 mehr als die Hälfte der potenziellen Einkünfte aus dem Emissionshandel durch die kostenlose Zuteilung von CO2-Zertifikaten an die Industrie verschenkt.

Darüber hinaus wurden die Einnahmen nicht vollständig für die Transformation verwendet. Das geht aus dem neuen WWF Report „Fit for 2030: Optimising EU ETS revenues for people and climate“ hervor.

Darin geben wir zehn Empfehlungen für eine Optimierung und eine verbesserte Nutzung der Versteigerungseinnahmen aus dem Emissionshandel, die sich in drei Kategorien gliedern:

Konsequente Umsetzung des Verursacherprinzips (Polluter pays principle)

Im Kern ist die Aufgabe des EU-Emissionshandels zweierlei. Er bildet:

  • einen Anreiz, um langfristig Emissionen zu reduzieren und
  • einen Mechanismus, durch den die Kosten der Verschmutzung von denen getragen werden, die die Emissionen ausstoßen.

Der Schlüssel für einen gut funktionierenden ETS ist die langfristige Gewissheit, dass der Kohlenstoffpreis steigen wird. Nur so werden Unternehmen den Einsatz von fossilen Brennstoffen beenden, die heute unter Umständen noch profitabel erscheinen, aber in Zukunft eine finanzielle Belastung darstellen werden.

Damit der Mechanismus des Emissionshandels funktioniert, müssen die Preise für Zertifikate also über die Zeit ansteigen und von jenen Emittenten bezahlt werden, die die Emissionen verursacht haben. Deswegen fordert der WWF:

1. Beendigung der kostenlosen Zuteilung von ETS-Zertifikaten und Übergang zur vollständigen Versteigerung der Zertifikate ab 2023.

Bei einer kostenlosen Zuteilung von ETS-Zertifikaten besteht kein Anreiz zur Emissionsreduzierung. Eine vollständige Versteigerung von Emissionszertifikaten dagegen wird zu einem stabileren CO2-Preis und höheren Einnahmen aus dem ETS beitragen. Diese können wiederum für das Ziel der Klimaneutralität eingesetzt werden.

2. Überschüssige ETS-Zertifikate aus dem Markt nehmen.

Der EU-Emissionshandel leidet seit Jahren unter einem strukturellen Überschuss an Zertifikaten. Die anstehende Überarbeitung des EU-ETS ist daher eine Chance, das System grundlegend zu reformieren. Dazu sollte die Marktstabilitätsreserve gestärkt, der lineare Reduktionsfaktor auf 3,57 Prozent erhöht und die Anzahl der Zertifikate einmalig um mindestens 350 Millionen Zertifikate reduziert werden („Rebasing“). Das kann das Risiko eines zukünftigen Überschusses (und damit zu hohen Emissionen) verringern.

3. Den Geltungsbereich des EU-ETS auf den internationalen Luft- und Schiffsverkehr ausdehnen.

Der internationale Luft- und Schiffsverkehr wird derzeit von keiner CO2-Bepreisung erfasst. Gleichzeitig werden die Emissionen aus diesem Bereich bis 2050 deutlich ansteigen. Daher ist es wichtig, den Geltungsbereich des EU-ETS auf den internationalen Luft- und Schiffsverkehr auszudehnen, auf diese Weise die Emissionen aus dem Bereich zu begrenzen und erhöhte Einnahmen zu generieren, die dann für Klimaschutzmaßnahmen eingesetzt werden können.

4. Den EU-ETS nicht auf den Straßenverkehr und Gebäude anwenden.

Im Gegensatz zum Luft- und Schiffsverkehr kann bei den Sektoren Straßenverkehr und Gebäude nicht davon ausgegangen werden, dass eine Erfassung im EU-ETS zu den notwendigen Emissionsreduktionen führen wird. Der CO2-Preis wäre in diesen Sektoren entweder zu gering oder die Belastung für Menschen mit geringerem Einkommen zu hoch. Des Weiteren bestehen nicht-monetäre Barrieren, die den Einsatz von grünen Alternativen in den beiden Sektoren behindern. Deswegen sollte der EU-ETS nicht auf den Straßenverkehr und Gebäude ausgeweitet werden, sondern andere Maßnahmen angewendet werden, um Emissionen in den zwei Sektoren deutlich zu reduzieren (unter anderem Energieeffizienzmaßnahmen oder CO2-Standards für Pkw und Transporter).

Verwendung der Einnahmen für Klimaneutralität

Allein im Jahr 2019 generierten die EU-Mitgliedstaaten zusammen über 14 Milliarden Euro Einnahmen aus dem EU-ETS. Diese Einnahmen müssen für gerechte und sinnvolle Klimamaßnahmen eingesetzt werden, das heißt für die Finanzierung von notwendigen Investitionen und tatsächliche Emissionsreduktionen.

In der Realität wurden die Einnahmen in der Vergangenheit jedoch teilweise für kontraproduktive Maßnahmen eingesetzt. Dies muss beendet werden und alle EU-ETS Einnahmen in Zukunft vollständig für das Erreichen des Ziels der Klimaneutralität genutzt werden. Deswegen fordert der WWF:

5. 100 Prozent der Einnahmen aus dem EU-ETS für den Übergang zur Klimaneutralität ausgeben.

Derzeit ist die Richtlinie zu den ETS-Versteigerungserlösen sehr schwach und sieht vor, dass die Mitgliedstaaten nur mindestens 50 Prozent der Erlöse für klima- und energiebezogene Zwecke verwenden sollten.

Trotzdem hat eine große Anzahl von Mitgliedsstaaten diese 50 Prozent-Marke wiederholt nicht erreicht. Im EU-Schnitt wurden 2019 etwa zwei Drittel der EU-ETS Einnahmen für den Klimaschutz ausgegeben, was ebenfalls nicht genug ist.

Darum empfiehlt der WWF, die EU-ETS-Richtlinie dahingehend zu ändern, dass 100 Prozent der Einnahmen für Klimamaßnahmen verwendet werden sollten. Diese Klimamaßnahmen müssen mit einem Übergang zur Klimaneutralität vereinbar und zusätzlich zu den bestehenden Klimaausgaben der EU und ihrer Mitgliedsstaaten sein. Solch eine Änderung der EU-ETS-Richtlinie würde ein klares Signal senden, dass ETS-Einnahmen gerecht, transparent und umweltverträglich ausgegeben werden.

6. Die Definition der Ausgaben für „Klimamaßnahmen“ in der EU-ETS-Richtlinie überprüfen, um sie mit einer sauberen und gerechten Transformation in Einklang zu bringen.

Es reicht nicht aus, dass Ausgaben aus dem EU-ETS nur nach dem Ermessen der Mitgliedstaaten als Beitrag zu „Klimaschutzmaßnahmen“ gekennzeichnet werden. Stattdessen muss die EU sicherstellen, dass die Maßnahmen auch tatsächlich auf einen sauberen und gerechten Übergang ausgerichtet sind. In Übereinstimmung mit der EU-Taxonomie für nachhaltige Finanzen muss die EU deswegen klar definieren, was „Klimamaßnahmen“ sind.

Finanzierte Projekte müssen:

1) einen wesentlichen Beitrag zu mindestens einem der sechs in der Taxonomie aufgeführten Umweltziele leisten und unter mindestens eine der Kategorien in Artikel 10(3) der EU-EHS-Richtlinie fallen,

2) keinem der Umweltziele signifikanten Schaden zufügen,

3) mit den in den Nationalen Energie- und Klimaplänen (NECPs) und gegebenenfalls in den Territorialen Plänen für einen gerechten Übergang (TJTPs) festgelegten Zielen der Mitgliedstaaten übereinstimmen und

4) die sozialen Mindeststandards einhalten.

7. Aufstockung des Modernisierungs- und Innovationsfonds und Anknüpfung an ökologische und soziale Bedingungen.

Mit einer vollständigen Versteigerung der Verschmutzungszertifikate steigen die Einnahmen aus dem EU-ETS. Diese sollten zumindest teilweise in die industrielle Transformation durch den Modernisierungs- und den Innovationsfonds investiert werden.

Wichtig ist jedoch, dass die Fondsausgaben den gleichen Bedingungen für grüne Ausgaben unterliegen, die der WWF für die Einnahmen aus dem EU-Emissionshandelssystem fordert (siehe Empfehlung 6). Dadurch würde der Modernisierungsfonds endlich transformativ werden und klarere Finanzierungsrichtlinien bieten. Zusätzlich könnten Unternehmen, die von diesen Fonds profitieren, mit Auflagen dazu verpflichtet werden, unternehmenseigene Pläne für einen gerechten Übergang zu entwickeln.

8. Die Einnahmen aus einem Kohlenstoffgrenzausgleichsmechanismus (Carbon Border Adjustment Measure) in Form von internationaler Klimafinanzierung an Drittstaaten zurückgeben.

Historisch trägt die EU eine größere Verantwortung für die globale Erhitzung als Entwicklungsländer. Ein Grenzausgleichsmechanismus (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) wäre ein sinnvolles Mittel, um finanzielle Ressourcen für die internationale Klimafinanzierung bereitzustellen.

Dabei kann eine direkte Verknüpfung zwischen der Herkunft der Einnahmen und der Art der Ausgaben hergestellt werden und so Entwicklungsländer dabei unterstützen, ihre Emissionen zu reduzieren. Die Einnahmen des CBAM sollten daher zu 100 Prozent in die internationale Klimafinanzierung investiert werden und zusätzlich zu den bestehenden Beiträgen der EU und ihrer Mitgliedsstaaten fließen.

Nachweispflicht für die Verwendung der EU-ETS Einnahmen

Die Berichterstattung über die Verwendung der EU-ETS Einnahmen der Mitgliedsstaaten ist überwiegend von schlechter Qualität. Einige Staaten übermitteln systematisch widersprüchliche Informationen, weisen Einnahmen nicht zweckgebunden aus oder machen keine Angaben zu ihren Klimaausgaben. Dies verhindert ein vollständiges Verständnis und eine Rechenschaftspflicht darüber, wie Einnahmen aus dem EU-ETS ausgegeben werden.

Deswegen muss die Verbesserung der Qualität der Berichterstattung ein Hauptziel der anstehenden Revision des Emissionshandels sein. Einnahmen müssen zurückverfolgt werden können und grundsätzlich zweckgebunden verwendet werden. Der WWF fordert im Bereich der Nachweispflicht:

9. Die Mitgliedstaaten verpflichten, die Einnahmen aus dem EU-ETS zweckgebunden zu verwenden und nachzuweisen, dass die Einnahmen zusätzlich zu bestehenden Klimaausgaben aus dem Staatshaushalt verwendet werden.

Um sicherzustellen, dass ETS-Einnahmen vollständig für Klimaschutzmaßnahmen ausgegeben werden, sollten die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, die Einnahmen zweckgebunden für Klimaschutzmaßnahmen zu verwenden. Dafür könnte der Teil aus der EU-ETS-Richtlinie, dass die Einnahmen „oder der Gegenwert dieser Einnahmen“ verwendet werden können, gestrichen werden.

Zusätzlich müssen die Einnahmen aus dem EU-ETS überwacht werden, Mitgliedstaaten über mehrere Indikatoren berichten und die Europäische Kommission öffentlich auf die Nicht-Additionalität hinweisen. Für Mitgliedstaaten, die behaupten, dass sie nicht in der Lage sind, ETS-Einnahmen zweckgebunden zu verwenden, könnte die Kommission Optionen für die direkte Verwaltung oder Kanalisierung von ETS-Einnahmen vorschlagen.

10. Die Qualität der Berichterstattung der Mitgliedstaaten verbessern.

Bei der Überarbeitung des Emissionshandels sollten auch die Regeln für die Berichterstattung überarbeitet werden, beispielsweise durch eine Änderung der Governance-Verordnung. Ziel ist die Sicherstellung von vollständigen, hochwertigen und konsistenten Informationen in den Berichten. Dafür muss die Berichtsvorlage umfassendere Informationen als bisher anfordern, insbesondere zur Vereinbarkeit mit dem Ziel der Klimaneutralität.

Wenn die Zweckbindung von Mitgliedsstaaten als nicht praktikabel angesehen wird, wäre eine die direkte Verwaltung oder Kanalisierung der ETS-Einnahmen durch die EU eine Alternative. Dann würden die EU-ETS Einnahmen bei der Kommission eingehen und durch den jährlichen Antrag der Mitgliedstaaten für die Ausgabe der Mittel für zusätzliche Klimaschutzprojekte im Einklang mit einem sauberen und gerechten Übergang freigegeben werden.

Zusammenfassung: Ein besserer EU-ETS

Wir befinden uns im entscheidenden Jahrzehnt um die Erderhitzung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen und den Klimanotstand zu bekämpfen. Ein reformierter EU-Emissionshandel könnte einen Beitrag zur Erreichung dieser Ziele leisten. Dafür muss die Europäische Union jetzt zügig handeln und sicherstellen, dass der Preis von CO2-Zertifikaten auch nach 2023 weiter steigt und es keinen Überschuss an Zertifikaten gibt.

Außerdem muss sie dafür sorgen, dass die Einnahmen aus dem Emissionshandel für das Erreichen der Klimaneutralität und nicht für gegenteilige Maßnahmen eingesetzt werden. Weitere Details zu den Empfehlungen und den Daten auf denen sie basieren können in der Studie Fit for 2030: Optimising EU ETS revenues for people and climate nachgelesen werden.